Filmkritik zu „Frankenstein“ (2025): Guillermo del Toro erfüllt sich seinen lang gehegten Traum
Frankensteins Monster ist wohl das berühmteste Film- und Buchmonster der westlichen Welt. Auch deshalb, weil die Romanvorlage von Mary Shelley es schon so häufig auf die große Leinwand geschafft hat – erstmals im Jahr 1910. Die neueste Verfilmung, von Streaming-Gigant Netflix, dürfte nicht nur von Sci-Fi-Horrorfilm-Fans sehnsüchtig erwartet worden sein.
„Frankenstein“-Cast: Jakob Elordi, Mia Goth und zwei Österreicher
Das liegt zum einen an Regisseur und Drehbuchautor Guillermo del Toro. Der Oscarpreisträger hat sich mit Werken wie „Pans Labyrinth“ (2006) oder „Shape of Water“ (2017) einen Namen gemacht. In seinen Filmen mischt er munter die Genres Drama, Fantasy, Horror und Romantik und verleiht ihnen einen märchenhaften Anstrich. Obendrein hatte auch die Besetzung viele aufhorchen lassen – vor allem der Umstand, dass Jakob Elordi („Euphoria“, „Priscilla“) in die Rolle von Frankensteins Monster schlüpfen sollte.
Sein Erschaffer, der ehrgeizige Wissenschaftler Victor Frankenstein, wird gespielt von Oscar Isaac („Star Wars“, „Moon Knight“). Die Horror-erprobte Mia Goth („X“, „Infinity Pool“) verkörpert Elisabeth, die im Film jedoch nicht mit Victor verlobt ist, sondern mit dessen jüngerem Bruder William, gespielt vom Österreicher Felix Kammerer („Im Westen nichts Neues“, „Eden“). Der langjährige Charakterdarsteller Christoph Waltz, ebenfalls Österreicher, spielt Heinrich Harlander. Dieser finanziert Victors Projekt: die Erschaffung eines Menschen.
Frankensteins Drehbuch: Nah am Roman, aber mit Schwächen
Das Drehbuch nimmt sich also beispielsweise mit Blick auf die Figurenkonstellationen ein paar Freiheiten. Verglichen mit anderen Frankenstein-Verfilmungen orientiert es sich dennoch stark an der Romanvorlage. Wie im Buch gibt es auch im Film eine Rahmenhandlung um ein dänisches Expeditionsschiff, das den verletzten Victor Frankenstein Schutz gewährt. Auch ist die eigentliche Story zweigeteilt, in die Geschichte Victors und die der Kreatur.
Das vorweg: „Frankenstein“ ist ein überaus gelungener Film, der wenig Angriffsfläche bietet. Einen Vorwurf, den er sich aber gefallen lassen muss: Es gibt Schwächen in der Erzählung. Das bezieht sich auf das Pacing, also das Erzähltempo, und auf die Gewichtung der Handlungsstränge. Das erste Kapitel (die Geschichte Victors) nimmt einen Großteil des Films ein. Zu Beginn nimmt es nur langsam an Fahrt auf, weil alle (bedeutsamen) Stationen im Leben Frankensteins (auch seine Kindheit) ausführlich erzählt werden. Während des Kapitels stört das kaum, dafür jedoch im zweiten Abschnitt, in dem das Monster seine Sicht der Dinge erzählt.
Viel Frankenstein, wenig Frankensteins Monster
Die Geschichte des Monsters hätte deutlich mehr Laufzeit verdient. Denn während es in dem Kapitel Victors um dessen Werdegang sowie die Erschaffung des künstlichen Menschen geht, beschäftigt sich die Geschichte der Kreatur mit den wirklich spannenden Themen, die auch den Reiz der Buchvorlage aus- und bis heute aktuell machen: Was darf Wissenschaft? Was macht einen Menschen zu einem Menschen? Oder: Wer ist hier wirklich das Monster?
Da im zweiten Kapitel spürbar die Zeit fehlt, werden diese Themen jedoch nur oberflächlich behandelt. Die Entwicklung des Monsters läuft zu überhastet ab. Das bezieht sich einerseits auf seine Sprachfertigkeiten, andererseits auf moralische und persönliche Erkenntnisse der Kreatur, etwa wenn es um Familie, Zugehörigkeit oder Außenseitertum geht. Letztlich gerät dann auch das Finale etwas arg kitschig. Dem Film gelingt es jedoch, unser Mitgefühl für die Kreatur zu wecken, indem er diese sehr verwundbar und gefühlsbetont charakterisiert.
„Frankenstein“: ein Film für die große Leinwand
Ungeachtet der Schwächen im Drehbuch ist „Frankenstein“ definitiv sehenswert. Es ist bedauerlich, dass die Netflix-Produktion nur kurz und in wenigen Kinos gezeigt wird, denn „Frankenstein“ hat wunderbare Schauwerte zu bieten: Kostüme und Ausstattung wirken authentisch und versetzen uns zuverlässig zurück in das Europa des späten 18. Jahrhunderts. Zu dem imposanten Look tragen auch die gewählten Drehorte bei, darunter Schlösser und Herrenhäuser in Schottland und England.
Der Einsatz von CGI wirkt sehr bewusst und dient vor allem dazu, dem Stil zusätzlich etwas Phantastisches zu verleihen. Das gelingt zum Beispiel schön bei dem Turm, in dem sich Frankensteins Labor befindet. Abgerundet wird der gruselige Schauerroman-Stil durch die epische Musik – vor allem durch den wiederholten Einsatz eines Cembalos. Guillermo del Toro hatte, nach eigenen Aussagen, jahrzehntelang davon geträumt, einen Frankenstein-Film zu drehen. Die lange Wartezeit hat sich im Großen und Ganzen gelohnt – für ihn und auch für Filmfans.