Neunteilige Serie bei Paramount+

Sylvester Stallone glänzt in "Tulsa King": Alt, klug und extrem komisch

15.03.2023, 08.30 Uhr
von Eric Leimann

Mit "Tusas King" hat Sylvester Stallone eine echte Rollenüberraschung hingelegt. Der 76-Jährige ist nicht nur überragend in der Rolle des ehemaligen Mafiosos. In seinem Seriendebüt zeigt sich Stallone nicht nur alt und klug, sondern auch extrem komisch. 

Es ist nicht leicht, in Würde zu altern. Vor allem dann nicht, wenn man sein Leben lang mit Rollen wie dem ewigen Boxer-Underdog "Rocky" oder dem schwerbewaffneten "Rambo" verbracht hat. Also in Sachen Muskeln, Testosteron und "körperliche Konfliktlösungen" unterwegs war. Sylvester Stallone, einer der größten Kinostars der 70-er, 80-er und 90-er Jahre, ist mittlerweile 76 Jahre alt. Mit der Serie "Tulsa King" (Start mit einer Doppelfolge am 19. März bei Paramount+, danach weitere sieben Episoden im Wochenrhythmus) feiert der Altstar sein spätes Debüt als Hauptdarsteller einer Serie.

Die Welt nach 25 Jahren Gefängnis ist eine andere

Der titelgebende "Tulsa King", natürlich gespielt von Stallone, ist eigentlich ein Ausgestoßener. 25 Jahre hat Dwight Manfredi, New Yorker Mafia-Boss in spe, schweigend in einem Hochsicherheitsgefängnis verbracht. Zum Dank erwartet er einen hohen Posten, wenn nicht den höchsten in seiner New Yorker "Familie". Doch die Uhren sind weitergetickt, und kurz nachdem Dwight Manfredi bei seinem greisen Boss eher lauwarm empfangen wird, schiebt man den Ur-New Yorker ins provinzielle Tulsa, Oklahoma, ab – wo man Fluchende wie ihn schon am Flughafen mit Weihwasser besprüht (statt Pfefferspray) und man zur Begrüßung "Howdy" sagt.

Von der Mafia hat man hier bisher wohl nur in Kino und Fernsehen gehört. Doch Dwight, genannt "The General" – nach General Dwight D. Eisenhower, auch ein Hinweis auf sein Alter -, macht schon im Taxi vom Flughafen in die Stadt Nägel mit Köpfen: Taxifahrer Tyson (Jay Will), einen jungen Afroamerikaner, stellt er für 2.000 Dollar die Woche als Fahrer ein (wer kann da schon "nein" sagen?), und gleich der erste Laden, der als Schutzgeld-Kunde infrage kommt, ist ein medizinischer Marihuana-Bedarfsshop, dessen peacige Belegschaft rund um Chef Bodhi (Martin Starr) erst gar nicht glauben kann, dass es solche Gangster wie Manfredi heutzutage noch gibt.

Tja, und auch eine Bar-Bekanntschaft (Andrea Savage) kann der alte Mafioso noch klarmachen, die aber am Morgen nach der Liebesnacht erst mal das Weite sucht. Als Polizistin (!) Stacy Beale das tatsächliche Alter ihres One-Night-Stands erfährt, verlässt sie entsetzt dessen Hotelzimmer: "Ich dachte, du wärst ein harter Mittfünfziger!"

Coole Dialoge, großartige Schauspieler

Es sind ziemlich coole Dialoge und Sätze wie dieser, die "Tulsa King" zu einem großen Spaß machen. Die prominenten Serienschöpfer Taylor Sheridan ("Yellowstone") und Showrunner Terence Winter, der schon "Boardwalk Empire" erschaffen hat, treffen in dieser Sylvester Stallone auf den Leib geschriebenen Serie fast immer den richtigen Ton. Im Prinzip geht es um einen alten Dinosaurier, der mit einer neuen Welt kollidiert. Wer weiß, welche Stärken Sylvester Stallones Schauspiel aufweist – Lakonie, Wortkargheit, vielsagende Blicke -, kann sich vorstellen, mit welchem Gesicht Dwight Manfredi aus seinem Taxi von Gefängnis nach Downtown Manhattan auf junge Menschen auf E-Scootern oder Tai Chi-Sportler mit Virtual Reality-Masken reagiert. Genau: Mit minimalem Hochziehen der Augenbraue und einer grandiosen Ausdruckslosigkeit im Gesicht.

Das Aus-der-Zeit-Gefallene des Langzeitgefangenen wird im zeitgenössischen Western- und Provinz-Exil Tulsas noch mal verstärkt. Aus diesem Setting entstehen tolle Szenen, in denen Manfredi beispielsweise nicht mehr mit Geldbündeln (sondern per App) bezahlen kann oder seinen (Theorie)-Führerschein noch mal auf der Schulbank zwischen jungen Leuten machen muss. Szenen von kurzer Dauer, die aber mit zum Lustigsten gehören, was man an leiser Komik in diesem Serienjahr bislang sehen konnte.

"Tulsa King" wird zur positiven Serien-Überraschung

Natürlich erinnert das Ganze auch ein bisschen an die Netflix-Serie "Lilyhammer" mit Steve Van Zandt, eine andere Fish-out-of-Water-Mafiageschichte. Trotzdem glaubt man nie, in "Tulsa King", das in den USA schon im November anlief und bereits für eine zweite Staffel verlängert wurde, eine Kopie oder etwas Abgestandenes zu sehen. Ein wenig Drama gibt es in Slys Alters- und Provinz-Serie auch: Dwight Manfredi sehnt sich nach seiner Tochter, mittlerweile Anfang 30, die vor langer Zeit den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen hat und ein bürgerliches Leben lebt. Wird es der hartgesottene Mafia-Best-Ager schaffen, den tiefsten Stachel seines Lebens zu lösen?

"Tulsa King" wirkt auf den ersten Blick wie eine altmodische Serie, weil sie eher langsam erzählt und mit viel wortkargem, aber auf den Punkt geschriebenen Dialog ausgestattet ist. Ab und zu, nur wenn es sein, muss, fliegen auch mal die (alten) Fäuste, wobei man dem muskulösen Senior durchaus zutraut, den ein oder anderen Fight auch "in echt" bestehen zu können. Meistens jedoch regieren in "Tulsa King" fein ausgedachte Begegnungen, Dialoge und Konflikte, die eine sehr unterhaltsam und "leicht" anzuschauende Sylvester Stallone-Serie zu einer der positivsten Überraschungen des Serien-Frühjahrs 2023 machen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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