"37° : Aufbruch hinter Gittern – Theater im Knast": Strafgefangene auf der Bühne
Die Theatergruppe nennt sich "AufBruch". Gefangenen aus dem geschlossenen und offenen Vollzug der Berliner JVA Tegel und Plötzensee können sich der Truppe anschließen. Seit 25 Jahren gibt es das Angebot. Der Film beobachtet vier Gefangene bei der Aufführung von Schillers "Die Räuber".
Sie bildet wohl das bekannteste Gefangenentheater Deutschlands: die Theatergruppe "AufBruch" der JVA Tegel und Plötzensee. Strafgefangene machen Theater – manche im offenen, andere im geschlossenen Vollzug. Im Sommer 2023 spielten sie Schillers "Die Räuber" im Freien nach zuvor Camus' "Die Gerechten" und Shakespeares "Macbeth"
Es geht um die Sehnsucht nach Freiheit, sieben harte Probewochen stehen an. Ein Räuberhauptmann und ein Vatermörder stehen sich gegenüber, einer stellt sich gegen den Staat, der andere gegen die Familie. Karl ist der Aufrechte, Franz die Kanaille, der Geduckte. Eike Weinrich und Christian Hestermann wollten für ihre "37°"-Reportage wissen, was ihr Spiel im Amphitheater auf der Jungfernheide den Gefangenen bedeutet.
Eine erwachte Leidenschaft
Es geht um Freiheit und Gerechtigkeit, die für Karl Moor nur durch Aufruhr und Terror zu haben sind. Textänderungen im Klassiker von 1782 sind erwünscht. "Aufscheint jene Tragik, die alle Aufrührer eint", so lässt sich der Theaterleiter und Regisseur Peter Atanassow vernehmen. "Sie verpassen den Punkt der Umkehr. Schiller in einer Inszenierung aus dem Blickwinkel des Gefängnistheaters – das ist Suche nach den Gründen, warum Glückssuche in Katastrophen umschlägt, warum der Wunsch nach Gerechtigkeit oft genug in ein Verderben führt."
Der Gefangene Max, der bei "AufBruch" erstmals Theater spielte, dachte sich: "Oh Gott, oh Gott, das wird nie was! Theater, das war für mich so Schickimicki, High Society und so was." Doch inzwischen hat nicht nur er seine Meinung geändert. Max will auch dann wieder Theater spielen, wenn er in Kürze aus der JVA Plötzensee entlassen wird.
Nicht jeder kann einfach mitmachen, man braucht die Zustimmung der Gefängnisleitung. Sadam sieht sich belohnt dafür, dass er sich während seines bisherigen Gefängnisaufenthalts nichts zuschulden kommen ließ. Er empfindet die Teilhabe als Privileg, er ist mit Leidenschaft bei der Sache und strotzt vor Selbstbewusstsein.
"Theater ist eigentlich für mich das Leben, also wie Atmen"
Mohamad, ein Flüchtling aus dem Libanon, der ehemals drogenabhängig war, wiederum sagt: "Wenn ich dieses Theater nicht kennengelernt hätte, wäre ich tot, hätte ich schon längst aufgegeben. Ich war kurz davor." Vor zwei Jahren hatte er einen Gehirntumor, nun hilft ihm das Textlernen bei der Konzentration.
"Theater ist eigentlich für mich das Leben, also wie Atmen", sagt Para Kiala, der seit seinem 13. Lebensjahr Theater spielt. Er hat im Kongo Schauspiel studiert und ist der einzige Professionelle. Wegen Betrugs sitzt er seit fünf Jahren in der Haftanstalt. Weil er auch nach 30 Jahren noch keine Niederlassungserlaubnis hat, lernt er zurzeit Maschinenbau.
Peter Atanassow will den Gefangenen dabei helfen, "Respekt zu bekommen, Anerkennung zu bekommen, Aufmerksamkeit zu bekommen". Das sei gar nicht hoch genug einzuschätzen, das Theaterspiel mache selbstbewusst. "Wenn Menschen selbstbewusster sind, begehen sie auch weniger Dummheiten", ist seine Erfahrung.
37° : Aufbruch hinter Gittern – Theater im Knast – Di. 05.12. – ZDF: 22.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH