40 Jahre RTL gegen SAT.1: Welcher Sender war erfolgreicher?
Vor 40 Jahren gingen die Privatsender SAT.1 und RTL an den Start. Damals noch unter den Namen PKS und RTL plus. Beide TV-Sender stehen in Konkurrenz. Wir haben einen Blick auf die bedeutendsten Formate geblickt. Welcher Sender war erfolgreicher?
Im Grunde sind sie wie Zwillinge, bei der Geburt getrennt. Vor 40 Jahren läuteten die ersten beiden Sender im Synchronstart die Ära des deutschen Privatfernsehens ein. Am 1. Januar 1984 ging die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk (PKS) – 1985 umbenannt in SAT.1 – auf Sendung. Nur einen Tag später nahm RTLplus – der deutschsprachige Ableger eines Luxemburger Rundfunkimperiums – den Programmbetrieb auf.
Unterschiedliche Startbedingungen
Dabei waren die Startbedingungen höchst unterschiedlich, wie sich Ulrich Meyer einst erinnerte. Laut dem Nachrichtenjournalisten, der für beide Sender arbeitete, war SAT.1 schon in jungen Jahren "in jeder Hinsicht extrem gut ausgestattet" – von Leo Kirchs umfangreichen Filmrechten über Sport bis zur Corporate Identity. Ganz anders der Konkurrent: "Bei RTL saßen wir ewig in Luxemburg und hatten Pappschilder umhängen, mit denen wir Ratespiele machten."
Mag man sich heute kaum mehr vorstellen, da RTL schon seit Jahren als Marktführer grüßt, derweil SAT.1 fast ebenso lange in einer hartnäckigen Identitätskrise steckt. Umso angebrachter, zum gemeinsamen Jubiläum Bilanz zu ziehen: 40 Jahre SAT.1 versus 40 Jahre RTL. Wer hat in den wichtigsten privaten TV-Genres die bedeutendsten Formate produziert?
"Die Harald Schmidt Show" vs. "Gottschalk Late Night"
Thomas Gottschalk, der Wahlkalifornier, war der Erste, der die amerikanische Late-Night-Idee ins deutsche Fernsehen brachte. Drei Jahre übte sich der schillernde Entertainer in Stand-up-Pointen und Promi-Interviews. Als die Show 1995 eingestellt wurde, ging bei SAT.1 einer auf Sendung, der wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit definiert hat, wie Late Night in Deutschland funktioniert: Harald Schmidt machte erst knallig Furore und später absurde Kunst im Geiste Samuel Becketts und Thomas Bernhards. Über seinen Wechsel zur ARD, seine glücklose SAT.1-Rückkehr und sein einsames Exil im Bezahlfernsehen schweigt man hingegen lieber. Punkt an SAT.1, eindeutigst. Und das, obwohl Gottschalk stets die höheren Zuschauerzahlen hatte.
"The Voice of Germany" vs. "Deutschland sucht den Superstar"
2003, als ein gewisser Alexander Klaws zum ersten deutschen "Superstar" gekürt wurde, schalteten fast 13 Millionen Menschen RTL ein. Eine Gesangs-Castingshow war damals ein Ereignis. Dass bis heute die allermeisten DSDS-Sieger dem Sendetitel nicht wirklich gerecht werden würden, konnte ja keiner ahnen. Nach Ausbootung und Begnadigung bepöbelt Chefjuror Dieter Bohlen noch immer seine Kandidaten, als hätte er nie irgendwelche Manieren gelernt. Nur interessiert das von Jahr zu Jahr immer weniger Publikum. Dafür gibt es bei SAT.1 (und ProSieben) inzwischen eine Alternative, die Wert auf Musik legt, anstatt auf Vorführeffekte. Jedoch sind nach nunmehr 13 Staffeln auch bei "The Voice of Germany" die Abnutzungserscheinungen unübersehbar und die nachhaltigen Karrieren rar. Unentschieden.
"Verliebt in Berlin" vs. "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"
Es war dann doch ein eher kurzer Flirt zwischen den SAT.1-Zuschauern und der liebreizenden Brillen-, Zahnspangen- und Fatsuit-Trägerin Lisa Plenske. Aber ein äußerst heftiger! Über sieben Millionen Fans der Telenovela "Verliebt in Berlin" feierten im September 2006 Traumhochzeit in einem 90-minütigen Special. Den Abschied der ehemaligen GZSZ-Darstellerin Alexandra Neldel als romantische Heldin konnte die zweite Staffel dann nicht mehr verkraften. Da ist der RTL-Dauerbrenner "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" aus anderem Holz geschnitzt. Zwar kommt auch Deutschlands erfolgreichste Daily-Soap längst nicht mehr an frühere Reichweiten heran. Aber sie läuft und läuft und läuft – seit 1992. Punkt für RTL.
"Der Tunnel" vs. "Hindenburg"
Rund zehn Millionen Euro ließ sich RTL seine pompöse Event-"Hindenburg" kosten. Jeweils rund sieben Millionen Zuschauer verfolgten Anfang 2011 im kinoreif bebilderten Zweiteiler, wie das größte Luftschiff aller Zeiten in Flammen aufging. Innovativ war das Ganze allerdings nur bedingt. Denn schon zehn Jahre zuvor ebnete SAT.1 mit "Der Tunnel" – ebenfalls ein Zweiteiler und 14 Millionen Mark teuer – den Boden für das, was man heute Event-Film nennt. "Die Luftbrücke", "Das Wunder von Lengede" und andere sentimental aufgeladenen Zeitgeschichtsaufarbeiter folgten quer durch alle Sender. Und wer hat's erfunden? SAT.1! Punkt nach München-Unterföhring.
"Kommissar Rex" vs. "Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei"
"Der Bulle von Tölz", "Wolffs Revier", "Danni Lowinski", "Doctor's Diary", Balko", "Der Clown" ... Erfolgreiche eigenproduzierte Serien hatten RTL und SAT.1 reichlich. Wenn auch die kostspieligen Flops naturgemäß in der Mehrzahl waren. Exemplarisch lässt sich indes an der Wiener Vierpfötersaga "Kommissar Rex" (1994 bis 2004 bei SAT.1) und dem Benzin-und-Testosteron-Gewitter "Alarm für Cobra 11" (seit 1996) aufzeigen, wie SAT.1 dereinst in längst verloren gegangener Klarheit um die Familie buhlte und RTL um (geistig) Adoleszente. Pferdestärken gegen Hundeschläue, nicht zu entscheiden das Duell. Noch mal unentschieden.
"Nur die Liebe zählt" vs. "Bauer sucht Frau"
Empathische Liebesboten sind sie beide. Auch wenn die Kuppelsendungen von Kai Pflaume und Inka Bause vom Fan-Volk aus sehr unterschiedlichen Beweggründen eingeschaltet wurden – respektive werden. "Nur die Liebe zählt" (1993 bis 2011) mit dem freundlichen Herrn Pflaume war was für verträumte Kuschelrockhörer und Entspannungsbader, der RTL-Hit "Bauer sucht Frau" (seit 2005) mit der Dirndl-Bause galt mal als Ursuppe des Zurschaustellungsfernsehens unfreiwillig skurriler Reality-Protagonisten. Währen das Dating-Genre insgesamt immer schriller und schamloser wurde, nahm "Bauer sucht Frau" eine gegenteilige Entwicklung, stiftet aber immer noch konkurrenzlos viele Ehen und gute Einschaltquoten. Metamorphose- und Langlauf-Punkt an RTL.
"Promi Big Brother" vs. "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!"
Fast ein Jahrzehnt hat SAT.1 gebraucht, um der sagenhaft erfolgreichen RTL-Dschungelshow ein Konkurrenzprodukt in Sachen C-Promi-Gepiesacke entgegenzusetzen. Gemessen an dem Ansinnen blieb das Containerfranchise "Promi Big Brother" – 2013 erstmals moderiert von Oliver Pocher und Cindy aus Marzahn – lange ein laues Lüftchen. Kein Vergleich mit den um Welten professioneller in Szene gesetzten Ekel- und Lagerfeuer-Arien im australischen Dschungel. Sogar den Tod Dirk Bachs hat die RTL-Show überlebt, die sich in Glanz-Zeiten zu Momenten von unfreiwilliger Größe aufgerafft hat. Beispiellos der Aufstieg vom geächteten Unterschichtenprodukt zum Feuilleton-Thema und Grimme-Preis-Kandidaten. Zuletzt freilich wirkte das Reality-Genre in Gänze einigermaßen auserzählt. Dennoch klarer Punkt für RTL.
"Glücksrad" vs. "Der Preis ist heiß"
Anfangs kaufte das Team um Peter Bond, Frederic Meisner und "Glücksfee" Maren Gilzer noch persönlich die Gewinne in Berliner Kaufhäusern ein. Wenig später hatte es das "Glücksrad" (1988 bis 1998, danach noch vier Jahre bei Kabel Eins) zur erfolgreichsten deutschen Gameshow gebracht. Fünf Millionen Zuschauer schalteten in Spitzenzeiten ein, wenn werktäglich am Vorabend drei Kandidaten um den Jackpot der Süddeutschen Klassenlotterie oder um wertvolle Preise wie Schmuck, Reisen oder Autos kämpften. Bei RTL war der Niederländer Harry Wijnvoord lange Zeit der Chefconferencier in Sachen werktäglicher Gameshow. "Der Preis ist heiß" lief zwischen 1989 und 1997 ebenfalls erfolgreich und zunächst auf der etwas früheren 17-Uhr-Schiene, später dann gegen Mittag. Auch legendär, aber der Klassiker schlechthin ist das "Glücksrad". Punkt für SAT.1.
"Akte – Reporter decken auf" vs. "stern TV"
Bei RTL hatte Ulrich Meyer mit der Streitshow "Explosiv – Der heiße Stuhl" das "Brüllfernsehen" erfunden. Nach seinem Wechsel zu SAT.1 profilierte er sich eine Weile als Nachrichten-Anchor und nachhaltig als investigativer Aufdecker im Dienste der Zuschauer. Zu seinen Glanzzeiten deckte das Reporter-Magazin "Akte" (seit 1995) einen Koksskandal im Bundestag auf und half, den Kinderporno-Ring "Mikado" zu zerschlagen. Solch investigativer Aufwand ist unter dem Kostendruck heute nicht mehr drin – da geht es "Akte" nicht anders als "stern TV" (seit 1990). Unter der souveränen Führung Günther Jauchs überstand das Erfolgs-Format sogar einen Skandal um gefälschte Reporter-Beiträge. 2011 übergab Jauch nach fast 21 Jahren an Steffen Hallaschka, der sich bislang schadlos hält am großen Erbe. Punkt an beide.
"Die Wochenshow" vs. "RTL Samstag Nacht"
"Kentucky schreit ficken", "Zwei Stühle, eine Meinung": Lose angelehnt an die US-Comedy-Institution "Saturday Night Live" machte RTL von 1993 bis 1998 "Samstag Nacht" zur ersten Humoradresse im deutschen Fernsehen. Nicht minder populär: Das zwischen 1996 und 2002 ausgestrahlte SAT.1-Pendent "Die Wochenshow" mit zeitlosen Klamaukfiguren wie Sex-Reporter Brisko Schneider ("Hallo liebe Liebenden") und Frührentner Herbert Görgens ("Komm ich jetzt im Fernsehen?"). Wigald Boning, Olli Dittrich und Esther Schweins wurden in der RTL-Show zu Stars, die SAT.1-Reihe brachte die Karrieren von Anke Engelke und Bastian Pastewka in Schwung. Wunderbare Leute allesamt. Punkt an beide.
"ran" vs. "RTL Skispringen"
Sven Hannawalds historischer Vierfachtriumph bei der Vierschanzentournee 2000/2001 ging einher mit einem Riesensatz in ungeahnte Quotenregionen. Die deutsche "Boygroup" um Hannawald und Martin Schmitt flog vorweg, RTL mit einem Gefolge von gut 13 Millionen Wintersportbegeisterten an den Bildschirmen hinterher. Gutes Timing war das, verbunden mit der Moderator Günther Jauch eigenen Fähigkeit, aus einer Randsportart ein Event zu zaubern. Noch eindrucksvoller die Errungenschaft, die sich SAT.1 mit der Sportsendung "ran" auf die Fahne schreiben kann. Von 1992 bis 2003 wurde die Fußball-Bundesliga unter der Moderation von Johannes B. Kerner, Reinhold Beckmann und anderen als massenmediales Unterhaltungsprodukt ganz neu erfunden. Der Punkt geht an SAT.1.
"Britt" vs. "Hans Meiser"
Als gelernter Radiojournalist war Hans Meiser lange als Anchor für die RTL-News zuständig, TV-Geschichte schrieb er aber erst später mit seinen Nachmittags-Talks – gemeinsam mit RTL-Kollegen wie Bärbel Schäfer und Ilona Christen oder dem SAT.1-Mann Johannes B. Kerner. "Wenigstens waren meine Talks immer ehrlich", sagte Meiser einst, der von 1992 bis 2001 mit Normalos über Alltagsthemen parlierte und 2023 verstarb, "kein gescripteter Fake wie das meiste von dem Zeug, das nach uns kam". Den Vorwurf muss sich die SAT.1-Talkerin Britt Hagedorn vermutlich schon eher gefallen lassen. Dafür war sie mit "Britt" bis 2013 als letzte Krawall-Talk-Mohikanerin auf Sendung. Bis zum bitteren Ende und darüber hinaus (das Comeback läuft seit 2022), auch das verdient Respekt. Daher Punkt an beide.
"Schreinemakers Live" vs. "Tutti Frutti"
Als "Tutti Frutti" am 21. Januar 1990 bei RTL startete, fegte ein Sturm der Entrüstung durch deutsche Lande: Frauen würden als allzeit willige Sex-Objekte vorgeführt, unschuldige Kinderseelen verdorben, die Menschenwürde mit Füßen getreten. Außer Erika Bergers Sex-Sorgen-Telefon hatte es so platt verkaufte Erotik im deutschen Fernsehen bis dahin nicht gegeben. Laut einer Zeitschriftenumfrage gaben seinerzeit vier Prozent der befragten TV-Zuschauer an, während der von Hugo Egon Balder moderierten Oben-Ohne-Spielshow, die aus dem italienischen Fernsehen adaptiert wurde, schon onaniert zu haben.
Was mancher empörend fand, nimmt sich aus heutiger Sicht allerdings eher wie eine Petitesse aus. 1993 ging das feurige Trash-Format vom Sender – drei Jahre, bevor auch SAT.1 einen veritablen Skandal zu verbuchen hatte. Die Programmleitung schaltete die laufende Live-Sendung der Talkerin Margarethe Schreinemakers ab, weil sie entgegen der Senderwarnung über ihre privaten Steuerverfehlungen zu sprechen begann. Ein bisschen verbissen das Ganze und nicht annähernd so amüsant wie der frivole TV-Trash mit Frischfleischpionier Balder.
Daher der letzte Punkt an RTL, was in der Endabrechnung ein Unentschieden ergibt, neun zu neun! Im Fußball würde man sagen: leistungsgerecht – und alles andere als langweilig.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH