"Schneekind (1) – Ein Schwarzwaldkrimi": Das Schicksal der Kinder
Im dritten Film des "Schwarzwaldkrimis" werden wahre Heimkinder-Schicksale mit Mystery-Elementen verknüpft. Bis in die 90er-Jahre kamen Kinder in sogenannte "Verschickungsheime", aufgrund überforderter Eltern oder chronischer Krankheiten. Ein spannender, neuer Fall, der in zwei Teilen gesendet wird. Mit Jessica Schwarz und Max von Thun.
Die Hilflosigkeit der Heimkinder
Das Phänomen der "Verschickungskinder", Kinder, die von den 50-ern bis zum Beginn der 90er-Jahre zur Erholung oder Genesung in sogenannte Verschickungsheime kamen, wurde Jahrzehnte lang unter den Tisch gekehrt. Die Methoden der Erzieherinnen und Erzieher waren streng. Essensentzug oder Aussperrung wurden gezielt eingesetzt, die Kinder litten an Einsamkeit, oft wussten sie nicht, warum sie von ihren Eltern sechs Wochen lang weggegeben waren.
Der Zweiteiler "Schwarzwaldkrimi" (ZDF am 02. und 03. Januar, jeweils 20.15 Uhr) versucht nun, aus dem Skandal, an dem nicht zuletzt Behörden und soziale Heimträger beteiligt waren, einen Mystery-Thriller zu machen.
Ein fragwürdiges Unterfangen, wie sich herausstellt. Viel Symbolik und eine überkomplizierte Vielpersonen-Handlung stellen sich einer spannenden Aufbereitung des brisanten Themas in den Weg. Es gab in manchen Verschickungsheimen Ärzte, die mit der pharmazeutischen Industrie zusammenarbeiteten, es gab Seditative, Medikamente, die ruhig stellen sollten, und andere Impfungen.
Skurrile Morde
Im Zweiteiler mit dem Symboltitel "Schneekind" (gleich bedeutend mit "Kuckuckskind") ist es vor allem der Vater der Kommissarin Maris Bächle (Jessica Schwarz), der Aufklärung gibt. Es habe, so sagt Daniel Friedrich im Film, im Schwarzwald rund um Freudenstadt im Schwarzwald jede Menge Kindersanatorien gegeben. Die Methoden dort stammten sicher aus unseliger Zeit, bis vor kurzem seien beispielsweise "Gauliederfeste" noch Tradition gewesen.
Die Morde, die nun rund um Freudenstadt passieren, sind so skurril wie technisch kompliziert. Die Toten starben jeweils an einem Kälteschock, sie sind von Frost bedeckt und schwarz mumifiziert. Nicht genug damit, wurde ihnen auch noch ein Schneemann aus Kunstschnee beigestellt. Ein reproduktionsmedizinisches Institut ganz in der Nähe scheint zweckdienlich gewesen zu sein, der Inhaber desselben (Florian Stetter) kommt für Maris und ihren Kollegen Konrad Diener (Max von Thun) zuvorderst in Verdacht. Doch, weil es weitere Morde gibt, kann es der Reproduktionsmediziner nicht alleine gewesen sein.
Die Fälle weisen auf das Jahr 1979 zurück. "Ich bin niemand" ist auf die Wände eines Verlieses gekritzelt, ein Zitat aus Endes "unendlicher Geschichte" aus dem selben Jahr. Ein schwarzer Junge, der mit Bandagen gefesselt auf einer Eisfläche steht und schließlich einbricht, ist sicher die eindrucksvollste der zahlreichen Rückblenden des Films. Johnnys Geschichte hätte zweifellos genügt, um über die Traumata von Verschickungskindern Aufschluss zu geben.
Man lernt viel über die Kunstschnee-Zubereitung
Der Film "Schneekind" will jedoch beides: Er versucht, wahre Heimkinder-Schicksale mit Mystery-Elementen zu verbinden. So wird etwa die Geschichte vom Kleinkind, das eine schöne junge Frau während der langen Abwesenheit des um vieles älteren Burgherrn gebar, gleich mehrfach erzählt, mag sie auch nicht unbedingt passend für die meist aus Hilflosigkeit weggegebenen Heimkinder sein. Letztlich geht es um eine Bande von Verschickungskindern, die sich einst dem Bösen ausgeliefert sahen und nun Rache üben.
Das wird unter dem offensichtlichen Vorwand, Spannung zu erzeugen, eher unscharf erzählt. Zahlreiche abrupte Rückblenden und Schnitte helfen der Spannung aber nicht auf die Beine. Man lernt viel über Kältekammern und die Bedingungen für die Kunstschnee-Zubereitung, auch über schwarze Halbedelsteine, die den Frostleichen als Augenklappen aufgesetzt werden, damit sie nicht andere Menschen mit bösen Blicken verwünschen können.
Zu Freudenstadt gibt es aber auch ein Stadtarchiv, das sich der Vergangenheit stellt. Der dortige Archivar hilft Maris, der Kommissarin, immer wieder bei ihren Recherchen. Doch auf welcher Seite mag er stehen? Auch Uschi Glas, die im Film die Mutter des Frostarztes, ihres lebenslang verheimlichten Schnee- oder Kuckuckskinds spielt, besucht es gern. Die Rückblenden in die Vergangenheit sind aufwendig und sorgfältig inszeniert (Regie: Marcus O. Rosenmüller). Gut so, denn das Phänomen der Verschickungskinder ist noch nicht lange auf dem Tisch. Erst seit Neuestem gibt es persönliche Belege des lange Verdrängten. Der Verweis darauf ist sicher ein nicht zu unterschätzendes Verdienst des Films.
Schneekind (1) – Ein Schwarzwaldkrimi – Di. 02.01. – ZDF: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH