Beißende Satire über die Unfähigkeit von Politikern

Comedyserie "Powerplay": So mischt eine Frau die norwegische Politik auf

31.12.2023, 12.52 Uhr
von Julian Weinberger

Zwischen Männerrunden, Arbeitskreisen und Geheimabsprachen: Die Comedyserie "Powerplay" erzählt von Gro Harlem Brundtland. Die norwegische Politikerin stieg in den 70er- und 80er-Jahren rasend schnell auf und schaffte es bis ins Amt der Ministerpräsidentin. Eine empfehlenswerte Serie mit beißendem Humor.

Über fundierte Kenntnisse über die norwegische Innenpolitik der 70er- und 80er-Jahre dürften nur die wenigsten Streamingfans verfügen. Genau darüber eine Serie zu drehen, stellt also ein gewisses Wagnis dar. Wobei auch das bei der norwegisch-deutschen Koproduktion "Powerplay" nur bedingt zutrifft. Zwar pendelt sich die sechsteilige Produktion zwischen Parteizentrale, Arbeitskreisen und Hinterzimmerabsprachen ein, harte politische Inhalte spielen dennoch nur eine marginale Rolle.

Ab 29. Dezember, ARD Mediathek, ab 2. Januar, 22.30 Uhr, NDR

"Quotenfrauchen" ist nicht!

Vielmehr nimmt die beißende Satire und bisweilen herrliche amüsante Comedy die Unfähigkeit der zum Großteil männlichen Führungskaste auf die Schippe. Da wäre Reiulf Steen (Jan Gunnar Røise), Vizeparteivorsitzender der Arbeiterpartei, und wenig schmeichelhaft als "die Pfeife" gelabelt. Steen ist ein Dampfplauderer vor dem Herrn, ein König der Floskeln und leeren Versprechungen. Seine Kollegen um den rückgratlosen Odvar Nordl i(Anders Baasmo) und den zunehmend senilen Parteichef und Ministerpräsidenten Trygve Bratteli (Lasse Kolsrud) stehen Steen in nichts nach.

Einzig die fachfremde "Exotin" Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg), eigentlich praktizierende Ärztin, scheint so etwas wie Biss, inhaltliche Tiefe und einen Willen zur Veränderung mitzubringen. Dabei will sie mehr sein als nur das "Quotenfrauchen". Dass sie statt auf den vakanten Posten der Gesundheitsministerin ins Umweltministerium abberufen wird, ist nur eine der vielen komödiantischen Verweise auf die Unfähigkeit ihrer männlichen Kollegen. Doch Ministerpräsident Bratteli lässt Gro nur wissen: "Wir wollen kein Expertenkabinett."

"Powerplay" gewinnt Hauptpreis bei Canneseries

Gro verzagt jedoch nicht, arbeitet sich rasch in die neue Materie ein und kommt bei den Wählerinnen und Wählern mit ihrem progressiven Denken gut an. Dazu findet sie sich rasch bestens zurecht im Dickicht zwischen Männerrunden in Sauna, Geheimabsprachen im abgedunkelten Lift (nur einer von vielen gelungenen Running Gags in "Powerplay") und opportunistisch geschmiedeten Allianzen mit kurzem Haltbarkeitsdatum.

So verstaubt die politische Praxis der wankelmütigen Politiker in "Powerplay" sein mag, so erfrischend packen die Macher der Serie das Sujet an. Mit comichaften Einschüben, dem Durchbrechen der vierten Wand und aufgelockert durch echtes Archivmaterial kontrastieren die Regisseure Yngvild Sve Flikke, André Chocron und Elle Márjá Eira den Vintage-Look der Serie mit modernen erzählerischen Stilmitteln.

Inhaltlich lehnt sich die Produktion weit aus dem Fenster – zumindest kann man das für die Protagonisten, die alle tatsächlich in der norwegischen Politik wirkten, nur hoffen. Wie dem augenzwinkernden Disclaimer zu Beginn von "Powerplay" zu entnehmen ist, basiert die sechsteilige Serie jedenfalls "auf Wahrheit, Lügen und miesen Erinnerungen".

So oder so: Die leichtfüßig erzählte und ebenso inszenierte Polit-Comedy über den politischen Aufstieg von Gro Harlem Brundtland, der sie übrigens dreimal ins Amt der norwegischen Ministerpräsidentin führte, ist ein später Serien-Geheimtipp 2023. Lässt man sich auf das ungewöhnliche Thema erst einmal ein, wundert es jedenfalls nicht mehr, dass "Powerplay" beim Cannes International Series Festival (Canneseries) den Hauptpreis als beste internationale Serie gewann.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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