Lars Becker lässt im zweiten "Der gute Bulle"-Film ein sehr prominentes Schauspieler-Ensemble im Untergrund Räuber und Gendarm spielen. Das ZDF zeigt den Film nun erneut.
"Der gute Bulle" hieß 2017 eine neue Idee von Polizeifilmspezialist Lars Becker, der das ZDF seit 2003 auch mit der Reihe "Nachtschicht" versorgt. Becker, früherer Hamburger Kiezkneipen-Betreiber und langjähriger Szene-Spezialist, ist bekannt dafür, eine Vorliebe für Halbwelt und authentische Straßenkultur in seine Stoffe einzubauen.
Im Film "Der gute Bulle – Friss oder stirb" (2019), den das ZDF nun wiederholt, soll der erfahrene Polizist Fredo Schulz (Armin Rohde) mit seinem jungen Partner Milan Filipovic (Edin Hasanovic) einen Verräter in den eigenen Reihen aufdecken. Drogenboss Hassan (Murathan Muslu) scheint immer ein bisschen zu gut informiert zu sein über die Schritte der Polizei im Berliner Bezirk Neukölln, als dass dies Zufall sein könnte. Schon zwei verdeckte Ermittler mussten dran glauben, offenbar wurden sie enttarnt.
Klingt nach einem Himmelfahrtskommando für die junge Dealerin und Mutter Dakota (Almila Bagriacik), die sich auf einen Deal mit der Polizei einlässt, um früher aus dem Knast zu kommen. Ihr Auftrag: Unter polizeilicher Aufsicht wieder mit dem Dealen auf der Straße anzufangen, um früher oder später zur Quelle des Drogen-Nachschubs vorzudringen.
Unter den vielen Krimi-Spezialisten des deutschen Fernsehens ist Autorenfilmer Becker wohl derjenige, der sich am meisten für das "symbiotische" Zusammenwirken von Polizei und Verbrechen als antagonistische Parallelgesellschaften innerhalb des normalen Lebens interessiert. Bei seinen "Nachtschicht"-Filmen wird dieses Zusammenspiel mit Humor betrachtet, bei anderen Arbeiten wie dieser hier geht es ernster zu.
Beckers Arbeitshypothese lautet offenbar: Die einen kämpfen auf der guten, die anderen auf der schlechten Seite. Aber eigentlich suchen alle nur das Glück. Dazu ist jeder Mensch gleichermaßen anfällig für Schmerz und Versuchung, egal auf welcher Seite er steht. Die Folge: Nicht nur Verbrecher haben Alkohol- und Drogenprobleme, gescheiterte und definitiv ungesunde Beziehungen – den Polizisten geht es genauso.
Doch auch wenn viele seiner "Bullen" korrupt sind, bei Becker schwingt auch stets große Romantik mit. "Schau mich an – du bist Bulle", spricht Fredo Schulz eindringlich auf seinen jungen Partner ein, als der sein Gefühlschaos in Bezug auf seinen kriminellen Lockvogel offenbart. Leider kommen derlei "ewige Sätze" des Straßen-Krimis ein wenig zu oft vor, ebenso wie die Story wie ein oft gewendetes Versatzstück harter Cop-Thriller ist.
Die Besetzung dieses Cop- und Gangster-Thrillers ist furios: Rohde, Hasanovic, dazu Sascha Alexander Gersak ("Gladbeck"), Michael Maertens und Nadeshda Brennicke auf "Bullenseite", während die Kieler "Tatort"-Kommissarin Bagriacik und Murathan Muslu ("8 Tage", "Skylines") die dunkle Macht geben. Natürlich macht es Spaß, diesem begabten Ensemble beim Spielen zuzusehen. Doch: Ein wenig überdreht ist das Ganze, wie meist bei Becker.
Würden sich Kriminelle im echten Leben so "gefühlsauthentisch" verhalten wie in dessen Filmen, sie würden wahrscheinlich umgehend verhaftet oder aus Sicherheitsgründen von den eigenen Leuten erschossen. Manchmal verschmilzt die romantische Street Credibility Beckers mit berührenden menschlichen Erzählungen. Dann wieder, so wie in "Der gute Bulle", scheint sein mit viel Handkamera gefilmtes, mit Geschrei, Waffenfuchteln und "Zugriffen" gespicktes Fernsehen ein wenig wie eine Stilübung mit Tobe-Hüpfburg für begabte Schauspieler. Trotz dieses Einwandes bleibt festzuhalten: Die lose Reihe "Der gute Bulle", deren letzter Film im Oktober unter dem Namen "Nur Tote reden nicht" Premiere hatte, ist grandioses Genrefernsehen auf hohem Niveau.
Der gute Bulle – Friss oder stirb – Mo. 13.06. – ZDF: 20.15 Uhr