Musik aus dem Sozialbau

"Die Welt von morgen": HipHop ist nicht aufzuhalten

20.10.2022, 07.45 Uhr
von Christopher Schmitt

Die charmante französische Dramaserie "Die Welt von morgen" nimmt die Zuschauer mit in den Pariser Vorort Saint-Denis in den 80er-Jahren. Die Jugendlichen haben den HipHop für sich entdeckt und brennen für ihre neue Leidenschaft. Dabei haben die Tänzer, DJs und Rapper immer die Hoffnung, es auf diese Weise raus aus den Sozialsiedlungen zu schaffen. Die ARTE-Serie zeigt, wie ein paar junge Leute mit ihrem Feuer für den HipHop echte Pionierarbeit für diese Kultur leisten.

ARTE
Die Welt von morgen
Dramaserie • 20.10.2022 • 22:00 Uhr

Bevor HipHop aus den armen Vierteln US-amerikanischer Großstädte den Weg nach Europa fand, galt es, viel Pionierarbeit zu leisten. "In den USA hören sie nichts anderes", behauptet Daniel (Andranic Manet) alias DJ Dee Nasty. Er möchte die neue Musik, die er in den Staaten entdeckt hat, auch in Frankreich auflegen, doch spielen darf er die Platten nur bei einem Piratensender – ohne Bezahlung und unter der Prämisse, Pornos und Hörspiele zu vertonen. Die Serie "Die Welt von morgen", die ARTE als Erstausstrahlung zeigt, zeigt das Leben junger Franzosen in der Pariser Vorstadt Saint-Denis, die in den 80er-Jahren den HipHop für sich entdecken. So nimmt der Siegeszug der Jugendkultur seinen Lauf.

Der HipHop hat sich verändert

Während Daniel jede Sendeminute nutzt, bolzt der talentierte Bruno (Anthony Bajon) auf dem Fußballplatz. Der Klub Racing Lens aus dem Norden Frankreichs hat sein Talent erkannt und will ihn verpflichten, für die Eltern das größte Glück. Doch der Teenager liebt sein Saint-Denis und verliebt sich obendrein, als er Tänzer in der Innenstadt beobachtet, in den HipHop. Bruno kauft eine Linoleum-Matte und versucht sich mit Feuereifer im Breakdance. Der ebenfalls im Viertel aufgewachsene Didier (Melvin Boomer), der unter seinem gewalttätigen Vater leidet, teilt seine neue Leidenschaft. Mit dem geklauten weißen Handschuh fühlt sich Didier wie Michael Jackson.

Wenngleich die Übersetzung aus dem Französischen teils etwas hölzern erscheint, weiß die Zeitreise in ein französisches Sozialbauviertel der 80er-Jahre zu überzeugen. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, und der liebevolle Soundtrack unterstreicht den Beginn von etwas Großem. Heute gehört französischer Rap zur europäischen Avantgarde, der Sound aus Vierteln wie Saint-Denis ist jedoch rauer geworden. Die vier Elemente des Hiphops und das inklusive "One Love", das in der Zeit von "Die Welt von morgen" noch propagiert wird, ist hartem Straßenrap gewichen.

Nur raus aus der Siedlung

Der Sound mag ein anderer sein, auffällig ist jedoch, wie wenig sich an den Rahmenbedingungen vom Leben in den Banlieues inzwischen verändert hat. Mal abgesehen davon, dass bei den trostlosen Betonblöcken der Lack nun vollständig ab ist. Immer noch lebt der Traum der Jugendlichen, es mit Musik oder Sport aus der Siedlung herauszuschaffen, immer noch erscheint es vielen als einzige Chance. Nach wie vor ist das Aufwachsen in den Sozialbauvierteln um Paris mit einem Stigma verbunden. Auch heute flimmert eine Le Pen – in der Serie ist es noch Marines Vater Jean-Marie – über die Bildschirme und macht Stimmung gegen Minderheiten, auch heute haben die Rechtspopulisten damit Erfolg.

Außerdem versetzt die Kleidung der Jungs das Publikum umgehend in die 80er-Jahre. Hier wird sichtbar, dass Modetrends teilweise zurückkehren, unter anderen Vorzeichen. Die alten Trainingsjacken einer bekannten Sportartikelfirma aus Herzogenaurach galten damals nicht als très chic, heute muss man sowohl fürs Original als auch für die Neuauflage ordentlich in die Tasche greifen. In Saint Denis können sich das nur wenige leisten.

Die Welt von morgen – Do. 20.10. – ARTE: 22.00 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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