"Sportschau"-Moderatorin über die EM

Esther Sedlaczek: "Wissen alle nicht so recht, was auf uns zukommt"

von Eric Leimann
Esther Sedlaczek ist die neue "Sportschau"-Moderatorin.
BILDERGALERIE
Esther Sedlaczek ist die neue "Sportschau"-Moderatorin.  Fotoquelle: WDR / Annika Fußwinkel

Nach mehr als zehn Jahren Sky wechselt Esther Sedlaczek zur ARD-Sportschau. Schon bei der EM wird sie für den neuen Arbeitgeber im Einsatz sein. Was erwartet sie von dem Turnier?

Stell dir vor, es ist Fußball-EM – und keiner hat ein Gefühl dazu. Am Freitag, 11. Juni, beginnt mit einem Jahr Corona-Verspätung das Turnier der besten Auswahl-Mannschaften Europas. Und eine neue Job-Ära für Sportmoderatorin Esther Sedlaczek. Mehr als zehn Jahre arbeitete die 1,83 Meter große Berlinerin beim Bezahlsender Sky. Dort verdiente sie sich zu Beginn als Field Reporterin und später als Moderatorin im Studio exzellente Kritiken. Eigentlich sollte die Mutter einer kleinen Tochter erst etwas später als Nachfolgerin Matthias Opdenhövels bei der "Sportschau" anfangen. Doch nun ging alles etwas schneller. Am letzten Bundesliga-Spieltag verabschiedete sie sich bei Sky, ab dem Eröffnungstag der "EURO 2021" moderiert sie mit Micky Beisenherz am Ende der ARD-Übertragungstage das Magazin "Sportschau Club" (ab Freitag, 11. Juni, 23.30 Uhr, ARD). Im Interview spricht Esther Sedlaczek, 35, über berufliche Lebenspläne, den Reiz internationaler Turniere, und sie erklärt, warum unser aller Bild der kommenden EM wohl so ein bisschen diffus ist.

prisma: Frau Sedlaczek, wie war Ihr Abschied bei Sky?

Esther Sedlaczek: Der war schon sehr emotional. Ich war immerhin zehneinhalb Jahre beim Sender. Die letzte Sendung als Field Reporterin habe ich am vorletzten Spieltag bei meinem Heimatverein Hertha BSC erlebt, dann am letzten Spieltag die letzte Moderation mit Didi Hamann und Lothar Matthäus aus dem Studio. Ich hatte tolle Kollegen, wir waren wie eine Familie. Als ich 2010 bei Sky angefangen habe, war das für mich ein Sprung ins kalte Wasser. Ohne die Hilfe vieler netter Kollegen – vor und hinter der Kamera – wäre mein Weg nicht möglich gewesen. Daran musste ich in diesen Abschiedswochen oft denken.

prisma: Warum gehen Sie zur "Sportschau", wo man doch bei Sky eigentlich noch näher dran ist am Live-Fußball?

Esther Sedlaczek: Bei Sky hat man Woche für Woche, manchmal mehrere Tage die Woche mit dem Live-Fußball zu tun. Aber die "Sportschau" ist natürlich eine Institution, und ich empfinde es als Ehre, sie moderieren zu dürfen.

prisma: Aber treten Sie damit nicht eigentlich in die zweite Reihe zurück?

Esther Sedlaczek: Nein, im Gegenteil. Es ist eine andere Art von Arbeit, weil ich vorwiegend aus dem Studio berichten werde. Dafür kommen – wie jetzt gleich zu Beginn meiner Arbeit für die ARD – die Fußball-Europameisterschaften und Weltmeisterschaften dazu. Es ist etwas, das ich bisher nicht kannte, und ich freue mich ganz besonders auf diese großen Turniere. Nach über zehn Jahren war bei mir der Wunsch da, einfach mal was Neues zu machen, mich weiterzuentwickeln und auch mit neuen Menschen zusammenzuarbeiten.

prisma: Sie haben eben Ihren letzten Stadion-Job bei Hertha BSC erwähnt. Sie sind Berlinerin und auch Fan des Vereins. Hertha hat in dieser Saison gegen den Abstieg gespielt. Wie sehr haben Sie mitgelitten?

Esther Sedlaczek: Über die Hertha bin ich zur Fußball-Begeisterung gekommen. Und ja klar, ich beobachte die Vorgänge dort mit noch etwas mehr Aufmerksamkeit als bei den anderen Vereinen. Trotzdem habe ich mir über die Jahre eine gesunde Distanz zum Verein aufgebaut. Ich freue mich immer noch, wenn die Dinge dort gut laufen, aber ich habe mittlerweile einen deutlich sachlicheren Blick auf die Hertha als früher. Dennoch erlebe ich den Fußball insgesamt immer noch sehr emotional. Ich freue mich tatsächlich für jeden Verein, wenn er den Klassenerhalt geschafft hat. Wenn man viele Menschen in den Vereinen kennt, hat man noch mal einen anderen Bezug zu großen Erfolgen oder dramatischen Abstürzen dort. Sie sind ja immer mit menschlichen Schicksalen verbunden. Gerade für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der zweiten oder dritten Reihe, die dann vielleicht ihren Job verlieren, kann so ein Abstieg sehr dramatische Folgen haben.

prisma: Sie waren früher Hertha BSC-Fan, die meisten anderen Fußball-Reporter und Kommentatoren werden wohl auch mal als Fans "angefangen" haben. Von vielen Kollegen und Kolleginnen weiß man öffentlich gar nicht, wen sie favorisieren. Muss man in Ihrem Job seine Fan-Seele verstecken?

Esther Sedlaczek: Tatsächlich kommen die meisten Menschen erst mal als Fans zum Fußball. Da unterscheiden sich Sportjournalisten und Sportjournalistinnen nicht von anderen Leuten. Die alte Regel, dass man als Kommentator eines Fußballspiels neutral sein muss, macht trotzdem absolut Sinn. Schließlich schauen ja auch die Fans der anderen Mannschaft zu. Es gäbe extrem böses Blut, wenn Kommentatoren und Kommentatorinnen parteiisch wären. Manchmal wird es ihnen ja von wütenden Fan-Seelen unterstellt. Vielleicht, weil sie sich so übers Spiel ihrer Mannschaft aufregen. Es wäre maximal kontraproduktiv und unprofessionell, wenn man eine Seite bevorzugen würden – außer bei Länderspielen, da darf man das natürlich in Maßen tun.

prisma: Aber kennen Sie Kollegen, die emotional so eng mit einem Club verbandelt sind, dass Sie es vielleicht ablehnen, über eine bestimmte Partie zu berichten oder die ihren Lieblingsverein aus Gründen der Professionalität beruflich eher meiden?

Esther Sedlaczek: Nein, so etwas habe ich tatsächlich nie erlebt. Und wenn es so wäre, würde ich es nicht erzählen (lacht). Nein, aber Spaß beiseite: Ich glaube, dass alle in diesem Beruf eine gesunde Distanz zu ihrem Herzensverein haben. Zumindest dann, wenn sie bei deren Spielen direkt arbeiten.

prisma: Nun beschäftigen Sie sich als "Sportschau Club"-Moderatorin erst mal mit der Europameisterschaft. Die ist doppelt anders als sonst. Sie findet mit sehr wenigen Zuschauern und ohne festen Ort statt. Wird das funktionieren?

Esther Sedlaczek: Wir wissen alle nicht so recht, was auf uns zukommt. In doppelter Hinsicht, wie Sie richtig sagen. Eine Europameisterschaft in verschiedenen Ländern gab es noch nie. Ebenso wie eine unter Pandemiebedingungen. Wir dürfen gespannt sein...

prisma: Wird das auch auf die Spieler zutreffen? Für sie dürfe es sich ja mittlerweile fast normaler anfühlen, in leeren Stadien zu kicken, als vor gefüllten Rängen ...

Esther Sedlaczek: Einerseits ja, weil Sie das im Ligabetrieb seit über einem Jahr so gewohnt sind. Andererseits darf man nicht vergessen, eine Europameisterschaft vor leeren oder nur spärlich gefüllten Rängen ist auch für die Profis etwas Neues. Ebenso wie die Tatsache, dass ein bestimmtes atmosphärisches Umfeld fehlt, weil man die EM eben nicht in einem Land verorten kann. Das ist sicher gewöhnungsbedürftig. Wir werden sehen, in welcher Weise uns diese EM emotional kriegt.

prisma: Sie arbeiten nun auch schon über ein Jahr im Pandemie-Fußballbetrieb. Hat sich der Fußball in Ihren Augen durch Corona verändert?

Esther Sedlaczek: Ich finde schon. Ich kann mich an Champions-League-Abende in Mönchengladbach erinnern. Zum Beispiel als die Borussia in der Gruppenphase gegen Real Madrid spielte. Normalerweise hätte das Stadion gebebt an diesem Abend. Vor allem auch wegen der Leistung, die Gladbach in diesem Spiel gezeigt hat. Aber da war kein Mensch, es war still. Das hat mich wirklich traurig gemacht. Es passiert ganz großer Sport, eigentlich ein Highlight im Leben eines Fans – und niemand darf im Stadion zusehen. Ich hoffe, dass in der neuen Saison die Stadien wenigstens zum Teil gefüllt werden können. Das bedeutet schon einen großen Unterschied.

prisma: Haben Sie mal mit Spielern über dieses Thema gesprochen? Man hat den Eindruck, dass die Qualität des Fußballs keineswegs eingebüßt hat durch die Abwesenheit von Zuschauern.

Esther Sedlaczek: Tatsächlich schien es mir, als würden die Spieler sehr sachlich mit dieser Situation umgehen – was natürlich der beste Weg ist. Warum soll man sich mit etwas belasten, was man sowieso nicht ändern kann. Jeder Fußball-Profi spielt lieber vor begeisterten Zuschauern und Zuschauerinnen als vor leeren Rängen. Andererseits sind es eben Profis. Sie sind sehr fokussiert auf ihre Aufgabe, es geht um viel in jedem Spiel und diese Jungs haben es unter anderem deshalb geschafft, Profis zu werden, weil sie sich aufs Spiel selbst total konzentrieren können. Die sind in der Lage dazu, andere Dinge weitgehend auszublenden.

prisma: Ist das Fußballspiel selbst am Ende weniger von den Pandemie betroffen, als man anfangs dachte? Viele sagten ja zu Beginn von Corona: lieber gar keine Spiele als Geisterspiele! Davon redet heute niemand mehr ...

Esther Sedlaczek: Dass der Betrieb weiterging, war eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Dass guter und sehr guter Fußball dabei herauskam, darüber können wir uns alle freuen. Was den Verlust der Atmosphäre betrifft, hatte das aber natürlich Auswirkungen. Im letzten Jahr war es fast egal, ob man daheim oder auswärts antrat. Und schauen Sie mal auf Spiele, in denen es um ganz viel ging. Köln spielte am letzten Bundesliga-Spieltag gegen Schalke und musste unbedingt gewinnen, um nicht direkt abzusteigen. Man kann sich kaum vorstellen, wie frenetisch das Publikum die Mannschaft nach vorne gepeitscht hätte, wären Zuschauer im Stadion gewesen. Dass bei den ganz wichtigen, hochemotionalen Spielen keine Fans dabei waren, hat den Fußball-Wettbewerb unter Corona-Bedingungen in meinen Augen am meisten verändert. In welche Richtung ist nicht immer ganz klar. Aber Fußball ohne Fans bleibt ein Zustand, den wir überwinden müssen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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