"Euer Ehren": ein ehrenwerter Richter auf Abwegen
Ein hochangesehener Richter gerät auf die schiefe Bahn, weil er seinen Sohn schützen möchte. Die neue ARD-Serie "Euer Ehren" ist spannend und hochkarätig besetzt.
Fest entschlossen steuert Michael Jacobi (Sebastian Koch) auf die Polizeidienststelle zu. Unerschütterlich, ein rechtschaffener Mann. Gerade hat ihm sein Sohn Julian (Taddeo Kufus) gebeichtet, trotz versemmelter Führerscheinprüfung mit seinem Wagen einen Unfall gebaut zu haben. Damit nicht genug: Er hat einen Motorradfahrer angefahren und Fahrerflucht begangen. Als Jacobi – als angesehener Richter mit besten Kontakten zur Exekutive ausgestattet – gerade die Selbstanzeige im Polizeirevier melden will, flimmern die Nachrichten über den Bildschirm eines Fernsehers: Der Sohn eines brutalen serbischen Clanchefs hatte einen Motorradunfall. Jacobi kennt den Vater gut, er brachte ihn einst hinter Gittern und weiß, wozu dessen Leute fähig sind.
Dies ist der Schlüsselmoment, der die Geschehnisse der sehenswerten ARD-Eventserie "Euer Ehren" in Gang bringt: Aus Liebe zu seinem Sohn bricht der Mann des Rechts mit selbigem und vertuscht die Tat geistesgegenwärtig. Auf diese Weise tritt der Richter eine unaufhaltsame Lawine aus Lügen und Gewalt los. Die hochkarätig besetzte, sechsteiligen Dramaserie mit Sebastian Koch ("Werk ohne Autor"), Tobias Moretti ("Bad Banks") und Paula BeerSpann ("Bad Banks") wurde von David Nawrath inszeniert und stellt eine Interpretation des israelischen Originals "Kvodo" dar.
Bryan Cranston spielt die Hauptrolle in US-Version
Das Motiv der Originalserie ist universell und wurde mit Bryan Cranston in der Hauptrolle unter dem Titel "Your Honor" bereits in den USA adaptiert: Eine sonst ehrbare Person schmeißt jegliche ethische Grundsätze über Bord, um einen geliebten Menschen zu schützen. Die ARD transferiert die Idee – in Kooperation mit dem ORF – nach Innsbruck und an den Brenner.
"Ich hatte das Gefühl, dass diese Serie einen Nerv der Zeit trifft, ein Gefühl, das wir alle kennen: dieser Verfall von Werten, mit denen wir groß geworden sind, und die wir als lebens- und verteidigungswert erachten", sagt Hauptdarsteller Sebastian Koch im Interview. In der Dramaserie würde all dies in sich zusammenfallen. "Das fand ich hochemotional und hat in mir sofort etwas getriggert", erklärt Koch. Wohl aus diesem Grund ließ sich der sonst nach eigener Aussage wählerische Schauspieler dazu hinreißen, nach einem vierminütigen Pitch des Produzenten zuzusagen.
Für Koch bietet die Rolle des Michael Jacobi Gelegenheit, sein ganzes Können aufzubieten. Überzeugend vollzieht er die erzwungene Wandlung vom rechtschaffenen und hochangesehenen Richter zum Kriminellen. Aus Liebe zu seinem Sohn verrät er nicht nur seine eigenen Werte und Grundsätze, sondern zieht auch Unbeteiligte und sogar Freunde mit in den Abgrund. Sei es die junge Anwältin, die einst seine Studentin war, einen naiven Kleinkriminellen oder seinen gutmütigen Kumpel.
"Als Zuschauer geht man diese Schritte – wenn auch zögerlich – mit, das finde ich sehr gelungen", verriet Sebastian Koch im Interview. "Ich glaube jeder, der ein Kind hat, kann die Motivation des Richters nachvollziehen." Der Schutz des eigenen Kindes steht für Jacobi über allem, auch über der eigenen Moral. Dafür ist er bereit, alles zu opfern: seine Reputation, seine Selbstachtung und sogar Menschenleben.
Auch Moretti und Beer agieren wieder einmal überzeugend
Auch auf den Rest des Ensembles ist Verlass: Tobias Moretti kumpelt sich als aalglatter Großunternehmer in Tiroler Mundart (der österreichische Charakterdarsteller stammt aus dem Innsbrucker Umland) überzeugend durch die hohe Gesellschaft und wechselt plötzlich den Ton, wenn er als abgewichster Schmuggler gefragt ist. Paula Beer versprüht hingegen als Clan-Prinzessin eine Eiseskälte, die das Publikum regelrecht frösteln lässt. Nur die Familie ist ihrer Figur heilig, nur wenn es die Verwandtschaft trifft, taut sie auf und lässt vereinzelt Gefühle durch die eiserne Miene schimmern.
Ins richtige Licht gerückt, passt auch das Alpenpanorama zur düsteren Stimmung der Serie. "Wenn die Kamera in den Abgrund schwenkt, hat das eine Bedeutung, man fällt fast mit hinunter", beschreibt Sebastian Koch die Szenerie. Abgründe bieten sowohl Drehorte als auch Handlung zu Genüge. Die Spannung baut sich über die ersten Folgen hinweg stetig auf, bevor sich in den letzten beiden Episoden die Ereignisse überschlagen.
"Euer Ehren" ist bereits eine Woche vor TV-Ausstrahlung, ab Samstag, 2. April, in der ARD-Mediathek zu sehen. Im Ersten laufen dann folgenden Samstag, 9. April, ab 20.15 Uhr, die ersten vier Folgen. Die vorletzte Episode sowie das Finale sind dann am Sonntag, 10. April, ab 21.45 Uhr, in der ARD zu sehen.
Euer Ehren – Sa. 09.04. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH