Im Podcast "Einfach mal Luppen"

Giulia Gwinn kritisiert Pokern um WM-Übertragung: "Für uns Spielerinnen war das schockierend"

21.07.2023, 14.14 Uhr
von Jürgen Winzer

Obwohl Nationalspielerin Giulia Gwinn verletzungsbedingt nicht an der diesjährigen Frauen-WM teilnehmen kann, ist die Profi-Kickerinnen dennoch dabei. Als ZDF-Expertin führt Gwinn durch das Turnier. Was sie im Vorfeld des Turniers nervte, erzählte sie den Brüdern Toni und Felix Kroos in deren Podcast "Einfach mal Luppen".

From Zero to Hero. Vom Niemand zu Nationalheldinnen. Das war der Weg der deutschen Frauen-Fußballerinnen, nachdem sie letztes Jahr in England sensationell Europameisterschafts-Zweite geworden waren. "Davor kannte gefühlt niemand unsere Namen", blickt eine von Deutschlands Besten, Giulia Gwinn (24), zurück.

Dass sie nun bei der WM – wegen Trainingsrückstand nach einer Kreuzbandverletzung – nicht am Ball sein kann, tut weh. Das tat aber auch das Hickhack, das vor der WM um die TV-Übertragungsrechte herrschte. Dass lange ein TV-Blackout drohte, "war für uns Spielerinnen schockierend", offenbart sie als Gast in der neuesten Folge im Podcast "Einfach mal Luppen" den Brüdern Toni (33) und Felix (32) Kroos.

Poker um TV-Rechte sorgt für Enttäuschung

Obwohl die deutschen Damen das EM-Endspiel gegen England 1:2 verloren hatten, schwebten sie auf Wolke sieben, als sie nach Deutschland zurückkehrten – und auf einer Woge der Begeisterung. Die deutschen Fans konnten endlich mal wieder stolz sein auf die kickende Zunft. Zigtausend Fans am Frankfurter Römer, explodierende Social-Media-Accounts, Einladungen zu "Wetten, dass ..?". Der Hype war toll, erinnert sich Giulia Gwinn. Der Poker um die TV-Rechte für die WM 2023 in Australien und Neuseeland brachte wieder alle auf den Boden. Was, wenn die Bildschirme wirklich dunkel blieben?

Im Gespräch mit Gwinn nennt Felix Kroos das Gezerre um die TV-Rechte "unsäglich". Die FIFA forderte angeblich zehn Millionen, ARD und ZDF wollten nur etwa die Hälfte zahlen. Zum Vergleich: Für die letzte WM der Männer in Katar gaben die öffentlich-rechtlichen Anstalten deutlich über 200 Millionen Euro aus.

Giulia Gwinn geht es aber nicht primär ums Geld, wenn sie sagt: "Für uns Spielerinnen war das schockierend. Wir hatten nach der EM das Gefühl, dass wir den Frauenfußball auf ein Level gehoben hatten, das er vorher nie hatte." Man habe gemerkt, dass man durch die Leistungen in England viele Menschen "begeistern und inspirieren" konnte.

"Vielleicht werde ich ein paar Insider auspacken"

Der Hype, die Begeisterung sorgte danach für mehr Fans in der Bundesliga, größere Stadien, eine größere Bühne, und "die Leute liefen endlich in unseren Trikots herum und nicht nur in denen der Männer". Das alles hätte eine Nicht-Übertragung der WM zunichtegemacht. Diese Gefahr, vor allem aber auch das Gefühl, "doch noch nicht so weit zu sein", war "für uns Spielerinnen wie ein Schlag ins Gesicht".

Jetzt wurde alles doch noch gut, die FIFA wurde sich mit ARD und ZDF einig. Und auch Gwinn, die sich letzten Herbst zum zweiten Mal einer Kreuzband-OP unterziehen musste und wegen des Trainingsrückstands ("Ich habe bis zuletzt gehofft.") in Down Under nicht spielen kann, wird dabei sein. Wenigstens aus der Ferne. Das ZDF verpflichtete das Mittelfeld-Ass vom FC Bayern München als Expertin. "Ich war gleich begeistert", kommentiert sie die Anfrage. So sei es "schön, doch bei der WM dabei zu sein" und auch eine andere Perspektive zu erleben und zu bieten. "Vielleicht werde ich ein paar Insider auspacken. Ich kenne ja alle", weckt sie Erwartungen.

"Das Ehrliche und Nahbare darf nicht auf der Strecke bleiben"

Ernst wird sie dagegen, wenn es um die "Luft nach oben" geht, die es im Frauenfußball immer noch gebe. Nicht unbedingt bei ihrem Verein, dem FC Bayern, oder dem VfL Wolfsburg, die seit Jahren die Bundesliga beherrschen. Aber bei den anderen. "Viele Spielerinnen haben 'neben dem Fußball' noch 40-Stunden-Jobs. Das ist für die Wettbewerbsfähigkeit kontraproduktiv. Jeder Verein, jede Spielerin sollte professionell arbeiten können." Da gebe es noch viel Optimierungsbedarf.

Gwinn ahnt, dass bei dem Bestreben, den Frauenfußball aufzuwerten, Gefahr besteht. Die Überkommerzialisierung, die Felix Kroos beim Männerfußball kritisiert, möge doch bitte nicht erreicht werden. Mehr Geld sei wichtig, ja, aber es sei doch wichtig, dass "das Ehrliche und Nahbare" nicht auf der Strecke bleibe. "Das ist es, was man am Frauenfußball schätzt – und was auch wir als Spielerinnen wertschätzen."

Die Kick-Girls stehen stärker im Fokus. Das birgt auch Risiken. Zwar biete die WM, wenn erfolgreich gespielt, die "Chance, auf den Hype noch eins draufzusetzen". Aber durchaus Gefahren. "Man kann viel kaputtmachen, wenn man früh ausscheidet." Da sind die Männer, sowohl die A-Mannschaft als auch die U21, ein mahnendes Beispiel.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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