ARD-Spielfilm

"Glückskind": zartes TV-Highlight um "zwei winzige Bröckchen im Universum".

01.06.2022, 20.35 Uhr
von Jens Szameit

Michael Verhoeven adaptiert sehr rührend in "Glückskind" die Romanvorlage von Steven Uhly. Alles ändert sich, als ein Hartz-IV-Schluffi ein Baby im Müll entdeckt und ihn damit plötzlich aus seiner Lethargie rausholt. 

ARD
Glückskind
Drama • 01.06.2022 • 20:15 Uhr

Ein Obdachloser unter einer Eisenbahnbrücke könnte kaum "stilvoller" wohnen: Auf dem Wohnzimmertisch gammeln alte Pommes, der Teppich ist frisch mit Rotwein übergossen, doch zwischen endlosen Bergen Müll und dreckigem Geschirr findet sich zum Glück immer noch eine volle Flasche Bier. Hans Scholz (Herbert Knaup) hat den prekären Lebensstil offenbar zu einer Art Kunst erhoben. Ein Wunder, dass der bärtige und ungewaschene Mann sich überhaupt noch bemüßigt, dann und wann ein Beutelchen Abfall zur Sammeltonne zu schleppen. Doch just, als er den Tonnendeckel öffnet, offenbart sich ihm etwas, das sein verpfuschtes Leben geradezu ruckartig aus der Lethargie reißen wird: Ein Baby schaut ihn aus dem Tonneninneren mit großen Augen an. Ein "Glückskind", da ist sich der Mann in diesem Drama (2014, Regie und Buch: Michael Verhoeven), welches das Erste jetzt wiederholt, sicher – schließlich ist es knapp mit dem Leben davongekommen.

Hans Scholz wird sich der Kleinen annehmen, die von ihrer labilen Mutter (Alice Dwyer) auf so ungeheuerliche Art "entsorgt" wurde. Er wird seine Wohnung entrümpeln und staubsaugen und das Findelwesen Felizia – "die Glückliche" – nennen: So steht es schon im Roman von Steven Uhly, den Michael Verhoeven im SWR-Auftrag sehr rührend adaptiert hat. Es ist in weiten Strecken ein modernes Großstadtmärchen, und Herbert Knaup sieht aus wie der böse Wolf. Doch er hat ein Herz aus purem Gold. Wie der Taugenichts aus der Apathie erwacht, wie er aus Schnuller und Bierpulle ein Fläschchen bastelt, das ist allerfeinste Schauspielkunst, die berührt.

Rührende Geschichte über "zwei winzige Bröckchen im Universum"

Mit dem Idyll ist es natürlich rasch vorbei, auch wenn die Nachbarn (Mohammad-Ali Behboudi und Naomi Krauss) und der Kioskbesitzer (Thomas Thieme) aus mehr oder minder ehrbaren Motiven helfen, die Sache zu vertuschen. Die Kriminalpolizei sucht schon nach dem Kind, die Mutter steht am Pranger der Medien und sieht außerdem einer Mordanklage entgegen – ihr vermisstes Baby wird ja allenthalben für tot gehalten. Hans Scholz aber weiß aus eigener Erfahrung: Jeder hat eine zweite Chance verdient. Und so will er der Mutter eine goldene Brücke bauen ...

Das alleine rührt das Herz, jedoch geht in diesem Plattenbaudrama nichts über die wunderbar intimen Szenen zwischen Aushilfspapa und Findelkind. "Wir sind zwei winzige Bröckchen im Universum", sagt einmal der Zottel zum zuckersüßen Mädchen, das neben ihm schlummert. So ähnlich verhält es sich auch mit diesem leisen, zarten Film: eine winzige, staubige Fernsehperle im großen Unterhaltungsuniversum.

Glückskind – Mi. 01.06. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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