In ARD-Talkrunde

Robert Habeck überrascht bei "Anne Will" mit pessimistischer Aussage

19.06.2023, 09.46 Uhr

Bei "Anne Will" war Robert Habeck zu Gast und sprach über das geplante Heizungsgesetz und die Klimaziele. Dabei überraschte der Vize-Kanzler mit einer pessimistischen Aussage.

Es ist bei Weitem keine rühmliche Zusammenfassung der vergangenen drei Monate, die Moderatorin Anne Will zu Beginn der nach ihr benannten ARD-Talkshow gegenüber ihrem Gast Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gab: "Sie haben ein Gesetz vorgelegt, das weder handwerklich noch kommunikativ so richtig gut gemacht war, dass erheblichen Widerstand provoziert hat und nun, wenn überhaupt in aufgeweichter Form durchkommt, wenn es denn durchkommt. Damit haben Sie jetzt sowohl der Akzeptanz von Klimaschutzpolitik als auch dem Ansehen von Ihrer Partei geschadet. Kommt das hin?" Der fast ein wenig kleinlaut wirkende Bundeswirtschaftsminister antwortete: "Zur Hälfte." Dass es öffentlichen Widerstand gab, sei bekannt. Aber: "Dass das Gesetz handwerklich schlecht gemacht ist, sehe ich nicht."

Der Zeitdruck sei enorm gewesen, rechtfertigte sich Habeck: "Ich will mich da gar nicht raus stehlen, aber zwischen der Vorlage des Gesetzes in den ersten Monaten dieses Jahres und heute ist etwas passiert in Deutschland, und das habe ich – oder wir – nicht rechtzeitig bemerkt." Was sein größter Fehler gewesen sei, fragte Will. "Dass ich mir den Moment, einmal kurz innezuhalten, nicht genommen habe", antwortete Habeck. Kurz vor Weihnachten habe er "ganz große reale Sorge" gehabt, "dass wir nicht genug Gas am Ende haben", erinnerte er sich. Als das Gesetz aber an die Öffentlichkeit kam, hatte sich die Lage entspannt: "Die Speicher waren voll, die Krise war scheinbar abgewendet. Die Leute haben das Gefühl gehabt, dass sie nicht noch ein Gesetz wollen. Diese veränderte Erwartungshaltung habe ich nicht gespürt."

"Wir haben zu lange weitergemacht wie im Jahr 2022"

Den sozialen Ausgleich habe die Partei immer mitgedacht, verteidigte sich Habeck weiter: "Das Geld steht auch bereit dafür". Den eigentlichen Fehler sah er an anderer Stelle: "Wir haben zu lange weitergemacht wie im Jahr 2022. Denken Sie daran, was wir alles verboten haben: Wir haben verboten, dass öffentliche Gebäude über 19 Grad geheizt werden." Nach diesen Veränderungen und Verboten sei das Heizgesetz dann "der Tropfen zu viel an Gesetzgebung" gewesen. Habeck gestand: "Deswegen ist mir die Kommunikation nicht so gelungen, wie ich mir das vorgestellt habe – und das Gesetz natürlich auch nicht".

Kritik an der Effizienz des Heizungsgesetzes wollte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz allerdings nicht gelten lassen: "Deutschland schafft im Moment seine Klimaziele sowieso nicht, weil der Verkehrssektor eine zu große Lücke gelassen hat", entgegnete er: "Wenn Ihre Frage ist: Reißen wir jetzt die Klimaziele – dann ist meine ehrliche, brutale Antwort: Wir reißen sie sowieso, wenn wir nicht besser werden." Natürlich brauche es für den Klimaschutz gesellschaftliche Mehrheiten, fuhr er fort: "Wenn die Menschen es nicht wollen, wird Klimaschutz abgewählt. In der Demokratie musst du für jedes Projekt eine Mehrheit schaffen – und die, das haben Sie mir gerade in die Wunde gerieben, war erkennbar nicht da." Mit anderen Worten: "Eine gesellschaftliche Mehrheit ist keine Excel-Tabelle". Denn sonst müsse man gar nicht darüber reden oder Argumente austauschen.

Politikwissenschaftler fordert: Bürger zu Beteiligten machen

Ähnlich sah es auch der Politikwissenschaftler und Demokratieforscher Wolfgang Merkel, der zusammen mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm gegen Ende der Sendung zur Talkrunde dazukam: "Wenn wir wissen, dass die neue Klimapolitik mit vielen Lasten einhergeht, dann muss man auch zeigen, dass man auf die Bürgerinnen und Bürger eingeht, also sie nicht nur zu Betroffenen, sondern zu Beteiligten machen. Das wurde ganz anders wahrgenommen in der Bevölkerung", kritisierte er die Ampel. Die gespaltene und polarisierende Reaktion hätte man mit Blick auf die vergangenen Krisen durchaus ahnen können. Umso schwerer hätte es die Regierung nun in der Zukunft: "Ich glaube, dass es für zukünftige Reformprojekte jetzt sehr viel schwieriger wird, das verlorene Vertrauen wieder hereinzuholen und ohne ein solches Vertrauen lassen sich solche Reformen in einer Demokratie nicht durchsetzen."

Grimm wiederum plädierte dafür, die derzeitige Debatte als Teil eines größeren Prozesses zu sehen: "Wir haben mit der Zeitenwende realisiert, dass wir die Friedensdividende nicht mehr fortführen können", erklärte sie: "Wir werden einen Wohlstandsverlust hinnehmen müssen. Wir müssen Klimaschutz betreiben, aber es zeichnet sich ja auch eine Neuordnung der Welt ab, in der wir uns resilienter aufstellen müssen, also absichern müssen gegen die Gefahren, die auf uns als Volkswirtschaft zukommen könnten – in Bezug von Abhängigkeiten zum Beispiel. Das bedeutet, dass wir in einer ganz, ganz schwierigen Situation sind: Die Politik muss in einer Zeit, in der erstmal das Wachstum nicht mehr sprudelt, den Menschen klarmachen, dass es Einschnitte geben muss." Die Debatte um das Heizungsgesetz sei dabei nur ein Beispiel.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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