Rede gegen das Heizungsgesetz

Haben Markus Söder und Hubert Aiwanger mit ihrer Schelte "die Grenzen des Populismus" überschritten?

17.06.2023, 08.20 Uhr
von Christopher Schmitt
Markus Söder im ZDF-"Sommerinterview".
Markus Söder im ZDF-"Sommerinterview".  Fotoquelle: 2023 Getty Images/Johannes Simon

Markus Lanz und Richard David Precht diskutierten in ihrem ZDF-Podcast die Heizungsgesetzschelte von Markus Söder und Hubert Aiwanger. Haben die Politiker mit ihrer Rede die "Grenzen des Populismus" überschritten? Der Philosoph attestierte dem CSU-Chef einen "ganz großen Fehler".

Die Politiker-Reden in Erding bei München schlagen hohe Wellen: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) waren am Samstag, 10. Juni, dem Aufruf der Demo-Initiatoren gefolgt und teilten auf der Sprecherbühne insbesondere gegen die Grünen und das geplante Heizungsgesetz aus.

Während Söders Rede mit Pfiffen quittiert wurde, gab es für den bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger Applaus – auch für die seither viel diskutierte und kritisierte Aussage, "die schweigende, große Mehrheit dieses Landes" müsse sich "die Demokratie zurückholen".

Markus Lanz stellt eine "ketzerische These" auf

Talkshow-Moderator Markus Lanz und Philosoph Richard David Precht kamen in der aktuellen Folge ihres ZDF-Podcasts "Lanz & Precht" auf die Maßnahmen gegen den Klimawandel, Söder und Aiwanger, aber auch auf das Phänomen Populismus insgesamt zu sprechen – und wie dieser der AfD helfe.

"Wir neigen dazu, diese Sachen zu instrumentalisieren. Unter anderem eben die CSU", bezog sich Precht auf Söders Rede zu den Heizungsplänen. Immerhin komme der Protest von derselben Partei, "die dieses Klimaschutzgesetz, das hier umgesetzt ist, unterschrieben hat". Seiner Meinung nach dürfe man sich "dieses Gezänk in diesen Fragen gar nicht leisten", zu wichtig sei der Klimaschutz.

Precht wetterte, ihm sei "völlig unklar", wieso sich "jemand wie Markus Söder (...) in dieser Situation wirklich zum Sprecher von diesem Mumpitz macht". Seine Forderung: Es müsse "Grenzen des Populismus" geben, woraufhin Markus Lanz die unbeantwortete Frage einwarf, wer diese Grenzen denn definiere.

Lanz stellte anschließend eine "ketzerische These" auf: Söder habe mit der CSU in Bayern Wahlen vor der Brust. Man sehe am Beispiel Thüringen, wo ein Landrat der AfD vor der absoluten Mehrheit stehe, was passiere, wenn man das "Die da oben gegen uns da unten"-Gefühl nicht ernst nehme. Ob vor dem Hintergrund Söder, "der auch mal den populistischen Ausfallschritt macht", nicht die bessere Alternative sei, gab der ZDF-Talker zu bedenken und fügte an: "Bis zu einem bestimmten Punkt, finde ich, müssen Politiker sogar populistisch sein." – "Das stimmt", entgegnete Precht – machte aber eine Einschränkung geltend.

Precht vermisst Lösungsvorschläge bei Söder und Aiwanger

"Es gibt mit Sicherheit konstruktiven Populismus und destruktiven Populismus", führte der Bestsellerautor und promovierte Germanist aus. In diesem Fall werde aber nur ein "Wollen wir nicht" transportiert. Precht: "Jetzt hätte ich gerne von Markus Söder und von Herrn Aiwanger gewusst, wie sie die Klimaschutz-Ziele umsetzen wollen." Man könne sicher an vielen Punkten am Wirtschaftsministerium Kritik äußern, aber nicht auf diese Weise. Konstruktive, alternative Ideen müssten "in der gleichen Rede vorkommen".

Lanz nahm seinerseits den Wortlaut von Hubert Aiwanger genauer unter die Lupe, dem er "Bierzelt"-Phrasen zugestehen mochte, nicht aber den Passus mit der Demokratie, die sich die "schweigende, große Mehrheit" nun "zurückholen" müsse. Prechts Reaktion: "Oh, das ist sehr nah an AfD!" Auch Lanz fand: "Da verrutscht uns gerade etwas."

"Das nützt am Ende nicht der CSU, das wird am Ende der AfD nützen"

In seinen Augen, holte Richard David Precht nun analytisch weit aus, bestehe die AfD "aus zwei Bestandteilen, die nicht zusammenpassen". Auf der einen Seite finde sich dort ein "extremer deutscher Nationalismus", auf der anderen Seite stünden Paläoliberale, die dem Credo "Staat halt dich raus, ich will meine Freiheit!" folgten. "Die beiden Dinge sind totale Widersprüche. Das Erste will den starken Staat, der alles bestimmt. Das Zweite will den schwächstmöglichen Staat, der am besten gar nicht existiert."

Beides vermenge sich in der AfD, so Precht weiter: "In der Migrationsfrage kommt das Erste heraus, und in der Ökologie-Frage kommt das Zweite heraus." Diese Widersprüchlichkeit sei den Anhängern aber wohl nicht bewusst. "Das ist überhaupt kein in sich geschlossenes Weltbild, sondern es ist immer ein Gegen-Weltbild", fasste der Philosophie-Talk-Gastgeber ("Precht", ZDF) seine Analyse zusammen. "Das ist das große Problem, das diese Partei hat."

Ihr großer Vorteil sei hingegen der zuletzt starke Wähler-Zulauf, der noch deutlich größer werden könne. Dann kam Precht auf Söders Auftreten zurück: "Das nützt am Ende nicht der CSU, das wird am Ende der AfD nützen. Deswegen halte ich es für einen ganz großen Fehler, was er da gemacht hat." Lanz entgegnete, er sei sich in dem Punkt nicht sicher. "Auch wir medial müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen gar nicht mehr das Gefühl haben, wir bilden sie wirklich ab."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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