rbb produzierten Reportage

"Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen": Gründe und Ursachen für die Gefühlslage

25.09.2023, 08.20 Uhr
von Elisa Eberle

Noch immer scheint Ost- und Westdeutschland nicht ganz zusammengewachsen zu sein. Warum ist das noch 33 Jahre nach der Wiedervereinigung so? Jessy Wellmer sucht in der Reportage nach den Ursachen und Gründen.

ARD
Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen
Reportage • 25.09.2023 • 20:15 Uhr

Es ist nicht das erste Mal, dass Jessy Wellmer aufbricht, um in ihrer ostdeutschen Heimat Stimmungen und Meinungen über das Verhältnis von Ost- und Westdeutschland zu sammeln: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs beschäftigte sich Wellmer in "Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche" im Oktober 2022 mit der Frage, warum sich viele Menschen im Osten Russland immer noch so nahe fühlen. Eine Zuschauerzuschrift nach der Ausstrahlung war, laut Wellmer, mitverantwortlich für den nun gezeigten zweiten Film "Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen" (Regie und Buch: Dominic Egizzi).

"Eine polemische Abrechnung mit dem Westen"

Pierre Bartholomäus ist Jahrgang 1983. Er ist in der DDR geboren und im vereinten Deutschland aufgewachsen. "Die Story im Ersten", so erzählt er nun, habe ihn geärgert, weil sie die "sozialen Komponenten" außer Acht lässt, "also das, wo die Leute im Osten nach wie vor benachteiligt sind". Pierre, so erfährt das Publikum im Ersten, ist Fluggerätemechaniker bei der Lufthansa Technik. "Er ist zufrieden mit seinem Job", heißt es in der Reportage: "Aber eines nervt ihn: Er muss jede Woche zweieinhalb Stunden länger arbeiten als seine Westkollegen bei gleichem Gehalt." Pierre klagt: "Es nervt die Leute, ständig Mitarbeiter zweiter Klasse zu sein. Wir diskutieren hier permanent über die Gleichberechtigung von Mann und Frau und schaffen es aber nicht, hier Ost und West irgendwie mal anzugleichen."

Und Pierre Bartholomäus ist nicht allein: "Im Schnitt verdienen Beschäftigte im Osten rund 14 Prozent weniger als im Westen", bilanziert Jessy Wellmer. Als "Bürger zweiter Klasse" fühlen sich, laut einer für die Reportage in Auftrag gegebenen Umfrage 43 Prozent der Ostdeutschen. Vom Ärger vieler Ostdeutscher profitiert nicht zuletzt Dirk Oschmann: Im Februar veröffentlichte der Literaturwissenschaftler das Sachbuch "Der Osten, eine westdeutsche Erfindung": Es sei "eine polemische Abrechnung mit dem Westen", erklärt Jessy Wellmer in der Doku: "Es wurde über 100.000 Mal verkauft und steht seit über einem halben Jahr auf der Bestsellerliste." Was ihn dazu treibt, erklärt Oschmann bei einem Besuch des Filmteams in seinem Büro an der Universität Leipzig.

Stolz auf die Herkunft

Hoffnungsvoller stimmt da die Lebensgeschichte von Steffen Baumgart: Seit 2021 ist der gebürtige Rostocker Cheftrainer beim 1. FC Köln. Obwohl er selbst mit Vorurteilen zu kämpfen hatte, ist er stolz auf seine Herkunft. Das Problem sei ohnehin ein anderes: "dass der Westen mir erklärt, wie ich früher gelebt habe und wie das alles bei uns war". Überhaupt scheint es der Umgang (westdeutscher) Medien mit dem Osten zu sein, der die Gräben mancherorts vertieft und letztlich vielleicht auch zu den steigenden Umfragewerten für die AfD führt. Ein Jahr vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg diese Entwicklung selbstverständlich auch ausführlich mit Politikern wie dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), aber auch mit wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern diskutiert.

Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen – Mo. 25.09. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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