Henrike Hahn über ihr außergewöhnliches Hobby, Überzeugungen und ihre Rolle
Henrike Hahn ist nicht "nur" die hübsche Krankenschwester in der ZDF-Serie "Bettys Diagnose". Im Interview berichtet die Schauspielerin von ihrer Liebe zum Wortwitz, dem Kölner Karneval und warum sie in ihrer Freizeit gern mit der Müllzange loszieht.
Henrike Hahn, Jahrgang 1986, ist eine Frau, die sich Gedanken macht. Im Gespräch mit ihr wird schnell deutlich, womit sie sich beschäftigt, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Mitlaufen bei den Freitagsdemos in Berlin- das ist für die gefragte Schauspielerin ("SOKO", "Requiem für einen Freund") eine klare Sache. Gerade hat sie einen Audiowalk in der Hauptstadt entwickelt, um auf einen jüdischen Widerstandskämpfer der Nazizeit aufmerksam zu machen – ein Thema, das ihr, die vor vier Jahren Sophie Scholl auf der Bühne gab, am Herzen liegt. Wichtig ist für die Deutsch-Spanierin, ihrem fünfjährigen Sohn ein gutes Beispiel zu geben. Im Alltag, aber gern auch durch Kunst in jeder Form. Ideen dazu hat sie genug, allerdings fehlt im Moment manchmal die Zeit: Henrike Hahn ist die neue Titelfigur der ZDF-Medical-Serie "Bettys Diagnose" (ab Freitag, 29. September, freitags, 19.25 Uhr) und hat sich, wie sie sagt, "mit sehr viel Herzblut" in die neue Aufgabe gestürzt.
Als Nordlicht im Kölner Karneval
prisma: Sie sind die neue Betty in "Bettys Diagnose". Wie sind Sie zur Rolle gekommen?
Henrike Hahn: Ganz klassisch. Ich bekam eine Casting-Einladung und hatte Spaß dabei. So bin ich da reingeschlittert, wie das manchmal bei Rollenangeboten ist. Sandra Köppe, die Casterin, hatte sich überlegt, dass sie mich ganz passend fände in der Rolle, und damit hatte sie total recht!
prisma: Was mögen Sie an der Figur?
Henrike Hahn: Sie ist toll und bringt wahnsinnig viel Freude zu spielen. Außerdem inspiriert sie mich tagtäglich wieder neu, weil sie so eine schöne Energie hat. Davon könnten sich einige was abschneiden. In der heutigen Zeit ist es wunderbar, eine Figur spielen zu dürfen, die Mut macht und sich nicht scheut, Zuversicht in die Klinik zu tragen.
prisma: Was hat Ihre Betty, was die beiden davor nicht hatten?
Henrike Hahn: (Überlegt) Ich finde, dass diese Elisabeth Hertz eine Macherin mit enormer Handfestigkeit ist, was ich sehr mag. Sie hat das Motto: Durchziehen, einfach machen, wird schon! Gerade in den ersten Folgen schlägt bei ihr das Schicksal richtig zu. Da könnte ich jede Person verstehen, die dann den Kopf in den Sand steckt. Aber egal, was ihr passiert, sie gibt nicht auf. Und dann hat sie eine unfassbare Freude am Wortwitz und ist ziemlich spitzzüngig. Elisabeth geht gerne mal in den Konflikt, gerade mit den männlichen Kollegen.
prisma: Die Dialoge zu schreiben, muss ungeheuer Spaß machen ...
Henrike Hahn: (lacht) Ja, wir haben eine Autorenschaft, die sich da richtig austoben kann.
prisma: Was haben Sie mit Betty gemeinsam?
Henrike Hahn: Worin wir uns ähneln, ist wohl unsere Energie zu sagen: "Ich könnte jetzt den Kopf in den Sand stecken, aber ich tue es nicht." Ich bin auch jemand, der weniger dazu tendiert, bockig im Stillstand zu verharren, wenn von außen etwas Blödes passiert. Lieber krempele ich die Ärmel hoch und sage: "Okay, es gibt für alles eine Lösung, lass sie uns finden." Da ähneln wir uns sehr.
"Ich bin sehr privilegiert"
prisma: Sie haben eine große Bandbreite unterschiedlicher Aufgaben mit Fernsehen, Theater, Hörspielen, Synchronarbeiten und anderem. Sind Sie eine "Macherin" nur im Beruflichen oder womit beschäftigen Sie sich sonst, was vielleicht nicht im Lebenslauf zu finden ist?
Henrike Hahn: (Überlegt) Ich bin sehr privilegiert, weil ich so einen schönen Beruf habe. Von daher stürze ich mich gerne mit Herzblut da hinein, aber natürlich gibt es auch andere Bereiche, die mir Freude machen. Ich bin ein Familienmensch, habe sehr gern meine liebsten und engsten Menschen um mich herum, da bin ich genauso engagiert wie in meinem Beruf.
prisma: Sie haben Ihre Wahlheimat Berlin für die Serie verlassen und sind nach Köln gezogen ...
Henrike Hahn: Ja, ich habe Anfang des Jahres in eine wunderschöne Wohnung in Köln gefunden. Es war praktischer. Die Pendelei ist zwar machbar, aber ich hatte keine Lust, dafür so viel Zeit und Kraft aufzuwenden.
prisma: Wie geht es Ihnen in Köln, fühlen Sie sich wohl?
Henrike Hahn: Ja ... ich frage mich, wie man sich unter den ganzen Frohnaturen nicht wohlfühlen kann. Ich habe es hier sehr schön in unserem Stadtteil, mit vielen Familien, und man wird mit offenen Armen willkommen geheißen.
prisma: Ihre Hamburger Herkunft lässt nicht unbedingt auf Leidenschaft zum Karneval schließen ...
Henrike Hahn: (lacht laut) Guter Punkt. Ich kann damit tatsächlich sehr wenig anfangen, aber mein Sohn war Feuer und Flamme, weil es wie für alle Kinder, die hier aufwachsen, eine riesige, mehrtägige Kinderparty war. Es war schön, das aus der Perspektive von den Kleinen mitzunehmen. Wir Norddeutschen kennen Karneval ja gar nicht, aber als ich das jetzt zum ersten Mal aus Kinderaugen erlebt habe, konnte ich erst verstehen, woher diese Begeisterung kommt und dass sie bleibt, weil sie früh grundgelegt wurde.
Die Geschichte von Widerstandskämpfer Herbert Baum
prisma: Anders lässt sich vielleicht die Begeisterung zum Beispiel für den Stierkampf nicht erklären, die den meisten Deutschen fremd ist ...
Henrike Hahn: Ich bin ja halbe Spanierin, aber dafür habe ich keine Begeisterung. Natürlich bin ich auch mit Familienmitgliedern aufgewachsen, die die Leidenschaft für den Stierkampf mit einem Traditionsbewusstsein erklären, aber mitgehen tu ich da nicht. Es gibt andere Wege, spielerisch zu kämpfen, als ein Tier zu töten.
prisma: Wie fit sind Sie in Spanisch?
Henrike Hahn: Ich spreche sowohl Katalanisch als auch Castellano, aber es ist ganz schön eingerostet. Ich muss immer zwei Wochen in der Stadt sein, damit meine Gehirnareale aktiviert werden und die Spur von den beiden Sprachen wieder hochkommt. Meine Mama kommt aus Barcelona. Mit ihr spreche ich Deutsch, aber manchmal, ganz selten, switchen wir auch um.
prisma: Sie haben auch Französisch und Englisch gelernt. Welche Sprachen geben Sie an Ihren Sohn weiter?
Henrike Hahn: Der wächst zweisprachig auf, aber nicht mit Spanisch, da habe ich mich für meine Muttersprache entschieden. Der Papa ist Franzose, und von daher wächst unser Sohn auch mit Französisch auf. Es ist ein Geschenk, wie schnell diese kleinen Gehirne das aufnehmen und können.
prisma: Sie haben ein tolles Projekt entwickelt, den Audiowalk "Traces of a City", der seit dem 15. August zum Download bereitsteht und zu einem Spaziergang durch Berlin auf den Spuren des jüdischen Widerstandskämpfers Herbert Baum einlädt. Wie kam es dazu und warum gerade dieser Mann?
Henrike Hahn: Es ist ein Herzensprojekt, für das wir sehr lange recherchiert und gearbeitet haben. Ich kannte den Teil des jüdischen Widerstandes, der von ihm und seiner Gruppe ausging, nicht. Ich habe Sophie Scholl gespielt und mich mit ihr auseinandergesetzt, oder mit Stauffenberg. Das sind die Klassiker, die in unserer Erinnerungskultur sehr viel Raum einnehmen. Ich kenne den Stadtteil, in dem der Audiowalk stattfindet, sehr gut. Ich fand es absurd, dass man auf diesen Wegen so oft wandelt und seine eigene Geschichte schreibt und von den Ereignissen, die diese Straßen und Wände auch gesehen haben, gar nichts kannte, obwohl es da auch mal einen Stolperstein oder eine Erklärtafel gab. Dann kam diese schreckliche, theaterlose Coronazeit, und da ist mir die Idee vor die Füße gefallen. Ich habe angefangen, immer mehr zu recherchieren, und dachte, das ist wie eine noch unerzählte Geschichte. Es gibt zwar ein Buch einer Historikerin, die sich damit beschäftigt hat, aber ansonsten ist Es ist ein unbehandelter Stoff, den ich erzählen wollte.
prisma: Sie schreiben auf Ihrer Webseite, dass Sie gern Einsatz zeigen für politische und kognitive Freiheit ...
Henrike Hahn: Jetzt bin ich mit dem aktuellen Projekt "Bettys Diagnose" sehr beschäftigt, aber alles, was nebenbei reinkommen sollte, was mich interessiert, versuche ich nebenbei zu schaffen. Aktuell ist nichts geplant, aber ich könnte mir vorstellen, dass das eine oder andere Hörbuch eingesprochen werden könnte. Theater braucht immer viel Zeit und großen Vorlauf, mal sehen, wann ich das wieder unterkriege.
"Der Wald kann zuhören, aber auch schweigen"
prisma: Gibt es ein weiteres politisches oder gesellschaftliches Herzensthema, das auf Ihrer Agenda steht? Etwas, das Sie gern für die Öffentlichkeit in Umlauf bringen würden?
Henrike Hahn: Es gibt natürlich viele Themen, die mich umtreiben. Wenn man einmal anfängt, sich mit der Shoah zu beschäftigen, fallen einem unendlich viele Geschichten ein. In diese Richtung würde ich gern noch weitergehen. Ich interessiere mich aber auch für feministische Ansätze. Es gibt viele junge Frauen, von denen ich gerade lese, und deren Geschichten interessanter Stoff wären. Aber natürlich bewegen mich auch Themen sowie für unser Klima. Da kann ich mir sehr gut vorstellen, mich dafür in Bürgerinitiativen zu engagieren. Oder theatral, in Bildender Kunst oder noch ganz anders. Dass ich sage: "Lass uns mal Sprachrohr sein für diese Themen."
prisma: Würden Sie auch mit einem Transparent auf der Straße herumlaufen?
Henrike Hahn: In Berlin war ich sehr viel auf den Freitagsdemonstrationen oder auf Klimaprotesten. Plakate hatte ich nicht dabei, meistens weil Sohnemann im Kinderwagen mitgekommen ist, da ging das schlecht. Aber anwesend war ich sehr häufig, und das bleibt auch so. Die eigene Meinung auf die Straße zu tragen – und das meine ich mit kognitiver Freiheit -, das ist ein wunderbares Recht, das wir hier genießen. Ich glaube total an bürgerlichen Aktivismus. Er findet viel Gehör.
prisma: Was machen Sie gern, wenn Sie Zeit haben bei all den Unternehmungen?
Henrike Hahn: Ich lese sehr gern, aber um Gottes Willen nicht nur Drehbücher (lacht). Einfach mal Zeit haben für Tageszeitungen und, aber auch Romane, das mag ich. Dann verschlinge ich in kürzester Zeit ziemlich viel, weil mir im Alltag dafür oft so wenig Zeit bleibt. Ich bin aber auch gerne im Wald. Es ist ein angenehmer Ort, der zuhören, aber auch schweigen kann. Müll sammeln tu ich auch gerne in meiner Freizeit.
prisma: Müll sammeln?!
Henrike Hahn: Ja, das habe ich aus Spaß entdeckt. Jede Mutter weiß, dass die kleinen Stöppken losrennen und alles anfassen, und ich überlegte, wie man das spielerisch auffangen kann. Also haben wir uns Müllzangen geholt, und das war das Non plus Ultra für meinen Kleinen. Es war eigentlich gar nicht so politisch angedacht, aber danach habe ich erst die Dimension gecheckt. Seitdem gehen wir oft los und sammeln Müll. Wir haben einen ausgebauten Van, und wenn wir damit unterwegs sind, haben wir immer die Zangen, Handschuhe und Tüten dabei und machen den Platz wieder ein bisschen sauberer. Das finde ich eine schöne Sache, die man einer neuen Generation mitgeben kann. Mach es doch einfach sauber, dann ist es erledigt, und geh mit gutem Beispiel voran. Andere freuen sich darüber. Das mag ich auch an Betty so gerne: Sie legt einfach los und steckt damit andere an. Das ist echt cool!
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH