HBO-Serie geht in die vierte Staffel

"In Treatment" kehrt nach fünf Jahren mit neuer Hauptdarstellerin zurück

von Eric Leimann

Zeit war jedenfalls jede Menge, um eine neue Hauptdarstellerin zu finden. Zur vierten Staffel von "In Treatment" übernimmt Emmy-Gewinnerin Uzo Aduba. Zwischen dem Ende der dritten und dem bevorstehenden Start der vierten Staffel lagen fünf Jahre – worauf kann man sich beim Start am Dienstag (27. Juli) gefasst machen? 

2008, 2011 und 2016 verkörperte Gabriel Byrne den Psychotherapeuten Dr. Paul Weston in der preisgekrönten Dramaserie "In Treatment". Das Konzept der Serie, die in "Emmy"-Nominierungen gerechnet vor allem Stammgast bei den Schauspiel-Kategorien war, kann man ziemlich genial nennen: Pro etwa 30 Minuten langer Folge empfing der Therapeut, Hauptfigur der Serie, einen Patienten. In der nächsten Folge erschien ein zweiter, dann ein dritter. Wenn man drei oder fünf Patienten kennengelernt hatte, ging der Therapeut selbst zu seiner Supervisorin. Danach folgte die zweite Therapiestunde des ersten Patienten und so weiter.

Mit jeder Folge drang der Zuschauer tiefer in die Psychen und Geschichten der Patienten und auch des Therapeuten ein. Die Serie, der die israelische Originalidee "BeTipul" von Hagai Levi zugrunde liegt, wurde in vielen Ländern kopiert. Unter anderem erst Anfang 2021 von den "Ziemlich beste Freunde"-Machern Eric Toledano und Olivier Nakache, die ihre Sitzungen im Nachgang der Pariser Terroranschläge vom November 2015 spielen lassen.

Am bekanntesten ist jedoch nach wie vor die Adaption des US-Seriengiganten HBO – die nun ziemlich überraschend fortgesetzt wird. Das ebenso leise wie kluge Psychotherapie-Kammerspiel war zwar immer ein Kritiker-Liebling, jedoch nie ein großer Publikumserfolg.

"Orange Is The New Black"-Star Uzo Aduba übernimmt Hauptrolle bei "In Treatment"

In Staffel vier, die ab 27. Juli immer dienstags ab 20.15 Uhr mit drei Episoden am Stück auf Sky Atlantic zu sehen ist (oder "on demand" bei Sky Ticket und über Sky Q) ändert zwar nicht das Konzept der Serie, wohl aber das "Setting": Erzählt wird von einer schwarzen Therapeutin um die 40. Uzo Aduba, bekannt als "Crazy Eyes" aus der Netflix-Serie "Orange Is The New Black", spielt Dr. Brooke Taylor.

Von ihrem Designerhaus in den Hügel von Los Angeles blickt sie auf die schachbrettartige Westcoast-Kulisse ihrer Stadt herunter. Taylor, eine alleinstehende Frau, hat das schicke Anwesen von ihrem gerade verstorbenen Vater, einem berühmten Architekten, geerbt. Drei Patienten empfängt die Therapeutin in ihrer ersten Staffel – dazu erhält sie selbst Besuch von einer Freundin. Macht zusammen 24 Episoden einer gegenüber der alten Folgen stark diversifizierten "In Treatment"-Neuauflage.

Was die neuen Folgen auf jeden Fall zeigen, ist, wie sehr sich das fiktionale Erzählen in wenigen Jahren verändert hat. War es 2016 noch normal, dass ein "alter weißer Mann" als Therapeut und somit Haupt- und Ankerfigur des Plots diente, wird in Staffel vier so ziemlich alles auf den Kopf gestellt. Dr. Taylors Patienten sind der arme junge Latino Eladio ("Hamilton"), der den behinderten Jungen eines reichen Ehepaares betreut. Seine Arbeitgeber finanzieren ihm die Therapie seiner massiven Schlafstörungen.

Die junge Laila (Quintessa Swindell) leidet als Teenagerin unter dem Druck der unerfüllbaren Erwartungen ihrer Familie und dem Rassismus im Allgemeinen. Und dann wäre da noch Luftikus Colin (John Benjamin Hickey), ein charmant-vermögender Weißer, der wegen Wirtschaftskriminalität im Gefängnis sitzt und auf Weisung eines Gerichts mithilfe einer Therapie seine Impulsivität in den Griff bekommen soll. Schließlich taucht die Serie mithilfe von Besuchen wie Dr. Brooks Freundin Rita (Liza Colón-Zayas) sowie ihrem On-Off-Liebhaber (Joel Kinnaman) noch in die Psyche der Therapeutin selbst ein, allerdings expliziter als das beim alten Gabriel Byrne-Charakter der Fall war.

Los Angeles ist die neue Heimat von "In Treatment"

Will man die Wirkung der neuen "In Treatment"-Folgen beschreiben, fällt dies gar nicht so leicht. Einerseits ist das Konzept – inklusive exzellentem Schauspiel und cleverer Geschichten rund um Ver- und Enthüllung der Charaktere – gleich geblieben. Trotzdem wirkt die hochglanzpolierte L.A.-Variante gegenüber der staubigen East Coast-Dialoge von Dr. Weston irgendwie gewollter, konstruierter – vielleicht sogar weniger charmant. Leicht war diese Serie ja nie. Viele Folgen bedeuteten Arbeit. Wegen der hohen Dialog- und Gedankendichte, wegen des Kammerspiel-Settings und natürlich wegen des Themas, der tiefenpsychologischen Aufdeckung menschlicher Lebenswege und Irrungen, die per se nichts für breite Zuschauermassen sind.

Die neuen HBO-Showrunner Jennifer Schuur ("Big Love", "My Brilliant Friend") and Joshua Allen ("Empire") haben mit Season four von "In Treatment" grundsätzlich gute Arbeit geleistet – und die Mittel der Psychotherapie-Serie löblicherweise auf einen diverseren, interessanten Cast ausgedehnt. Trotzdem – wer in die Serie neu einsteigen will, sollte sich zunächst die alten Folgen mit Gabriel Byrne anschauen, die bei Sky ebenfalls wieder in kompletten Staffeln auf Abruf bereitstehen. Ein bisschen mehr Geheimnis sowie eine grandiose erzählerische Raffinesse erleichtern dort den Einstieg in eine spannende Serienwelt mit Charakteren, die man – wenn es gut läuft – mit jeder weiteren Therapiesitzung als Zuschauer(therapeut) sehnlichster zurückerwartet.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren