Wiederholung in der ARD

"Tatort: Kaputt" – Papierrascheln und Sorgenfalten

von Jens Szameit

Wo ist die kölsche Lebensfreude hin? In diesem "Tatort" von 2019 geht es jedenfalls ziemlich trist zu. Es geht um tote Polizisten und Lynchjustiz.

ARD
Tatort: Kaputt
Kriminalfilm • 25.07.2021 • 20:15 Uhr

Seit 2018 haben die Kölner "Tatort"-Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) den Assistenten Jütte im Vorzimmer sitzen. Jütte wird gespielt von Roland Riebeling, und als Sprachrohr der sprichwörtlichen "einfachen Leute" hat es die Figur zu verblüffender Popularität gebracht.

Verblüffend auch deshalb, weil es doch eine undankbare Aufgabe ist, schauspielerische Grandezza im Bierdeckelradius eines Einzelbüros zu versprühen. Erst recht, wenn man Empörungsmonologe wie diesen halten soll: "Der Obduktionsbericht von dem Typen – bis unter die Haarspitzen voll mit Crystal Meth und Alkohol! Wie das heutzutage mit der Gerechtigkeit läuft, werden ihm die Drogen vermutlich noch als verminderte Schuldfähigkeit angerechnet. Da ist mir die Lösung ehrlich gesagt lieber."

Zum unverhohlenen Lob der Lynchjustiz legt Ballauf vorwurfsvoll die Stirn in Falten, und Schenk legt mitfühlend die Stirn in Falten. Das ist die intellektuelle Flughöhe, auf der einem der "Tatort: Kaputt" begegnet.

Viel höher geht's leider wirklich nicht hinaus in dieser Sommerpausen-Wiederholung, für die Regisseurin Christine Hartmann (auch Buch, mit Rainer Butt) verantwortlich zeichnet. 9,29 Millionen Zuschauer sahen bei der Erstsendung 2019 zu, wie eine Ruhestörung zur tödlichen Falle für eine Polizeistreife wird.

Die Beamtin Melanie Sommer (Anna Brüggemann) wird niedergeschlagen im Garten eines Vorstadtanwesens gefunden, ihr – Achtung – offen homosexueller Kollege Frank Schneider wurde im Wohnzimmer totgeprügelt. Der Dienststellenleiter (Götz Schubert) ist sehr besorgt, aber leider auch ein bisschen homophob. Immerhin ist der Täter schnell identifiziert: ein Drogensüchtiger, der aber bei seiner Rückkehr an den Tatort hinterrücks erschossen wird, ehe Ballauf und Schenk ihn stellen konnten. Fragt sich: Haben ihn seine Partykumpane aus Vertuschungsgründen umgelegt oder sinnt in der frustrierten Polizeitruppe einer auf Rache?

Eine Befragung nach der anderen

Um das zu ermitteln, quälen sich die Kölner Traditionsermittler durch endlos viele Befragungen, die sehr wahrscheinlich ein Drehbuch in Tolstoidicke ergeben haben. Nur leider nicht mit derselben sprachlichen Qualität. Erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit hier 90 Primetime-Minuten weitgehend als Abfolge von Innenraumszenen gestaltet sind, in denen zwei bis vier Menschen jeweils mit Leidensmiene Sätze im Schreibstil aufsagen. Wenn man sehr viel Glück hat, trägt im Bildhintergrund ein Komparse aufs Regie-Kommando eine Ermittlungsakte von links nach rechts und manchmal auch von rechts nach links. Wer so etwas schon für einen Spielfilm hält, hat sehr niedrige Ansprüche.

Löblich immerhin ist das Anliegen, unverbrauchte Gesichter in Nebenrollen zu besetzen. Unglücklich aber ist es dann gelaufen, wenn das szenische Ergebnis an die ehedem beliebte Laienspielreihe "K11 – Kommissare im Einsatz" erinnert. Nicht dass der "Tatort" ständig das amerikanische Genre-Kino adaptieren muss, wie es inzwischen gängige Praxis ist von Dresden bis Frankfurt und von Wiesbaden bis Berlin. Bodenständigkeit ist schon okay, bodenlos lieblos sollte aber keine Option sein. Und bodenlos freudlos übrigens auch nicht. Das eigentliche Mordopfer in dieser papierraschelnden Unbeholfenheit, das ist die kölsche Lebensfreude. Wo ist sie hin? Früher war eindeutig mehr Currywurst.

Tatort: Kaputt – So. 25.07. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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