Alfred Biolek: eine Leitfigur für ganze Entertainer-Generationen
Auf kluge und kultivierte Art prägte Alfred Biolek die deutsche Fernsehlandschaft wie kein Zweiter. Man wird ihn mehr vermissen, als er die Arbeit vor der Kamera vermisst hat. Ein Nachruf.
"Man soll immer aufhören, wenn es am schönsten ist", sagte Dr. Alfred Biolek, den sie alle einfach "Bio" nannten, am 6. Juni 2003. Es war der Tag, an dem die wöchentliche Talkshow "Boulevard Bio" zu Ende ging. Das "Hochamt gepflegter Unterhaltung", wie man die Sendung gelegentlich bezeichnete, wurde von allen geschätzt.
Jeder ging hin – selbst solche, die sich sonst nie zu einer Talkshow einladen ließen. Auch Bios Kochshow "alfredissimo!" ("Kochen und Kommunikation") schrieb TV-Geschichte. Nach dem Rückzug vom Bildschirm kam es für Biolek zu persönlichen Katastrophen. Jetzt ist der Pionier des kultivierten Unterhaltungsfernsehens gestorben, wie sein Adoptivsohn bestätigt hat. "Bio" sei am Freitag in seiner Kölner Wohnung "friedlich eingeschlafen". Er wurde 87 Jahre alt.
"Und jedem Abschied wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben" – mit diesem Hesse-Vers verabschiedete sich Bios Team 2003 auf seiner Homepage äußerst stilgerecht. Damals, als er seine einzigartige TV-Karriere beendete.
So war er, der Bio, 1934 im böhmischen Freistadt geboren – immer ein bisschen pathetisch und zu Tränen rührend, und das nicht nur wenn es um ernste Themen ging, wie beispielsweise Aids. Es ging übrigens immer um Themen, nicht einfach nur um Personen, man vergisst es leicht. Stars wurden mit "normalen" Menschen zusammengebunden. Andere Talkshows haben das bislang längst nicht mehr so gut geschafft.
Zu Biolek kamen sie alle
Morgens vor der Sendung, die die konsequente Fortsetzung seines legendären Formats "Bios Bahnhof" (1978 bis 1982) war, wurden beim Boulevard-Bio-Team Spaghetti gekocht und die Vorgehensweise bei der Aufzeichnung besprochen, die Frage-Schneisen. Die sublime Strategie zog sich bis in den Abend hinein, man merkte es der Sendung an, in die alle gerne kamen. Und man bekam sie alle, auch den Bundespräsidenten und die Kanzler Schröder und Kohl. "Nur Becker, Krug und Loriot blieben weg, alle anderen hatten wir", konnte Bios Producer im Rückblick vermelden.
Bis 2007 kochte Bio dann noch, plauderte in seiner Sendung "afredissimo" mit illustren Gästen am Herd, danach zog er sich mehr und mehr aus der ganz breiten Öffentlichkeit zurück – immer mehr auch in seine Berliner Wohnung, die er 2000 bezog. Ein wirklicher Höhepunkt war aber noch mal die "Goldene Kamera", die Alfred Biolek 2008 für sein Lebenswerk erhielt.
Ansonsten verlegte sich der TV-Macher, der zugleich TV-Star war, aufs Kochbücherschreiben und auch aufs Theater. "Mein Theater mit dem Fernsehen", hieß folgerichtig sein Programm.
Zu diesem "Theater" gehörte auch das berühmte Outing durch den schwulen Filmemacher Rosa von Praunheim. Mit den Worten "Warum sagt Biolek nicht, dass er schwul ist?" wurde er 1991 in der legendären Dezember-Ausgabe der RTL-plus-Talkshow "Explosiv" bloßgestellt. Biolek, der über seine sexuelle Orientierung zwar nicht öffentlich gesprochen, jedoch seit den späten 60er-Jahren offen schwul gelebt hatte, fühlte sich verletzt, allerdings auf heilsame Weise: "Irgendwo hat dieser Schlag eine Verspanntheit gelöst, die danach weg war", bekannte er später.
Probleme auf der ganzen Welt zu lösen, war ein Anliegen des promovierten Juristen. Er rief die Alfred-Biolek-Stiftung für Afrika ins Leben und wurde 2000 als erster Deutscher in New York City zum UN-Sonderbotschafter für Weltbevölkerung ernannt. Dass er daneben unglaublich viel für die Qualität des öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsfernsehens unternommen hatte – wer wollte es bezweifeln?
"Meine Sendung kann keiner übernehmen"
Mehreren Entertainer-Generationen – von Jürgen von der Lippe bis Harald Schmidt – diente er als Leitfigur. Und nicht zuletzt war er mit seiner Firma "ProGmbH" als wohl erster Entertainer sein eigener Produzent. "Es müsste jemand ganz anderes sein, kein neuer Bio. Ein eigenes Profil, eine neue Persönlichkeit", hat er beim Abschied vom "Boulevard" gesagt, "meine Sendung kann keiner übernehmen".
Dem Privatier Biolek war nach dem Abschied von der TV-Bühne nicht immer so viel Glück beschieden. Ein schwerer Treppensturz im Sommer 2010 machte ihm lange auch mental zu schaffen, seine Firma Pro GmbH geriet in Turbulenzen, es zog ihn aus Berlin in seine frühere Heimat Köln zurück. "Das war ein schwerer Unfall, nach dem ich im Koma lag und danach tagelang kaum sprechen konnte", erinnerte er sich anlässlich seines 80. Geburtstags im Jahr 2014. "Mein Freund Scott Richie, den ich später adoptiert habe, half mir in dieser Situation sehr. Ohne ihn wäre ich heute nicht so munter, wie ich es glücklicherweise bin."
Auf das Fernsehen, das er so lange so vorteilhaft prägte, blickte der Ruheständler mit Entfremdung: "Wenn ich jung wäre, ich würde heute nicht mehr zum Fernsehen gehen", bekannte er. "Es ist nicht mehr meine Welt. Keine schlechtere, aber eine andere." In dieser veränderten Welt wird man Alfred Biolek umso mehr vermissen.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH