Doku über progressive Kirchenmitglieder

ZDF-Reportage zeigt Menschen, die die Kirche zeitgemäßer machen wollen

12.04.2023, 16.59 Uhr

2022 erreicht die Zahl der Kirchenaustritte mal wieder einen neuen Höchststand. Weniger als die Hälfte aller Deutschen sind nun noch ein Teil der Kirche. Mit ungewöhnlichen Methoden wollen Pastoren den Trend aufhalten. Die neue "37°"-Doku "Kirche mal anders" erzählte eindrucksvoll davon.

Der sich seit Jahren abzeichnende Trend geht weiter: Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. 2022 waren es sogar noch mehr als im zuletzt bemessenen Jahr 2021. Damals waren es 360.000 Katholiken und 280.000 Mitglieder der evangelischen Kirche, die aus der Kirche ausgetreten waren. Vor allem die Missbrauchsfälle und deren mangelhafte Aufarbeitung werden als Ursache der Austritte angegeben. Pfarrer und Pastoren beider Kirchen ergreifen nun die Flucht nach vorn und zeigen sich erstaunlich erfindungsreich, um den Trend zu brechen. Die "37°"-Reportage "Kirche mal anders" von Florian Beck und Christian Schnelting folgte am Dienstagabend im ZDF Pastoren und Pastorinnen, die sich mit ungewöhnlichen Mitteln neuen Bevölkerungsgruppen öffnen. Was da zu sehen war, ist durchaus eindrucksvoll.

So hat der YouTube-Kanal "Anders Amen" der Pastorin Ellen Radtke und ihrer Frau Steffi aus Eime in Niedersachsen bereits 25.000 Abonnenten. Immer mittwochs, um 19.00 Uhr, melden sie sich bei ihren Fans, wobei es um den Kinderwunsch und den Sex vor der Ehe genauso wie um die Segnung von Akkuschraubern gehen kann. Alles ist möglich. Auch Online-Gottesdienste werden dort abgehalten. "Als ich jünger war, habe ich Kirche nie verstanden, also was da geredet worden ist", erinnerte sich Ellen Radtke in der Reportage. "Ich habe das selber nicht kapiert."

Aber warum haben sie sich für diesen Weg entschieden? Steffi Radtke: "Ich muss jetzt neue Wege finden, um die Botschaft und den Glauben ins Internet zu transportieren und für alle verständlich zu machen. Das ist cool, noch mal eine ganz andere Sphäre irgendwie mit 'Anders Amen." Im nächsten Schritt will sie mit der Partnerin eine Online-Gemeinde gründen, sagt sie. "Also das, was es im Analogen auch gibt. Da wo man zusammenkommt, da wo Menschen sagen: Wir gehören zu Gott und deswegen gehören wir zusammen. Und das einfach nur online zu haben."

"Wir beschäftigen uns sehr mit uns selbst bei der Kirche"

Der Penzberger Pastor Philipp Roß tourt dagegen mit seiner dreirädrigen Piaggio Ape durchs Oberland, um zu erkunden, was den Abtrünnigen an der Kirche missfällt. "Es ist dieses Bevormundende. Sie haben das Gefühl, sie machen vielleicht was nicht richtig und fühlen sich nicht willkommen", so glaubt er.

Indessen hat sich der Nürnberger Pastor Hannes Schott per Facebook schon mal für einen Gottesdienst im Reisebus versteigert. "Raus aus dem Toten Winkel", heißt sein Buch, aus dem er gerne in Buchhandlungen liest. Sein Motto gilt für alle, die dem Austrittstrend entgegensteuern wollen. "Wir beschäftigen uns sehr mit uns selbst bei der Kirche. Aber wir müssen raus zu den Leuten. Weil beim Urchristentum haben die schon Gottesdienste bei den Leuten daheim gefeiert. Das gehört dazu irgendwie." In Schotts Augen soll ein Gottesdienst dort sein, wo die "Leute leben".

Reaktionen auf Facebook

Auf Facebook zeigten sich Zuschauerinnen und Zuschauer nach Ausstrahlung der Reportage begeistert. "Toll, dass es inzwischen so viele, wunderbare, unterschiedliche Gemeinden gibt. Nur so ist Kirche lebendig, nur so ist sie vielseitig und einladend. Genau das sollte Kirche sein!", schrieb eine Userin. "Ich find es Klasse, warum nicht neue Wege gehen", hieß es beispielsweise, und: "Ich wünsche euch, dass ihr viele Menschen erreicht, die sich ansonsten von Kirche abwenden, eben weil sie sich nicht gesehen oder abgeholt fühlen."

Dennoch äußerten sich einige User auf Facebook auch kritisch. "Mir persönlich fehlt einfach der Glaube an Gott bei all dem Leid, der Gewalt und dem Geschehen in der Welt. Ich denke, wenn es einen Gott gäbe, dann würde er manche Dinge einfach nicht zulassen", lautet der Kommentar einer Zuschauerin. Jemand schrieb: "Es ist immer wieder wichtig zu betonen, dass auch Geistliche keine Ahnung haben, woher das Universum kommt. Sie haben nur eine erlernte Überzeugung dazu. Und es interessiert mittlerweile kaum noch jemanden."

Die gesamte Reportage "37°: Kirche mal anders" ist nun in der ZDFmediathek aufrufbar.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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