Recherche-Team von ARD und ZDF

TV-Doku konfrontiert Privatjet-Nutzer mit CO2-Bilanz: "Wir Reichen gewinnen immer"

14.07.2023, 10.40 Uhr
von Jürgen Winzer

Das Recherche-Team von ARD und ZDF ging der Frage nach: Wie retten wir das Klima, wenn es denen, die am meisten CO2 emittieren, egal ist? Ihre Reportage brachte erschreckende Antworten zu Tage. 

"Aus großer Macht entsteht große Verantwortung." Egal, ob der Satz nun von Spider-Mans Onkel Ben Parker stammt oder bereits aus der Zeit der Französischen Revolution – für Superreiche gilt er offenbar nicht. Statistisch emittieren die reichsten zehn Prozent der Deutschen mit 257 Millionen Tonnen Treibhausgasen mehr als die ganze "ärmere Bevölkerungshälfte" (237 Millionen Tonnen). Jeweils pro Jahr. Die Statistik belegt: Je reicher, desto größer der Klimaschaden.

"Eigentlich ist es mir scheißegal"

Das Rechercheformat "STRG_F" des öffentlich-rechtlichen Jugendportals Funk hat sich in seinem neusten Beitrag mit dem Thema beschäftigt und unter anderem auch "Rich Kids" begleitet. Theo S. (18) sagt in der unter anderem bei YouTube abrufbaren Reportage "Privatjets, Yachten, Kaviar: Wie beeinflussen Superreiche das Klima?", er mache sich "schon Gedanken" um die Umwelt. Zum Beispiel so einen: "Eigentlich ist es mir scheißegal. Klar will ich nicht, dass wir alle verbrutzeln, (...) aber manchmal ist mir mein Komfort einfach wichtiger."

Von wegen "große Macht und große Verantwortung". Theo S., der mit dem Startkapital des Vaters selbst reich wurde, sieht es so: "Wer mehr leistet, darf mehr (CO2) verbrauchen." Er fliegt gerne mit dem Privatjet nach Sylt. Er ist da in bester Gesellschaft, das tat auch der Politiker Friedrich Merz, als er letztes Jahr rasch und bequem zur Hochzeit des Kollegen Christian Lindner musste. Andere bekannte bekennende Privatjet-Nutzer sind Dieter Bohlen oder die Geissens. Oder Nichtpromi Viktoria, die im Privatjet ihres Vaters von Kassel nach Sylt hüpfte. Sie immerhin strahlt im Filmbeitrag einen Hauch schlechten Gewissens aus. Sie denke schon an die Umwelt, aber halt im Flieger nicht. "Ich weiß, dass das keinen Sinn macht, aber: Man lebt nur einmal."

"Ich kann mit so einer teuren Armbanduhr nicht U-Bahn fahren"

Wer hat, der hat halt und kann (in zweifacher Hinsicht) mehr rausblasen als der, der nichts hat. Aber verzichten, sich einschränken, CO2-Verbrauch einsparen der Umwelt zuliebe? Das ist keine Option. Warum auch? Theo S. grinsend: "Ich spare nicht ein. Es gibt ja Leute, die fahren nicht in Urlaub, die sparen dann ja für mich ein." Das ist allerdings schwer, selbst wenn auch der Sohn von Otto Normalverbraucher mal in Urlaub fliegt, zum Beispiel von Hamburg nach Nizza. Dann verbraucht er in der Economie Class umgerechnet 300 Kilo CO2. Eine einzige Person im Privatjet bläst auf derselben Strecke ein Vielfaches raus.

Can M., 23 und selbsterklärter Selfmade Millionär, tut genau dies. Mehrmals. "Andere fahren am Wochenende im Sportwagen, ich miete einen Privatjet." Auch er hält sich für keinen Umweltignoranten ("Ich schmeiße keine leeren Coladosen aus dem Autofenster"), er klingt eher entschuldigend. Die Umstände sind's, die ihn in den Jet treiben: "Ich kann mit so einer teuren Armbanduhr nicht U-Bahn fahren." Dann lieber in den sicheren Privatjet. Das scheint die Logik vieler Reicher: Nie zuvor war laut "STRG_F" die Nachfrage nach Privatjets in Deutschland so hoch wie aktuell. Über die Hälfte der Flüge führt über eine Strecke von weniger als 300 Kilometern.

Schützt die Politik die größten Umweltsünder?

Die Hälfte der Kaviarvorspeise wegschmeißen ("Sind doch nur Eier"), 2.000 Euro pro Club-Abend raushauen. Alles kein Problem für Theo S. Er denkt schließlich groß. "Nicht ein Haus, sondern 20. Nicht ein Jet, sondern der größte." Höher, schneller, weiter, mehr. Er ist Unternehmer und findet da zahlreiche Vorbilder. Volkswagen etwa, das laut "STRG_F"-Recherche eine der größten Privatjet-Flotten Deutschlands besitzt und damit pro Jahr so viel Treibhausgase verbraucht wie eine Kleinstadt mit 6.000 Einwohnern.

Dr. Jan Wilkens, Experte für Klimagerechtigkeit, meint, dass auch der Normalbürger "natürlich" klimabewusst leben solle – aber keinen großen Einfluss habe. Solange die Politik keine Verbote erlasse, die den Verbrauch der Superreichen einschränken (etwa durch ein Verbot von Kurzstrecken-Privatflügen), werde das mit dem Erreichen der Klimaziele nicht klappen. Blöd sei nur, belegt "STRG_F", dass die Politik die Großen gar nicht so richtig bremsen mag. Das Verkehrsministerium (FDP-geführt) will "nicht Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen" und nicht "Innovationen für mehr Klimaschutz durch pauschale Verbote ausbremsen".

Das Grünen-geführte Klimaschutzministerium schlägt in eine ähnliche Kerbe und verweist darauf, dass man "auf Innovation und Steuern" setze. Problem: Für Großunternehmer finden sich immer wieder Steuerschlupflöcher, durch die dann neben Steuergeld auch das Verantwortungsbewusstsein verschwindet. VW etwa spart dadurch Steuern, dass es für die Privatjet-Flotte eigene Flugunternehmen gründete, dadurch Steuern spart und auch noch – gesetzlich verankert – als Flugunternehmen mehr CO2 ausschütten darf als andere Unternehmen. Kein Zufall, dass weltweit 100 Unternehmen für 71 Prozent der Treibhausgase der letzten 25 Jahre verantwortlich waren.

Nach uns die Sintflut? 

Für Theo S. passt das in die Lebensphilosophie. "Wir Reichen gewinnen immer. Weil wir mehr Macht, mehr Möglichkeiten haben." Er reicht das Klima-Problem weiter: Es bedürfe mehr Information, wie das mit den CO2-Mengen sei. Die seien ja schwer fassbar, attestiert ein Kaviar-Kumpel.

"STRG_F" resümmiert ernüchternd: Alle müssen was tun. Der "Normalo" dürfe sich nicht auf die Haltung "Is ja egal, was ich mache, wenn die Reichen nix machen" zurückziehen. Allein deshalb, weil der deutsche "Normalo" im globalen Vergleich eher zu den Reichen zähle. Aber auch: "Ohne die Superreichen werden wir die Klimaziele nicht erreichen."

Na dann "Gute Nacht, Welt", wenn es nach Theo S. geht: "Dass man den Klimawandel nicht mehr aufhalten kann, ist ja klar, eigentlich. Dann die letzte Zeit wenigstens auf die Kacke hauen, anstatt sich auf die Straße zu kleben."

Nach uns die Sintflut? Nicht ganz. Der letzte Instagram-Post von Theo S. zum Thema "Mein Leben ist schön" generierte etliche kritische Kommentare. Einer lautet: "Hab kein' Hass für dich, nur Ekel. Reiches Kind mit armer Seele."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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