Bayreuther Festspiele 2023 – Parsifal

Wagner wird virtuell

29.07.2023, 12.15 Uhr
von Hans Czerny

Vier Tage nach der Eröffnungspremiere der Bayreuther Festspiele 2023 überträgt 3sat Richard Wagners Bühnenweihfestspiel "Parsifal" in einer Inszenierung des amerikanischen Regisseurs Jay Scheib. Der setzte als spannende Besonderheit "Augmented Reality"-Brillen ein. Doch nur ein Teil des Publikums profitierte vom 3D-Spektakel.

3sat
Bayreuther Festspiele 2023 – Parsifal
Oper • 29.07.2023 • 20:16 Uhr

Eines kann man der Wagner-Urenkelin und Bayreuth-Chefin Katharina Wagner nicht vorwerfen: nämlich nicht geradezu besessen um eine Modernisierung Bayreuths besorgt zu sein. Schon ihre erste eigene Inszenierung ("Die Meistersinger von Nürnberg") eckte mit einer Abrechnung nationalsozialistischer Verstrickungen an, ungewöhnliche Verpflichtungen wie die des Regisseurs Christoph Schlingensief folgten. Ganz zu schweigen von der Öffnung des Festivals in den öffentlichen Raum durch Direktübertragungen und Public Viewing sowie günstigere Karten für das junge Publikum-

Die "Augmented Reality"-Idee, die "erweiterte Realität", die der amerikanische Regisseur Jay Scheib für Wagners letzte Oper "Parsifal" von 1882 nutzt, ist da nur noch ein kleiner Schritt, wenngleich sich die Versuchsanordnung für die Premierenbesucher etwas erschreckend anhören dürfte. Eigene Augengläser aufzusetzen, wird beispielsweise Kurzsichtigen auf der Bayreuther Homepage nicht empfohlen, Linsen zu benutzen dagegen sehr. Bei eventuellen technischen Störungen der Geräte schreiten Saalbedienstete, so wurde versprochen, zwischen den Parsifal-Aufzügen helfend ein.

Eine spannende Geschichte vom Grünen Hügel

Schade, dass bei der über vierstündigen 3sat-Übertragung die Premierenaufregung längst vorüber ist, zudem wird der Fernsehzuschauer ja von der virtuellen Realität weit weniger behelligt als die handverlesenen Zuschauer im Saal. Dabei könnte die Sinneserweiterung dem Mysterienspiel um den "reinen Tor" Parsifal, den tödlich verletzten König Amfortas sowie dessen Gegenspieler Klingsor und seiner Helferin Kundry durchaus zugutekommen.

Inwieweit sich auch die Fernsehinszenierung auf eine subjektive, Zuschauer-bezogene Inszenierung einlassen kann, muss die Übertragung erweisen. Einem Großteil des Bayreuther Publikums wurde der Genuss der Zauberbrillen ohnehin verwehrt. Der Verwaltungsrat der Festspiele gewährte die Anschaffung aus finanziellen Gründen nur einem kleineren Teil. Was die Protagonisten betrifft, so ist die Sopranistin Elīna Garanča als Parsifal-Partnerin Kundry bestens erprobt (zuletzt sang sie die Partie in konzertanter Aufführung bei den Salzburger Festspielen 2022). Für den international renommierten Dirigenten Pablo Heras-Casado ist es sein Debüt. Parsifal-Darsteller Andreas Schager wurde bereits mehrmals für diese Rolle besetzt.

Die Übertragung wird von der zweiteiligen Dokumentation "Wagnerdämmerung" von Katarina Schickling begleitet (29. Juli und 5. August, 19.20 und 20.15 Uhr). Versprochen wird ein "Game of Thrones", eine "spannende Geschichte vom Grünen Hügel". Es stellt sich die Frage: Darf Katharina Wagner nach dem Vertragsablauf über das Jahr 2025 hinaus weitermachen – oder werden die Festspiele nach 150 Jahren nun doch in außerfamiliäre Hände gegeben? – Konservative Kritiker wie der frühere Chef der Wiener Staatsoper Ioan Holender prophezeiten kürzlich mittels des Beispiels Bayreuth und dessen überraschendem Publikumsschwund bereits lautstark den Untergang des gesamten Genres Oper.

Bayreuther Festspiele 2023 – Parsifal – Sa. 29.07. – 3sat: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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