Miniserie mit Anne Ratte-Polle

"Zwei Seiten des Abgrunds (1-3)": Wuppertaler Polizistin mit dunkler Vergangenheit

17.05.2023, 09.37 Uhr
von Eric Leimann

Die großartige Anne Ratte-Polle spielt in der Miniserie "Zwei Seiten des Abgrunds" eine Wuppertaler Polizistin, die von der Vergangenheit eingeholt wird. Ein Hauch von "Mare of Easttown"?

VOX
Zwei Seiten des Abgrunds (1-3)
Miniserie • 17.05.2023 • 20:15 Uhr

Wahrscheinlich ist fast jede klassische Kriminalgeschichte um Tod, Traumata und Rache schon mal erzählt worden. Kein Wunder bei der Fülle an Plots, die weltweit – und besonders gerne in Deutschland – durch den Krimi-Fleischwolf gedreht wurden. Um sich vom bereits Gesehenen abzugrenzen, bedarf es also "Feinheiten". Zum Beispiel besondere "Locations", an denen man die Handlung verortet. Dass die gut 350.000 Einwohner zählende Stadt Wuppertal nicht schon viel öfter als Krimi-Schauplatz genutzt wurde, ist fast schon erstaunlich, denn die an der Wupper entlanggezogene Gemeinde mit ihrer Lage an steilen Hängen, viel dunklem Altbau und der markanten Schwebebahn, sie transportiert viel Atmosphäre – und zwar eine ziemlich dunkle bis morbide. Idealer Standort also für die sechsteilige Miniserie "Zwei Seiten des Abgrunds", der ersten Koproduktion von RTL+, Warner TV Serie und dem Streamer HBO Max, der die knapp sechs Stunden unter dem Titel "Two Sides of the Abyss" international vermarktet. Das Ausland dürfte staunen, dass es auch außerhalb Skandinaviens ziemlich "abgründig" und dunkel zugehen kann – in Wuppertal "noir".

Worum geht es? 

Die stets das Einschalten lohnende Anne Ratte-Polle, vielfach preisgekrönte Film- und Theaterschauspielerin, verkörpert die Polizeibeamtin Luise Berg. Vor sieben Jahren verlor sie ihre ältere Tochter durch ein Gewaltverbrechen. Dennis Opitz (Anton Dreger) wurde für den Mord an der damals 17-jährigen Merle (Josephine Thiesen) verurteilt, doch nun sieht ihn Luise zufällig während eines Einsatzes. Dennis wurde frühzeitig aus der Haft entlassen. Aus dem vormals stark übergewichtigen, wortkargen Sonderling ist in der Zwischenzeit ein attraktiver, selbstbewusster junger Mann geworden. Er gilt als resozialisiert, doch natürlich kommen bald Zweifel auf.

Als neue Morde geschehen, steigt Luise, deren gesamte Familie an dem alten Mord zerbrochen ist, wieder in den Fall ein. Und es wird noch bedrohlicher: Luises jüngere Tochter Josi (Lea van Acken), die bei ihrem Vater und dessen neuer Familie lebt, gerät in den Fokus von Dennis' Interesse. VOX zeigt die ersten drei Folgen von "Zwei Seiten des Abgrunds" am Stück. Eine Woche später, am Mittwoch, 24.5., 20.15 Uhr, wird die Serie mit den Folgen vier bis sechs fortgesetzt und abgeschlossen. Ab 8. Mai ist sie bei RTL+ und Warner TV Serie abrufbar.

Anne Ratte-Polle glänzt in ihrer Rolle

"Zwei Seiten des Abgrunds" sieht rein optisch nach sehr hochwertigem, modernen Serienfernsehen aus. Sonst hätten die Big Player im Team, Warner und HBO, sicher nicht Geld in den deutschen Thriller investiert. Die dunklen Bilder wirken ebenso "rough" wie "high end". Mit der "Location" Wuppertal hat man zudem einen Volltreffer gelandet, der auch zur Atmo der Serie passt. Das Enge und Dunkle der Stadt herrscht nicht nur in den Bildern vor – es soll auch die emotionale Farbe des Krimis darstellen, in dem es zudem Handlungs-Ausflüge in ein recht schmuddelig aussehendes Belgien gibt.

Dazu spielt Anne Ratte-Polle (Ulrich Tukurs Femme fatale im "Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot") wie immer mit einer beeindruckenden Wucht und Feinsinnigkeit, die fast jeden Film und jede Serie um eine Note besser macht. Hier verkörpert die 49-Jährige eine mittelalte und alleinstehende Cop-Frau mit deutlich runtergrockter Gegenwarts-Befindlichkeit, die an Kate Winslets Auftritt in der preisgekrönten HBO-Serie "Mare of Easttown" erinnert.

Doch es gibt auch Unterschiede zur amerikanischen Serie, die im Speckgürtel Philadelphias spielte. Im Bergischen Land hat man nämlich sehr viel weniger Sorgfalt auf die übrigen Figuren und das Drehbuch gelegt. Viele Charaktere wirken im Vergleich zur Polizistin Luise Berg irgendwie unausgegoren und flach, wozu leider auch die Figur des möglichen Täters zählt, der in seiner gesamten Entwicklung nur schwer nachvollziehbar erscheint. Dazu kommen zahlreiche Krimi- und Thriller-Plotstanzen, die man schon allzu oft gesehen hat. Das Drehbuch des Sechsteilers stammt von Kristin Derfler ("Brüder"), Regie führte Anno Saul ("Nord Nord Mord", "München Mord"). Zwei Routiniers ihres Fachs, von denen man sich gewünscht hätte, dass sie neben der schönen Wuppertaler Optik auch erzählerisch etwas mehr Finesse in das deutsche Krimiprojekt gelegt hätten. Immerhin, Wuppertal und seine Schwebebahn dürften in naher Zukunft ein paar Serien-Touristen aus dem Ausland mehr begrüßen.

Zwei Seiten des Abgrunds (1-3) – Mi. 17.05. – VOX: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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