Tatort Weimar: Showdown an der Datsche

24.04.2016, 17.17 Uhr
von Detlef Hartlap
Nora Tschirner und Christian Ulmen ermitteln in einem neuen Fall.
BILDERGALERIE
Nora Tschirner und Christian Ulmen ermitteln in einem neuen Fall.  Fotoquelle: MDR/Anke Neugebauer

Wieviel Hitze verträgt ein Lottoschein? Tritt Kurt Schwitters auf? Die neue Folge mit Nora Tschirner und Christian Ulmen rutscht fröhlich in die Absurdität, geht aber nicht darin unter.

Siegrid und Roy zähmen keine Tiger, sie sind ein Geschwisterpaar in Weimar, das gewaltig einen hinter der Waffel hat. Siegrid jagt der Liebe nach, bleibt aber glücklos, weswegen sie umso heftiger dem Glück in Form eines Lottoscheins entgegenfiebert. Ob mit mehr Erfolg als in er Liebe, das entwickelt sich zur zentralen Frage des Tatorts mit dem Titel Der treue Roy.

Siegrids Bruder Roy ist leider tot. Was von ihm bleibt, ist eine Zinnsoldatensammlung im Keller, wo er die Schlacht bei Auerstedt und Jena (Oktober 1806) nachgestellt hat. Insgeheim spekuliert die von seinem Tod mittelschwer erschütterte Siegrid darauf, dass von ihrem Roy wenigstens ein bisschen mehr geblieben ist als ein Haufen Asche (angeblich hat er sich in einen Hochofen gestürzt), nämlich der besagte Lottoschein, auf dem sie einen Gewinn von schlappen 32 Millionen vermutet.

Was die Frage aufwirft: Sind Lottoscheine hochofenfest? Trägt man sie am Körper, wenn man sich umbringen will?

Fritzi Haberlandt spielt Siegrid, Florian Lukas den Roy. Das ist eine vorzügliche Besetzung für einen Tatort, der jene paar Spuren von Restkriminalität, die ihm durchaus innewohnen, wie auf einer sanften Kinderrutsche ins Nirwana der Absurdität gleiten lässt. Man wartet auf den Auftritt von Dada-Maestro Kurt Schwitters. Aber der ist ja längst tot.

Sie nennen ihn den "Mann aus Stahl"

Obwohl, so entscheidend ist der Tod auch nicht. Roy ist ja auch tot, und wir erfahren, dass er schon viele Tode gestorben ist, sogar die Sprengung eines Plattenbaus hat er ungetötet überstanden – aber auch den Hochofen? In Weimar nennen sie ihn den "Mann aus Stahl", und bevor wir jetzt Überlegungen anstellen, ab welcher Temperatur Stahl zu Brei wird, sei verraten: Dieser Roy ist nicht totzukriegen. Ob Kugel in der Birne, ob Sturz aus dem Fenster oder in den Hochofen - Roy schafft das!

Ob er allerdings auch seine geliebte Irina (Nadine Boske) schafft, eine Campingwagen-Nutte, die ebenfalls von seinem Lottoschein weiß? Bei Irina muss er liefern, koste es, was es wolle. Das kann zum Problem werden. Die Wege dieses von mildem Plemplemperismus gezeichneten Tatorts führen a) in einen Kosmetiksalon, wo wir von Miriam und Adriana (Katrin Wolter, Katrin Jaehne) bestens bedient werden, b) in eine formidable Datsche, die dem Opa von Siegrid und Roy gehört und die jeden Toskana-Ferienhäusler vor Neid erblassen lässt.

Schönheit aus dem Kosmetiksalon, Showdown an der Datscha, das hatten wir im Tatort, wo wir doch schon alles gehabt zu haben glaubten, noch nicht.

Kostproben von Ironie und Lakonie

Wird auch ermittelt? Ja. Und nein! So richtig nicht. Nora Tschirner (als Gattin und Kommissarin Kira Dorn) und Christian Ulmen (als Gatte und Kommissar Lessing) geben feine Kostproben von Ironie und Lakonie, nehmen sich aber ansonsten derart zurück, dass sie wie die Körper gewordene Antithese zum seit Kaisers Zeiten gewohnten deutschen Tatort-Ermittler wirken. Eine Parodie und eine gelungene dazu.

Viel mehr als an dem Fall ist Lessing ohnehin an einem neuen, geräumigeren Zuhause interessiert. Die alte Bude ist für die Kleinfamilie (mit Baby) zu klein geworden. Manchmal wünscht man sich, Tschirner/Ulmen würden in puncto Scherz & Keks noch ein bisschen stärker auf die Tube drücken, aber das gab das Drehbuch von Murmel Clausen und Andreas Pflüger wohl nicht her.

Am Ende muss selbst der coolste Hund zu Grabe getragen werden, soll heißen: auch ein Kuriositäten-Tatort läuft auf Verhaftung, Tod oder Happy End hinaus. Deshalb stellen wir an dieser Stelle noch einmal die Fragen, die den Zuschauer kurz vor dem Finale dieser Folge an den Bildschirm fesseln werden:

Wird der treue Roy sein Glück bei Irina finden, nachdem er ihr kniend auf der Landepiste eines Flugplatzes einen Antrag gemacht hat? Oder wird ihn, den Überlebenskünstler, doch noch der Tod ereilen?

Wird Siegrid in den Besitz des Lottoscheins gelangen?

Werden die Eheleute vom Kommissariat das von ihm angestrebte Sechs-Zimmer-Haus bekommen?

Wird die Schlacht von Auerstedt und Jena doch noch ein gutes Ende nehmen?

Fragen, sagt ein jüdisches Sprichwort, stellt man weder dem lieben Gott noch dem Gendarmen.

So schließen wir für heute.

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