Claudia Michelsen als Justizvollzugsbeamte, die sich mit schweren Jungs einlässt. Kluges Drama über menschliche Abhängigkeiten in der Parallelgesellschaft Gefängnis.
Das ARD-Filmdrama "Angst in meinem Kopf" erzählt von Sonja Brunner (Claudia Michelsen), die das Geld ihrer kleinen Patchworkfamilie im Knast verdient. Ehemann Jens (Matthias Koeberlin) wartet auf seinen Durchbruch als Romanautor, Stieftocher Iris (Ruby M. Lichtenberg) befindet sich im Teenageralter. Mit dem kleinen Gehalt einer Justizvollzugsbeamten kann die Familie keine großen Sprünge machen. Als sich Sonja nach einer Geiselerfahrung in einen anderen Knast versetzen lässt, sucht die Traumatisierte dort menschlichen Beistand – auch unter den Gefangenen. Mit "Gefängnischecker" Walter (Torsten Michaelis) tauscht sie kleine Gefälligkeiten aus, zum mehrfachen Frauenmörder Robert Sturm (Charly Hübner) lässt sie eine irritierende Nähe zu. Plötzlich wird Michael Zeuner (Ralph Herforth), jener Mann, der sie am alten Arbeitsplatz als Geisel nahm, in Sonjas neue JVA verlegt.
Eine der größten Stärken des von Thomas Stiller ("Sie hat es verdient") geschriebenen und inszenierten ARD-Mittwochsdramas ist die Tatsache, dass man bei diesem Film nie weiß, in welche Richtung sich die Handlung weiterentwickelt. Das ist angenehm, weil selten im deutschen TV. Dabei erzeugen die meist leisen Bilder eine subtile Spannung.
"Die Beamten im Vollzug haben es besonders schwer, Nähe und Distanz zu regulieren", benennt Friederike Klose, Leiterin der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg, einen der Grundkonflikte in der Parallelgesellschaft Knast. Auch in Männer-JVAs sind rund 30 Prozent der Beamten weiblich, was deeskalierend wirken soll. Man hat schon szenisch rauere, "größere" Knastfilme gesehen. Trotzdem verfängt das NDR-Werk, auch wenn es in seinen Dialogen hin und wieder etwas pädagogisch, erklärend wirkt.
Das komplizierte Gefühlsspektrum und die daraus folgenden Nöte seiner Protagonisten gibt das NDR-Drama allerdings klug wider. Erst Anfang September gab es bei ARTE einen anderen, beachtlichen Film mit dem Schauplatz Knast bei ARTE zu sehen. Das hochgelobte, aber auch an der Grenze des erträglichen inszenierte "Sieben Stunden" mit Bibiana Beglau erzählte die Geschichte Susanne Preuskers, die als Gefängnispsychologin arbeitete und dort von einem Patienten überwältigt und vergewaltigt wurde. Preusker starb am 13. Februar 2018 durch Suizid. Von der Wucht der Gewalt im Knast und den menschlichen Abgründen der Eingeschlossenen – ob Gefangene oder Vollzugsbeamte – erzählt nun auch "Angst in meinem Kopf", ein jedoch fiktionalen Stoff.