Die Odyssee der Waisen, 1939-1949
01.04.2025 • 20:15 - 21:50 Uhr
Info, Geschichte
Lesermeinung
Die polnische Kultur, die man den Jugendlichen im Lager von Tengeru eingeflößt hat, ist traditionsverbunden und katholisch. Und der Kommunismus gilt demnach als eine Inkarnation des Teufels.
Vergrößern
Nachdem die Kinder in die Sowjetunion verschleppt wurden, versuchte man ihnen in den Schulen die baltische oder polnische Kultur auszutreiben.
Vergrößern
Um zu entscheiden, ob die Kinder der Lebensborn-Heime trotz des Makels, einen deutschen Vater zu haben, zu guten Norwegern heranwachsen könnten, wird eigens eine Kommission gegründet.
Vergrößern
In den Lagern von General Władysław Anders in Kasachstan sind die Soldaten entsetzt über die erbärmliche Verfassung der polnischen Kinder.
Vergrößern
Originaltitel
La fabrique des orphelins, 1939-1949
Produktionsland
F
Produktionsdatum
2024
Altersfreigabe
12+
Info, Geschichte

Terror, Pflicht und Nächstenliebe

Von Wilfried Geldner

Hunderttausende Polen wurden während des Zweiten Weltkriegs evakuiert, verschleppt und umgesiedelt – eine ebenso tragische wie komplizierte Geschichte, die an den Rändern des Krieges spielt und in Vergessenheit geriet. Kinder wurden zu Waisen, ihre Eltern starben auf dem Transport. Eine ARTE-Doku erzählt nun davon.

Mit dem Dokumentarfilm "Die Odyssee der Waisen – 1939 – 1949" über die Vertreibung der Polen und der Evakuierung unter Stalin im Zweiten Weltkrieg eröffnet ARTE einen Schwerpunkt über "Menschen und ihre Schicksale im Zweiten Weltkrieg". Drei Filme widmen sich – aus heutiger Sicht – Randereignissen der Katastrophe. Neben dem polnischen Drama unter besonderer Berücksichtigung des Schicksals der polnischen Kinder geht der Abend im Film "Der Fall des Leon K." (beide ARTE F) dem Leben eines Gefangenen nach, der von den Nazis aus Frankreich in ein KZ im Osten deportiert werden sollte. "Das Tagebuch des Abbée Stock" (NDR, ARTE) widmet sich dem deutschen Militärpfarrer Franz Stock, der als bereits in Paris lebender Zivilpfarrer nach dem Einmarsch der Deutschen zu der zweifelhaften Ehre kam, zahlreichen Hinrichtungen von Widerstandskämpfern und Geiseln im besetzten Paris beizuwohnen und den Todgeweihten Trost zu spenden.

"Sein Tagebuch hat mich ein wenig enttäuscht, muss ich sagen, weil er sehr wenig über das eigentliche Drama des Nationalsozialismus spricht", urteilt Jahrzehnte danach der Bischof von Nanterre, Matthieu Rougé, über Stocks knapp gehaltene Aufzeichnungen – letzte Mitteilungen und karge Namen, aber auch die nicht immer. Nach dem Krieg setzten ihm die Franzosen ein Denkmal. Einen unter vielen konnte er retten, anderen beistehen in ihrer letzten Stunde, gespalten zwischen Pflicht und Nächstenliebe.

Während die Bilder aus dem besetzten Paris nicht zuletzt zusammen mit den aufschlussreichen Erklärungen französischer Historiker eine unmittelbare Nähe heraufbeschwören, setzt sich "Die Odyssee der Waisen" sehr historisierend mit der Geschichte der nach dem Hitler-Stalin-Pakt verschleppten Polen auseinander.

Fasziniert von der Natur Afrikas und der üppigen Vegetation

Für das Schicksal der 123 polnischen Kriegswaisen, die am 07. September 1949 einigermaßen glücklich in Halifax landeten, ist das Wort Odyssee sicher nicht zu groß. Sie wurden einst unter Hitler und (vor allem) Stalin als Kinder aus ihrer Heimat deportiert, kamen mit den Eltern in Arbeitslager in den Norden, Osten und Süden der Sowjetunion. Viele der Erwachsenen verhungerten oder erfroren auf dem Transport, die Kinder arbeiteten auf den Feldern mit oder mussten betteln. Als Hitler 1941 Stalin den Krieg erklärte, brauchte der Soldaten, die er sich von einer polnischen Exilarmee erhoffte. Wegen Versorgungsmangels wurden die Angehörigen der Soldaten von den befreundeten Briten später in den Iran deportiert und dort von Wohlfahrtsorganisationen betreut. Es gab Unterricht in polnischer Sprache und Freizeitaktivitäten, "ein erstes Aufatmen", heißt es im Film.

Doch die Odyssee ging weiter, die befreundeten Briten suchten nach neuen Quartieren auf ihren Gebieten. Neben Indien, Australien und anderen Ländern des Commonwealth kamen viele nach Afrika – nach Kenia, Uganda, Tansania. Dort gab es eine "polnische Kleinstadt" mit 5.000 Einwohnern, die in strohgedeckten Rundhütten lebten. Die Schulbücher kamen aus London, "die Kinder sind fasziniert von der Natur Afrikas, der üppigen Vegetation und den exotischen Tieren", heißt es nachträglich geradezu überschwänglich im Film. Im Rückblick muss das alles wie ein faszinierendes Abenteuer wirken. Mancher Nachkomme der einst Geflüchteten ist denn auch nicht wenig darüber überrascht, woher seine Vorfahren, die späteren Kanadier, eigentlich kamen.

Die Odyssee der Waisen – 1939 – 1949 – Di. 01.04. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das beste aus dem magazin

Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor.
Gesundheit

Adventszeit: Genießen mit gesunder Gelassenheit

Die Weihnachtszeit muss nicht ungesund sein. Mit ein paar einfachen Tipps kann man die Adventszeit genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Entscheidend ist, was man das ganze Jahr über macht.
Oliver Mommsen vor einem Weihnachtsbaum.
HALLO!

Oliver Mommsen über seine Rolle in "Eine fast perfekte Bescherung"

Im Weihnachtsfilm „Eine fast perfekte Bescherung“ müssen die Anwohner eines Berliner Viertels an Weihnachten ihre Wohnungen verlassen, weil eine Weltkriegsbombe entschärft wird. In einer Turnhalle findet sich eine bunt gemischte Truppe zusammen, die nun mit dieser Situation umgehen muss. Oliver Mommsen spielt Pfarrer Klaus Meier. Mit prisma hat er über den Film und über Weihnachten gesprochen
Carsten Henn lehnt an einer Wand.
HALLO!

Carsten Henn: „Wein ist ein bodenständiges Produkt“

Bestsellerautor Carsten Henn ist thematisch breit aufgestellt. Neben seinen Bestsellern wie „Der Buchspazierer“ und „Sonnenaufgang Nr. 5“ hat er sich einen Namen als Verfasser kulinarischer Kriminalromane gemacht. Da blitzte seine Liebe für den Wein schon hier und da auf. In seinem neuen Weinbuch schenkt der renommierte Weinjournalist und Weinbauer sein fundiertes fachliches Know-how nun einzigartig praktisch und unterhaltsam ein: Mit 66 wohldosierten und klug ausgewählten Fragen nimmt er seine Leser in „Simply Wine“, erschienen bei ZS, mit in die Welt des Weins. prisma hat mit ihm über sein neues Buch gesprochen.
Doc Julia Fischer
Gesundheit

Wenn der Harndrang zum Rätsel wird

Ständiger Harndrang, Schmerzen, keine klare Diagnose: Wenn die Blase Probleme macht, beginnt oft eine jahrelange Suche nach Ursachen. Warum Ärzte manchmal ratlos sind und was hilft, wenn Beschwerden chronisch werden.
Eine Grafik mit Händen zum Thema Aids.
Gesundheit

Aidshilfen rufen zu Solidarität auf

Der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember macht seit 1988 auf HIV und Aids aufmerksam. Mit dem Motto "Gemeinsam. Gerade jetzt." rufen deutsche Organisationen zu Solidarität auf.
Markus Oelze mit rosa Hemd
Gesundheit

Wechselwirkungen mit Medikamenten: Vorsicht bei diesen Lebensmitteln

Ein Apotheker erklärt, welche Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und Medikamenten zu beachten sind. Besonders Milch, Alkohol und Grapefruitsaft können problematisch sein.