Was geschieht, wenn aus dem Schmerz der Ablehnung Wut wird? Hazal, geboren in Deutschland, findet trotz aller Bemühungen keinen Job. Das ständige Gefühl, nicht dazuzugehören, wächst in ihr. Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Frau und zeigt, wie Wut ein Leben radikal verändern kann.
Wie kann Integration gelingen, wenn selbst die Autokorrektur deinen Namen rot unterstreicht? Wie soll man leben, wenn man einfach nicht dazugehört? – Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Romanverfilmung "Ellbogen". Es ist ein Film, der radikal, schmerzhaft und zugleich nahbar erzählt, wie es ist, zwischen allen Stühlen zu sitzen und auf seine Chance im Leben zu warten. Im Zentrum des Geschehens steht Hazal (Melia Kara), eine 17-jährige Berlinerin mit türkischen Wurzeln. Sie ist Deutsche, aber sie fühlt sich nicht wie eine. Trotz unzähliger Bewerbungen wird sie nie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Als sie endlich eine Chance wittert, lautet das Versprechen: "Wir sind ein ganz tolles Multikulturelles-Team." Doch am Ende bleibt nur das Angebot für ein Praktikum und das Gefühl, wieder einmal nicht dazuzugehören.
Die Wut wächst. Noch deutlicher wird sie, als Hazal in einem Drogeriemarkt zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt wird. "Hier in Deutschland gibt es Regeln. Wenn du vorhast zu bleiben, dann solltest du diese so schnell wie möglich lernen", sagt der Sicherheitsmann und hält dabei ihren deutschen Ausweis in die Höhe. Eine Szene, die bitterer kaum sein könnte.
Auch privat bleibt ihr Anerkennung verwehrt. An ihrem 18. Geburtstag wird sie mit ihren Freundinnen Elma (Jamila Bagdach, M.) und Gül (Asya Utku) am Club abgewiesen. "Heute nur Stammgäste", erklärt der Türsteher. Was für viele eine harmlose Absage wäre, wird für Hazal zum Symbol einer dauerhaften Ablehnung. "Was willst du denn feiern? Dass wir scheiß Opfer sind?", bricht es schließlich aus ihr heraus. Als die drei Freundinnen später an der U-Bahn-Station von einem Mann bedrängt werden, eskaliert die Lage. Hazals Frust und Ohnmacht entladen sich in Gewalt.
Die Flucht nach Istanbul soll ein Neuanfang sein. Dort wartet Mehmet, den sie online kennengelernt hat. Doch auch in der Türkei bleibt Hazal eine Fremde. Im Club wird sie zwar eingelassen, doch wirklich ankommen kann sie nicht. Für die einen ist sie die Deutsche, für die anderen die Türkin. In dieser Zwischenwelt verliert sich die Hoffnung auf Zugehörigkeit.
Regisseurin Aslı Özarslan gelingt mit "Ellbogen" ein kompromissloser Blick auf eine Generation, die zwischen den Kulturen gefangen ist und deren Identität oft auf Ablehnung stößt. Der Film zeigt nicht nur Hazals Wut, sondern auch die der Gesellschaft, die sie formt – ein Spiegel von Ausgrenzung und Frustration.
Besonders beeindruckend ist Melia Kara in der Hauptrolle. Ohne Schauspielausbildung, aber mit einer umso wuchtigeren Präsenz, verkörpert sie Hazals Zerrissenheit so intensiv, dass man sich der Figur kaum entziehen kann.
"Ellbogen" ist kein leichter Film. Er stellt Fragen, die wehtun: Wo gehört man hin, wenn man überall fremd ist? Und wie lange lässt sich Zurückweisung aushalten, bevor sie in Wut umschlägt? Fatma Aydemirs Roman hat mit dieser Adaption eine filmische Umsetzung gefunden, die provoziert und zugleich berührt. Am Freitag, 17. Oktober, ist "Ellbogen" bereits in der ZDF-Mediathek zu sehen.
Ellbogen – Mo. 20.10. – ZDF: 00.25 Uhr