Nette Macke oder schlimmer Makel? "Genug gesagt" ist eine feinsinnige Liebeskomödie über menschliche Schwächen und Unsicherheiten.
Was sagt es über den Charakter eines Menschen aus, wenn er kein Nachttischschränkchen besitzt? Ist das einfach nur eine liebenswerte Macke oder doch ein Zeichen für fehlenden Ordnungssinn – ja vielleicht sogar für tieferliegende persönliche Schwächen? Zugegeben: Auf den ersten Blick wirken diese Fragen etwas neurotisch. Doch Regisseurin und Drehbuchautorin Nicole Holofcener ("Freunde mit Geld") nimmt sie ernst. Mit Recht. Denn letztlich können es solche scheinbaren Nichtigkeiten sein, an denen eine neue Beziehung scheitert. Wie die beiden Endvierziger Eva (Julia Louis-Dreyfus) und Albert (James Gandolfini) mit diesen kleinen, großen Stolpersteinen umgehen, zeigt "Genug gesagt" (2013), eine romantische Liebeskomödie, der das ZDF im Nachmittagsprogramm ihre Free-TV-Premiere beschert, mit Feinsinn und Tiefgang.
Geschieden, Single, alleinerziehend: Für Eva alles kein Grund zur Verzweiflung. Sie liebt ihren Beruf als selbstständige Masseurin und ihre Tochter Ellen (Tracey Fairaway). Allerdings graust ihr bei der Vorstellung, dass jene kurz davor steht, zu Hause auszuziehen und aufs College zu gehen. Denn was dann? Bei einer Party lernt sie Albert kennen ... und schnell lieben. Beide teilen das gleiche Schicksal – er ist ebenfalls geschieden und Vater einer Teenagertochter – und die Vorliebe für trockenen Humor. Und auch bald eine gemeinsame Bekannte: Sie freundet sich mit ihrer Kundin Marianne (Catherine Keener) an. Die schöngeistige Dichterin ist, wie Eva bald herausfindet, Alberts Ex-Frau. Sie gerät ins Zweifeln, ob er wirklich der Richtige ist. Schließlich scheint er ein Mann mit zahlreichen Macken und Makeln zu sein, wie Marianne ihr – nichts von der aufkeimenden Beziehung wissend – ständig ungefragt erklärt.
Holofcener erzählt von den Verwirrungen und Verunsicherungen mit leisem und warmherzigem Witz. Und sie stellt – wie eingangs erwähnt – die richtigen Fragen: Wie geht man mit Verlustängsten um? Davor, dass die Tochter als engste Bezugsperson flügge wird? Sicher nicht, in dem man die Nähe von deren besten Freundin (wunderbar als altkluge Chloe: Tavi Gevinson) sucht. Aber ist es – bei aller Angst vor dem Alleinesein – überhaupt erstrebenswert, eine neue Partnerschaft einzugehen?
Dass "Genug gesagt" keine vorgefertigten Antworten darauf gibt, liegt auch an den beiden hervorragenden Hauptdarstellern, die ihren Figuren Tiefe verleihen. Louis-Dreyfus darf mit ihrem ganzen komödiantischen Talent Evas Unsicherheiten und Neurosen überspielen, Gandolfini glänzt als sympathischer Stoiker, dem jederzeit die ihm unterstellten Charakterschwächen zuzutrauen sind. Letzterer ist in dieser wunderbaren Komödie in einer seiner letzten Rollen zu sehen. Gandolfini, der mit der Rolle des Mafiabosses Tony Soprano in der TV-Serie "The Sopranos" berühmt wurde, verstarb im Juni 2013 im Alter von 51 Jahren an einem Herzinfarkt.