Jamel - Lauter Widerstand
01.02.2025 • 21:56 - 23:05 Uhr
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Veranstalterehepaar Birgit und Horst Lohmeyer auf der Bühne
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Der Regisseur Martin Groß.
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Cover-Grafik für den Dokumentarfilm „Jamel - lauter Widerstand“, v.l. Smudo von Die Fantastischen Vier, Veranstalterehepaar Birgit und Horst Lohmeyer, Musiker Olli Schulz
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Originaltitel
Jamel - lauter Widerstand
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2024
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Wie sich ein Ehepaar gegen die völkische Übermacht wehrt

Von Maximilian Haase

Ein kleines Dorf – und mittendrin ein Ehepaar, das seit Jahren von den völkischen Nachbarn angefeindet wird. Der Dokumentarfilm "Jamel – Lauter Widerstand" erzählt, wie die Lohmeyers mit einem prominent besetzten Musikfestival der rechtsradikalen Hegemonie entgegentreten.

Ein kleiner Ort in Nordwestmecklenburg schafft es regelmäßig in die großen Medien der Republik. Das von nur 38 Menschen bewohnte Jamel gilt als "Nazi-Dorf", seit sich in den 90er-Jahren zahlreiche Rechtsextreme hier bewusst niederließen. Mit völkischer Propaganda, Rechtsrockkonzerten und unter Bedrohung Andersdenkender schufen sie ein Klima der Angst. Und doch beugten sich nicht alle Einwohner der rechten Hegemonie: Birgit und Horst Lohmeyer, 2004 aus Hamburg-St.Pauli aufs Land gezogen, wehren sich seit Jahren gegen die Anfeindungen, die ihnen von Beginn an entgegenschlugen. Wie es das Künstler-Ehepaar alltäglich inmitten der neonazistischen Nachbarschaft aushält und wie es mit einem prominent besetzten Musikfestival bundesweit Aufmerksamkeit für die Lage schuf, zeigt der eindrückliche Dokumentarfilm "Jamel – Lauter Widerstand", der nach der Premiere im Ersten nun auch bei 3sat läuft.

Sie hatten das ruhige Landleben gesucht – und stießen auf eine ihnen teils feindlich gesinnte Bürgerschaft. "Dorfgemeinschaft Jamel, frei – sozial – national" – so prangte es im Dorf lange als Motto an prominenter Stelle, NS-Propaganda überall, "Sieg Heil"-Rufe als Normalität. Bald nach ihrem Umzug, der sie vor 20 Jahren ohne Wissen der lokalen Situation in den Ort führte, wurde den Lohmeyers einiges klar: Mit Jamel hätten sie "tief in die Scheiße" gegriffen, berichtet das Ehepaar in der Doku von Filmemacher Martin Groß, der die beiden seit 2015 mit der Kamera begleitet hat. Bleiben wollten sie dennoch. Und sie sagen: "Wir haben von Anfang an begriffen, dass uns die Öffentlichkeit nur schützen kann." Schnell war die Idee für das Musikfestival "Jamel rockt den Förster" geboren, das seit 2007 jährlich stattfindet und inzwischen nicht nur 3.000 Besucherinnen und Besucher zählt, sondern von den Fantastischen Vier bis zu den Toten Hosen auch mit jeder Menge musikalischer Prominenz für Schlagzeilen sorgt.

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Smudo: "Ich kann mir nicht vorstellen, hier zu leben"

"Ich kann mir nicht vorstellen, hier zu leben", gesteht Fanta-4-Star Smudo, den das Filmteam auf dem Weg nach Jamel begleitet. und der neben zahlreichen weiteren prominente Kollegen zu Wort kommt, von denen die Lohmeyers Unterstützung erhalten. "Manchmal hilft eben nur Solidarität", bestätigt Kraftklub-Sänger Felix Kummer. Dass diese bitter nötig ist, zeigte sich 2015, als die Scheune der Lohmeyers nach einem Brandanschlag niederbrannte. "Keine Sekunde" habe man nach dem Angriff ans Aufgeben gedacht, berichtet das Ehepaar, dessen Mut und Hartnäckigkeit den gesamten Film über immer wieder beeindruckt. Nach dem Anschlag entschlossen sich die Toten Hosen kurzerhand, als Überraschungsact vorbeizuschauen. Von nun an startete das zuvor regionale antifaschistische Festival richtig durch; plötzlich waren Jamel und die bedrohliche Lage im Dorf bundesweit auf der Agenda. In den Jahren darauf folgten große Acts wie die Beatsteaks, Die Ärzte, Grönemeyer und viele mehr.

Filmemacher Groß hat in seinem mal nachdenklichen, mal enthusiasischen Film die immer weiter anschwellende Welle der Unterstützung dokumentiert, die Organisation und Planung des Festivals, den Auf- und Abbau, die beiden Tage voller antifaschistischen Engagements. Er sprach mit Musikern wie Campino, Olli Schulz und Bela B, der mit seiner Band Die Ärzte einmal vorbeischaute, nur um den Anti-Nazi-Hit "Schrei nach Liebe" zu spielen. Überhaupt zehrt die Doku von mitreißenden Live-Impressionen aus den jüngsten Festival-Jahren, von Eindrücken des Publikums und Einblicken in die Arbeit des Orga-Teams.

Immer wieder Provokationen

Dokumentiert werden aber auch die Versuche der örtlichen Neonazis und mancher Politiker, das Festival zu verhindern. Immer wieder kommt es zu Provokationen; aufgestochene Reifen und mit Nazisymbolen beschmierte Festivalzäune gehören zur Normalität. Denn so wichtig das Zeichen ist, das jährlich in Jamel gesetzt wird, so bitter ist die Erkenntnis: Wenn alle abgereist sind, sitzen die Lohmeyers wieder allein in ihrem Landhaus, umgeben von Neonazis. Wer jene völkisch denkenden Menschen eigentlich sind, versucht der Film in vorsichtiger Annäherung herauszufinden. Bisweilen tauchen sie auf, Männer mit Glatzen, stämmige Typen auf Quadbikes. Doch die Versuche, mit den ansässigen Neonazis zu reden, scheitern.

Dabei ist die unbedingt sehenswerte ARD-Doku keineswegs sensationsheischend. Der Film bedient sich zwar der zahlreichen Beiträge aus dem Archiv, um die schon öfter erzählte Geschichte der Lohmeyers in Jamel zu dokumentieren. Meist findet die Doku aber einen ruhigeren Zugang. Sie beobachtet, hinterfragt, berichtet. Und klärt zugleich mithilfe von Experten auf: darüber etwa, dass Jamel wohl kein Ausnahmefall sei. Die völkische Besiedlung sei Teil einer rechtsextremen Strategie. Es gibt in Deutschland "viele Jamels", heißt es an einer Stelle. Wie man derlei völkischer Übermacht von Neonazis begegnen kann und wieviel Mut und Engagement dies erfordert, zeigt dieser Film.

Jamel – Lauter Widerstand – Sa. 01.02. – 3sat: 21.55 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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