Die meisten kennen den sommersprossigen, frechen Rotschopf aus Paul Maars Kinder-Geschichten. Hinter dem "Sams" verbirgt sich jedoch noch eine ganze andere Geschichte. Der Autor, der 85 Jahre alt wird, blickt in der BR-Reihe "Lebenslinien" auf seine turbulente Karriere zurück.
Eine fiktive Gestalt als Gegenteil zur Persönlichkeit ihres Schöpfers? Paul Maar, der am 13. Dezember 85 Jahre alt wird, erschuf zu Beginn der 70er-Jahre das kultige "Sams", ein freches Wesen, das die Kindheit vieler prägte und Kultstatus erlangte. Maar selbst, gebürtiger Schweinfurter, war indes ein schüchterner Mensch. Eher wie jener Herr Taschenbier, der in "Eine Woche voller Samstage" (1973) zufällig auf das merkwürdige Wesen trifft. "Während das Sams immer kindlich menschlicher wird, wird Herr Taschenbier immer kindlich freier", erklärt Maar. Sie bewegen sich also aufeinander zu. Der Autor reflektiert: "Das Sams lebt das aus, was ich mir nicht zutraue oder zugetraut habe." Die BR-Dokumentation "Paul Maar – Das Sams und ich" aus der Montagsreihe "Lebenslinien" betrachtet die Verbindung zwischen Fiktion und Realität in der Welt des Erfolgsautors Paul Maar näher. Für ihr Porträt tauchen die Filmemacherinnen Maike Conway und Kim Koch tief in seine Lebensgeschichte ein.
Der Schriftsteller blickt auf eine nicht immer einfache Kindheit zurück. Nach dem frühen Tod seiner Mutter kurz nach seiner Geburt heiratete sein Vater erneut. Die glückliche Familie schien komplett. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg und veränderte auch das Leben des künstlerisch begabten Jungen. "Da kam ein ganz anderer Mann den Bahnsteig herunter", erinnert sich Maar an die Heimkehr seines Vaters aus der Kriegsgefangenschaft nüchtern. Unter seinem Regime wurde das einst fröhliche Kind zum verschüchterten Jugendlichen, der sich nur allzu häufig in die Welt der Bücher flüchtete und obsessiv zu malen begann. Der Film gewährt emotionale Einblicke in die Anfänge seiner Karriere – es sind die Schattenseiten seiner Jugend.
Nachdem Paul Maar eine Klasse wiederholen musste, änderte sich alles: "Durch die neue Klasse, die neuen Freunde, bekam ich ein sehr gesundes Selbstbewusstsein", sagt Maar heute. "Ich wusste, ich kann was." Damals begegnete er auch der Liebe seines Lebens: Nele Ballhaus. Sie und ihre Eltern, die das Fränkische Theater leiteten, öffneten ihm die Tür zur Welt der Kunst und Kultur. Das Porträt zeichnet den Alltag eines modernen, gleichgestellten Paares zur damaligen Zeit nach – mit allen Höhen und Tiefen. Mit Anfang 20 kam das erste von insgesamt drei Kindern zur Welt.
Permanent im Fokus des Films: die ebenso kühle wie verkorkste Beziehung zwischen Paul Maar und seinem Vater – und damit sein eigener innerer Kampf, "ein Lavieren zwischen dem Gefühl, schreiben zu wollen und der Verantwortung, mich um die Kinder kümmern zu müssen."
Heute hat der Erfolgsautor, nach der Veröffentlichung von rund 60 Büchern und mehr als 20 Theaterstücken, einen ganz anderen Kampf zu führen: Seine Frau, Nele, leidet an Alzheimer. "Meine größte Angst ist, dass ich vor Nele sterbe und sie dann ganz alleine ist", flüstert Maar unter Tränen.
Lebenslinien: Paul Maar – Das Sams und ich – Mo. 12.12. – BR: 22.00 Uhr