Der neue "Polizeiruf" aus Magdeburg macht da weiter, wo der letzte Film aufgehört hat: Noch immer können sich Brasch und Köhler nicht leiden. Ein spannender Krimi geht anders ...
"Du Idiot, hör auf mit der Scheiße!" – Hätte man, vor 20 oder 30 Jahren, einen Fernsehermittler wie Schimanski zur Supervision geschickt, er hätte wohl so oder so ähnlich reagiert. Heute, im Jahr 2018, geht es im TV-Krimi hingegen kaum noch ohne ausführlich betriebene Nabelschau, gern mit Unterstützung irgendwelcher Psycho-Onkels. Im Magdeburger "Polizeiruf"-Revier, wo Doreen Brasch (Claudia Michelsen) jetzt zum dritten Mal zusammen mit ihrem eigentlich gar nicht mehr so neuen Partner Dirk Köhler (Matthias Matschke) ermittelt, gehört das selbstbezogene Herumanalysieren seit Mitte 2016 quasi zum Markenkern. In "Starke Schultern" wird gar dermaßen viel an den verletzlichen Ermittlerseelen herumgedoktort, dass der Fall vor lauter Gequassel völlig absäuft. Was allerdings auch schon fast egal ist.
Los geht's mit einem Typen, dem ein Schimanski wohl gepflegt in die Eier getreten hätte. René Ottmann (Thomas Loibl) sitzt hustend vor seinem Haus, mit Müh' und Not ist er einem Brandanschlag entkommen. Doch großspurig daherreden kann er noch immer: "Erfolgreiche Leute haben immer Neider", erklärt er den Kommissaren Brasch und Köhler. Gefragt, was er denn beruflich mache, bellt er nur: "Ich mache alles, was groß ist!" Soll heißen: Der Kotzbrocken ist Bauunternehmer, und das ziemlich erfolgreich. Dass so einer viele Neider hat – klar. Und dass folglich die Tatverdächtigen Schlange stehen – man kennt das. Die Ermittler gehen dennoch streng nach Lehrbuch vor, eigentlich längst für ausgestorben gehaltene Phrasen wie "Haben Sie Feinde?" inklusive.
Ja, Feinde hat er. Da ist der Sohn eines Konkurrenten, dessen Unternehmen von Ottmann aufgekauft wurde; der Sprössling sieht sich nun ums Erbe gebracht. Bei der Übernahme haben außerdem mehr Mitarbeiter als ursprünglich versprochen ihren Job verloren. Einer von ihnen, Uwe Schneider (David Korbmann), ist nach einer Messerattacke auf Ottmann natürlich besonders verdächtig. Als Köhler ihn mit aufs Revier nehmen will, entwendet der ihm die Tatwaffe. Zurück bleibt ein bis auf die Knochen blamierter Ermittler. Dabei hatte Köhler, man erinnere sich, seit seinem ersten Tag an Braschs Seite keinen leichten Stand. Sie, die hitzige Polizistin auf dem schnellen Motorrad, für die das Wort Sozialkompetenz nach ansteckender Krankheit klingt, hat noch nie viel anfangen können mit dem ruhigen, nachdenklichen Typen, der ihr nach dem Abgang von Jochen Drexler (gespielt von Sylvester Groth) vom Drehbuch an die Seite geschrieben wurde.
Folglich geht ein großer Teil dieser 90 Filmminuten (Regie: Maris Pfeiffer) fürs Zwischenmenschliche drauf, das hier vor allem im Analysieren der vermeintlichen Schwächen des anderen besteht. Dass der Fall, um den es eigentlich geht, am Ende tatsächlich gelöst wird – man hält es zwischenzeitlich kaum mehr für möglich. "Keine Alleingänge! Wir sind ein Team!", versucht Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler) gar, seine Ermittler auf gemeinsame Linie zu bringen – und fällt prompt um vor Wut. Ein herbeigerufener Psychologe – Stichwort: Supervision! – muss das Schlamassel lösen. Als Zuschauer steht man einigermaßen gelangweilt vor diesem enervierenden Dauergezanke und wünscht sich nichts sehnlicher als die Engelsgeduld eines Dirk Köhler.
Interessant wird "Starke Schultern" dann aber doch noch für einen Moment. Ottmann hatte nämlich eine Affäre mit der Schwester seiner verstorbenen Frau. Und nicht nur das: Seine Schwägerin muss sich beim Sex, der nicht ganz freiwillig vonstattengeht, auch noch beim Namen ihrer toten Schwester rufen lassen. Das hätte Potenzial für einen intelligenten Psychothriller – wenn man sich nur nicht ständig in einer von Klaviergeklimper begleiteten Therapiesitzung wähnen würde. Ausgedacht hat sich diesen Langweiler von einem Film übrigens Josef Rusnak. Kaum zu glauben: 1997 hat der Autor und Regisseur tatsächlich mal einen "Schimanski" gedreht. Aber das ist eben schon sehr lange her.