Gerade für Populisten sind sie ein sehr wirksames Instrument: die sozialen Medien. Durch gezielt lancierte Falschmeldungen wurden sie zur "Propagandamaschine Social Media". Und das international. Im Rahmen eines Themenabends blickt ARTE hinter die Kulissen heikel versponnener Lügennetze.
"Auf der ganzen Welt appellieren heute Demagogen an unsere schlimmsten Instinkte. Verschwörungstheorien, die einst auf den Rand beschränkt waren, werden zum Mainstream. Es ist, als ob das Zeitalter der Vernunft – die Ära des Beweisarguments – zu Ende geht. Das Wissen wird delegitimiert und der wissenschaftliche Konsens wird verworfen", erklärte der britische Comedian Sacha Baron Cohen und fuhr fort: "Die Demokratie, die von gemeinsamen Wahrheiten abhängt, befindet sich im Rückzug, und die Autokratie, die von gemeinsamen Lügen lebt, ist auf dem Vormarsch. Hassdelikte nehmen zu, ebenso wie mörderische Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten. Was haben all diese gefährlichen Trends gemeinsam? Ich bin nur ein Komiker und Schauspieler, kein Gelehrter. Aber eines ist mir ziemlich klar: All dieser Hass und die Gewalt wird von einer Handvoll Internetfirmen gefördert, die die größte Propagandamaschine der Geschichte bilden."
So formulierte es Sacha Baron Cohen in einer viel beachteten Rede im November 2019 in New York zur Verantwortung der sozialen Netzwerke. Den Chefs der großen Tech-Konzerne gehe es mehr darum, ihren Aktienkurs anzuheben, als die Demokratie zu schützen, so ein weiterer Vorwurf. Namentlich nannte Cohen "Facebook, YouTube, Google, Twitter und andere". Der Comedian: "Sie erreichen Milliarden von Menschen. Die Algorithmen, von denen diese Plattformen abhängen, verstärken bewusst die Art der Inhalte, die die Nutzer am Ball halten."
Ganz gewiss, die von Cohen so hart angegangenen Tech-Firmen mussten zuletzt einiges an Kritik einstecken. Dabei jedoch fing vieles doch so vielversprechend an. Nur vor 15 Jahren noch lobten demokratisch gewählte Politiker aller Länder begeistert die sozialen Medien – für ihre Rolle bei Revolutionen und Befreiungsbewegungen rund um die Welt. 2011 folgte der Arabische Frühling. Eine neue Überzeugung brach sich Bahn: Je mehr Information frei zugänglich sei, desto bewusster könnten sich Bürger entscheiden und Völker ihre Ketten sprengen. Dieser Glaube jedoch erwies sich als Irrtum, wie der Film der französischen Regisseure Alexandra Jousset und Philippe Lagnier zeigt. Bei ARTE ist "Propagandamaschine Social Media" nun in Erstausstrahlung zu sehen. Der Sender strahlt die spannende Dokumentation im Rahmen eines Themenabends aus. Dieser steht unter dem Titel: "Fake News, Lügen, Propaganda – Die dunkle Seite der Politik".
In den USA war es Donald Trump, in Indien Premierminister Narendra Modi, in Brasilien Jair Bolsonaro und in Italien zumindest zwischenzeitlich Matteo Salvini als Innenminister, die es dank der neuen Informationstechnologien an die Macht schafften. Aufgedeckt wird, wie Informatiker, Meinungsforscher und Big-Data-Experten, die im Verborgenen wirken, am Computerbildschirm und mithilfe riesiger Datenbanken Schlachtpläne für Politiker erstellen. Um ihren Kandidaten zum Sieg zu verhelfen, schüren sie durch Mikro-Targeting und Online-Manipulation den Hass im Netz und heizen die Stimmung immer weiter auf. Nach 95 sehr interessanten Sendeminuten ist zu erkennen, wie die Informationsschwemme und die immer durchlässigeren Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge die Paradigmen der Politik weltweit veränderten.
Dass gezielte geschürte Lügen längst nicht nur in den sozialen Medien eingesetzt werden, zeigt das Beispiel von Tim Bell. Der britische Kommunikationsexperte stieg auf zu einem der wichtigsten PR-Berater weltweit. Das allerdings mit moralisch sehr fragwürdigen Methoden und beinahe schamlosen PR-Kampagnen, mit denen das Image von international in Verruf geratenen Politikern aufpoliert wurden. Die französische Dokumentation "Der Königsmacher: Mit den Waffen der Werbung" von Diana Neille und Richard Poplak zeigt ab 21.50 Uhr unter anderem am Beispiel Bells wie moderne Kommunikationsmittel – vom Fernsehen bis zu Social Media wie Twitter – in den letzten 40 Jahren für politische Zwecke genutzt wurden.
Der Themenabend bei ARTE schließt mit der Erstausstrahlung des Films "Die alte Neue Rechte" von Falko Korth ab 23.20 Uhr. Der Regisseur und Autor zeichnet die Kontinuität völkisch-nationalistischer Denktraditionen in Deutschland und Frankreich nach und zeigt, dass die heutigen "neuen" Rechten nicht aus dem Nichts heraus entstanden sind.
Propagandamaschine Social Media – Di. 05.10. – ARTE: 20.15 Uhr