Mit "T2" schafft Danny Boyle eine gelungene nostalgische Bewältigung der "Trainspotting"-Vergangenheit – für Protagonisten wie Zuschauer.
Das orange-weiße Poster mit dem dürren Heroin-Chic-Jüngling an der Wand; das begeisterte Nacherzählen der legendären Szene in der "dreckigsten Toilette Schottlands"; das eigenartige Fasziniertsein von kaputten Provinz-Typen: Jeder, der Mitte der 90-er im weitesten Sinne jung und filminteressiert war, verbindet derlei Erinnerungen mit "Trainspotting". Danny Boyles schottisches Drogen-Drama nach dem gleichnamigen Irvine-Welsh-Roman revolutionierte 1996 das Kino mit surreal-grotesken Ausflügen in die sozial abgehängte Welt einer Edinburgher Heroin-Clique. "Trainspotting" geriet zum Inbegriff eines "Kultfilms", seine von Boyle inszenierte Fortsetzung 20 Jahre später wurde daher ebenso herbeigesehnt wie befürchtet. Ein zeitkritisches Meisterwerk wie der Vorgänger ist "T2" nicht geworden. Dafür gerät das Wiedersehen mit Renton und Co., jetzt erstmals bei RTL im Free-TV zu sehen, zur lohnenswerten nostalgischen Vergangenheitsbewältigung.
Eigentlich hatte sich Mark Renton, der traurige Held aus dem ersten Teil, inzwischen einer bürgerlichen Existenz verschrieben – in Amsterdam, weit abseits des tristen Edinburgher Stadtteils Leith. Dorthin, wie sollte es anders sein, kehrt er in "T2" zwei Jahrzehnte später zurück – weil er seine Ehe in den Sand setzte, und auch weil ihn Schuldgefühle plagen. Teil eins endete schließlich damit, dass der junge Renton sich in London mit dem hart verdienten Drogengeld aus dem Staub machte.
Der Rausch der Jugendtage
Bald sind sie alle wieder beisammen, jene zugerichteten Figuren, bei denen man sich schon damals fragte, warum sie miteinander befreundet waren: Begbie (Robert Carlyle), der die gesamte Zeit im Knast saß und nun ausbricht; Spud (Ewen Bremner), der noch immer an der Nadel hängt, und Sick Boy (Jonny Lee Miller), der von der Erpressung reicher Fetisch-Freier lebt. Dass es Renton als Einziger "schaffte", wird ihm übel genommen und seine alten Wegbegleiter wollen sich an ihm rächen. Doch Renton bleibt. Um sich zu erinnern, um Dinge wieder gerade zu biegen, um im abgefuckten Rausch der Jugendtage zu schwelgen. Äußerlich mögen die Protagonisten gealtert sein – erwachsen sind sie lange nicht. Hängengeblieben in ihren Erinnerungen und beschäftigt mit der Verarbeitung von Geschehnissen, die nicht zu verarbeiten sind.
Boyle besucht in seinem Film die alten Orte und Gedanken, die dem Wandel der Zeit unterliegen: Sei es das verlassene Stamm-Pub, das Sick Boy nun in einen Puff umwandeln will, das berüchtigte Entzugs-Kinderzimmer oder der legendäre Monolog über das "Sag ja zum Leben", den Renton im Gespräch mit der neu eingeführten weiblichen Figur Nikki (Anjela Nedyalkova) auf die heutige Zeit aktualisiert und angenehm selbstironisch reinszeniert.
Doch "T2" geht einen Schritt weiter: Hin und wieder blitzen szenische Erinnerungen auf, echte Ausschnitte aus dem Vorgänger, die der Gegenwart gegenübergestellt werden. Dadurch, dass er das Original-"Trainspotting" mit Bildern von Drogenräuschen, Fluchtszenen, Schlägereien ins Gedächtnis ruft, entzieht sich Boyle auf kluge Weise einem Vergleich, der nicht zu gewinnen ist. Was man bei keinem Sequel sonst konstatieren würde, trifft auf "T2" zu: Diese Verdopplung hat es gebraucht. Nicht nur Renton, Begbie, Sick Boy und Spud mussten sich mal aussprechen. Auch als Zuschauer hat man das Gefühl, das unverarbeitete "Trainspotting"-Gefühl wiederbelebt und aus der Distanz noch einmal von allen Seiten betrachtet zu haben.