Tabletten gegen Depressionen - helfen Antidepressiva?
12.09.2022 • 23:05 - 23:50 Uhr
Gesundheit + Medizin, Dokumentation
Lesermeinung
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Originaltitel
Tabletten gegen Depressionen - helfen Antidepressiva?
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2022
Gesundheit + Medizin, Dokumentation

Mit Pillen aus der Depression?

Von Christopher Schmitt

Studien beweisen, dass die Wirksamkeit von Antidepressiva in vielen Fällen der von Placebos gleicht. Trotzdem werden immer mehr Tabletten eingenommen. Eine "Die Story im Ersten"-Reportage klärt auf: Können die umstrittenen Medikamente wirklich zur Heilung von Depressionen beitragen?

Die Enttabuisierung psychischer Krankheiten geht äußerst langsam, aber doch stetig voran. In den vergangenen Jahren wird das Thema Depression in der Öffentlichkeit zunehmend sichtbarer. Während es immer noch deutlich zu wenig Therapieplätze gibt, boomt das Geschäft mit Medikamenten, die Betroffenen helfen sollen. Jährlich verordnen Ärztinnen und Ärzte Antidepressiva in einer Menge, mit der 80 Millionen Einwohner in Deutschland für über einen halben Monat versorgt werden könnten. Dabei fand eine groß angelegte Studie bereits 2008 heraus, dass die Wirksamkeit der Medikamente nur wenig über der von Placebos liegt. Die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten amerikanischen Studie besagen, dass nur etwa 15 Prozent der Erkrankten wirklich von Antidepressiva profitieren, bei 85 Prozent hingegen würden die Tabletten nicht mehr helfen als Placebos.

Zwangsläufig drängt sich die Frage auf, ob es sich bei Antidepressiva wirklich um die richtigen Heilmittel handelt, um eine erkrankte Psyche zu kurieren. Im Rahmen der Reportage-Reihe "Die Story im Ersten" geht "Tabletten gegen Depressionen – helfen Antidepressiva?" dieser Frage nach. Der Film von Ulf Eberle ergründet zudem, wie die umstrittenen Pillen so erfolgreich werden konnten.

Die Funktionsweise der meisten Antidepressiva lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Pillen verändern den Spiegel bestimmter Botenstoffe im Gehirn, allen voran den Serotonin-Spiegel. Lange ging man davon aus, dass Depressionen die Folgen eines zu niedrigen Serotoninspiegels sind, inzwischen wurde die These jedoch widerlegt. Nach aktuellem Stand wissen Wissenschaftlerinnen und Ärzte bis heute nicht genau, was bei einer Depression im Gehirn vor sich geht.

Alles nur Schein? Die "klinische Erfahrung" spricht dagegen

Das heißt übrigens nicht, dass Betroffene sich durch die Tabletten nicht besser fühlen können. Die Protagonistin "Christine" bezeichnet Antidepressiva im Film als "treue Begleiter bei der Bewältigung meiner Depressionen" – seit vielen Jahren nimmt sie die Tabletten ein. Die 52-Jährige verlor durch ihre psychische Erkrankung ihren Job als Behördenleiterin, insgesamt siebenmal war sie in psychiatrischen Kliniken. Ihre Erfahrungen widersprechen den Studien-Ergebnissen: "Es ist mir egal, was Studien sagen, ich spüre, dass meine Medikamente wirken", lautet heute ihre Meinung.

Kein Einzelfall, aus der Praxis lassen sich öfters Erfolge vermelden: Auch für Professor Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe, sind Antidepressiva ein wirksames Mittel gegen die tückische Krankheit Depression. "Der Effekt von Antidepressiva zeigt sich im Versorgungsalltag", so Hegerl. "Da können sie beobachten, wie die Mittel wirken. Das ist meine klinische Erfahrung."

Experte: "Absetzprobleme werden bislang total unterschätzt"

Patientin Mary ist hingegen ein Beispiel dafür, wie die Einnahme der Medikamente nach hinten losgehen kann. "Sie haben mein Leben nicht verbessert, sondern erheblich verschlechtert", erklärt die 42-Jährige, die heute den Tag verflucht, als sie erstmals Antidepressiva nahm. Vor vier Jahren bereits begann Mary damit, die Tabletten in kleinen Schritten herunterzudosieren – doch ihr Körper wehrte sich dagegen. Professor Tom Bschor, der zu den führenden Antidepressiva-Experten in Deutschland gehört, erklärt: "Diese Absetzprobleme werden bislang total unterschätzt." Wenn Patientinnen und Patienten über längeren Zeitraum die Tabletten einnähmen, kämen sie nur noch schwer von ihnen los. Bschor vermutet hierin den Grund dafür, dass immer mehr Antidepressiva eingenommen werden.

Die Story im Ersten: Tabletten gegen Depressionen – helfen Antidepressiva? – Mo. 12.09. – ARD: 23.05 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das beste aus dem magazin

Eine junge Frau hat einen älteren Mann im Arm.
Gesundheit

Bis zum Ende begleiten: Kurse zur "Letzten Hilfe"

Letzte Hilfe Kurse vermitteln Angehörigen Wissen zur Begleitung Schwerkranker und Sterbender. Erfahrene Hospiz- und Palliativmitarbeiter thematisieren die Normalität des Sterbens und lindern das Leiden.
Dr. med. dent. Julia Thome ist Zahnärztin im Kölner Carree Dental. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind Funktionsdiagnostik/-therapie und Wurzelkanalbehandlungen.
Gesundheit

Zahnerosion: Mit dem Alter wächst das Risiko

Zahnerosion betrifft viele Menschen, insbesondere ältere. Säurehaltige Lebensmittel, Mundtrockenheit und Refluxkrankheit schädigen den Zahnschmelz. Was Betroffene wissen sollten.
Sebastian Lege mit 2 Kindern in der Küche.
HALLO!

Kantinenessen auf dem Prüfstand: Sebastian Lege über die neue Sendung "besseresser goes Schule"

Food-Experte und Star-Koch Sebastian Lege schaut sich für „besseresser goes Schule“ (ZDF) und „besseresser Kids – Lege packt’s an“ (KiKA) das Essen in deutschen Schulen an und gibt Verbesserungsvorschläge.
Susanne Donner in ihrer Apotheke.
Gesundheit

Welche Heilpflanzen helfen bei Schlafstörungen?

Immer mehr Menschen leiden unter Schlafstörungen. Doch pflanzliche Mittel wie Baldrian, Melisse und Lavendelöl bieten eine natürliche Lösung. Erfahren Sie, wie sie helfen können.
Eine Frau steht in einem Pool und schaut in die Ferne.
Reise

Reif für den Herbsturlaub

Nicht nur Schnäppchenjäger kommen im Herbsturlaub auf ihre Kosten. Das Reisen in den Monaten September und Oktober ist ausgesprochen beliebt. Hier sind einige Tipps.
Fedor Holz an einem Poker-Tisch.
HALLO!

Fedor Holz über seine Karriere und sein Buch "All In": "Es ist ein langer, intensiver Prozess"

Während seiner Profi-Karriere galt Fedor Holz als einer der besten Pokerspieler der Welt. Der 32-Jährige, der als German Wunderkind bezeichnet wurde, ist heutzutage ein erfolgreicher Unternehmer und jetzt auch Buchautor. Mit prisma hat er über seine Karriere und sein Buch gesprochen.