Franz Xaver Kroetz, einst "Baby Schimmerlos" in Dietls "Kir Royal" spielt in sechs Folgen den reisenden Amtsrichter Max Althammer, der einen Sinn für kleine Leute hat.
Mein Gott, ist das lange her, dass es im Fernsehen – ZDF übrigens – das "Königlich Bayerische Amtsgericht" gab. Franz Xaver Bogner, Kultregisseur und -autor seit der 68er-Serie "Irgendwie und sowieso" und der 147-teiligen Gerichtsserie "Café Meineid", versucht nun noch einmal das Unmögliche: die Heimatsehnsucht mit der Gerichtskomödie zu verbinden. In seiner sechsteiligen ZDF-Serie "Über Land" fährt Franz Xaver Kroetz ("Baby Schimmerlos") als ein aus dem Weltenbummler-Ruhestand zurückgekehrter Richter aus München ins oberbayerische Umland, um dort so vernunftbegabt wie einst der Königliche TV-Amtsgerichtsrat in skurrilen Fällen Recht zu sprechen. Zusammen mit den "Weißblaue Wintergeschichten", die gleich im Anschluss eine neue Runde drehen, ergibt sich ein unterhaltsames Programm für den Silvesternachmittag – mehr aber auch nicht.
Drei Jahre ist der Richter Althammer in der Welt herumgereist – und das, obwohl er kurz vor der Pensionierung steht. Sieht man Franz Xaver Kroetz, vormals wichtiger Links-Dichter und spätestens seit seiner Rolle als Baby Schimmerlos in "Kir Royal" berühmt, in Jeans und Lederjacke dem Münchner Justizpalast zustreben, wundert einen die spät gewählte Freizeit nicht. Mit viel Wut im Bauch gegen Bürokratie und bürgerliche Jurisprudenz, mag er überstürzt das Weite gesucht und dann verspätet gemerkt haben, dass die Pension fürs Alter nicht reicht.
Dass ihn die Frau Gerichtspräsidentin (Suzanne von Borsody) nach dem "bisserl Auszeit" allenfalls ein paar Amtsgerichtsfälle auf dem Lande zubilligen will, schluckt der Richter mit der Base-Cap zwar nur widerwillig. Doch er geht die späte neue Aufgabe mit einiger Seniorenpower an. Da er keinen Führerschein besitzt, muss er sich einen Fahrer suchen. Er findet ihn in einer alten Bekannten. Frieda (Maria Simon) wird als früherer DDR-Punk vorgestellt, der dem Herrn Richter auf verschlungenen Pfaden den Freispruch vom Drogenmissbrauch verdankt. Dass das fast so lange her sein muss wie die Zeiten des Königlich Bayerischen Amtsgerichts, hat der geneigte Zuschauer einfach mal zu schlucken.
Klar jedoch, dass sich die Konstellation Ost-Chauffeuse und Bayern-Richter als recht ergiebig erweist. Dass es sich bei der Zwangsverpflichtung um eine perfide Art der Erpressung handelt, vergisst man beim säggs'sch-bayerischen Geplänkel schnell. Den Rest besorgt die schöne Citroen-Deesse als Kult-Vehikel. Und auch Hans-Jürgen Buchners (Haindling) Tuba-Boogie hilft beim gemächlichen Fortgang der weiß-blau karierten Geschichten kräftig mit.
Deren eine führt zu einem Bauernhof im Grünen, dessen durchaus tierfreundliche Besitzerin die Vermietung von Zuchttieren entdeckt hat. Ihr schöner Firmen-Slogan lautet wahlweise "Lease A Cow" oder "Rent A Huhn". Es funktioniere prächtig, so behauptet sie. Kindergärten und Pflegeheime hätten bereits angefragt. Blöd nur, dass ein selbst ernannter Tierschützer etwas dagegen hat. Weil er der Tiervermieterin recht eigentlich deren Landbesitz nehmen will, hat er einfach mal ihre Viecher freigelassen – und nun eine Klage am Hals.
Kroetz als fahrender Amtsrichter meistert mitmilfe seiner detektivisch eingesetzten Fahrerin trefflich den folgenden Prozess. Und auch einen anderen Fall, den eines Diebes, der aus dem Supermarkt mit drei 40-Watt-Glühbirnen entwichen ist, hat er durchaus im Griff. Der arme Mann (Gerd Lohmeyer) ist einer falsch verstandenen Werbeaktion aufgesessen. Dass er als Vorsitzender des örtlichen Heimatvereins seinen Posten verlöre, ist ebenso brisant wie bezeichnend: Heimat soll und darf sein.
Als gestrenger Amtsrichter macht Kroetz seine Sache durchaus gut, die Verwandlung vom Alt-68er Weltenbummler zum gewandten Amtsgerichts-Rabulisten ist verblüffend, da scheint die alte Kroetz-Wut durch. Ansonsten funktioniert das Court-TV aus Bayern eher etwas schleppend. An Silvester- und Feiertagsnachmittagen aber darf so etwas gerne sein. Weitere Folgen sind am Samstag, 06. Januar, und Sonntag, 04. Februar, im Programm.
Gleichfalls bayrisch geht es an Silvester in zwei "Weißblauen Wintergeschichten" im ZDF um 19.25 und um 19.50 Uhr weiter: In "Sophies Hütte" lernen ein Textilunternehmer und ein Kaufhausmagnat das einfache Leben kennen. Und in "Engel auf Abwegen" wollen drei entlassene Strafgefangene in den Knast zurück, weil sie entdecken, dass sie keinen Schlafplatz mehr haben. Sie stoßen dabei auf die Mutter eines erfolglosen Polizisten und machen mit ihr gemeinsame Sache.