Wackersdorf
10.06.2023 • 22:00 - 23:55 Uhr
Spielfilm, Drama
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Originaltitel
Wackersdorf
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2018
Altersfreigabe
6+
Kinostart
Do., 20. September 2018
Spielfilm, Drama

Alles für die Heimat

Von Andreas Fischer

Auf eine strahlende Zukunft wollten die Menschen in der Oberpfalz gerne verzichten: "Wackersdorf" erzählt klug, differenziert und äußerst spannend von den Atomprotesten, die in den 1980er-Jahren zu bürgerkriegsähnlichen Szenen in Nordbayern führten.

Der Begriff Heimat spielt in "Wackersdorf" die zentrale Rolle. Allerdings wird er anders genutzt, als er politisch meist propagiert wird. Vor allem rechts von der Mitte gilt Heimat ja als Trutzburg, die mit allen Mitteln verteidigt werden muss. Für die Menschen freilich ist Heimat dort, wo sie leben, und zwar miteinander. Auch sie sind bereit, die Heimat zu verteidigen, nicht aus politischem Kalkül, sondern weil sie ihnen am Herzen liegt – egal, ob sie links-alternativ sind oder katholisch-konservativ, ob sie SPD wählen oder die CSU, ob sie Rentner sind, Professor oder Pfarrer. Im Protest gegen die nukleare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf sind sie alle gleich. Regisseur Oliver Haffner erzählt davon in dem vortrefflichen gleichnamigen Kinofilm aus dem Jahr 2018, der die Realität nur leicht fiktionalisiert und jetzt im BR Fernsehen wiederholt wird.

Der Schwandorfer Landrat Hans Schuierer, herausragend vom Österreicher Johannes Zeiler gespielt, hat wahrlich keinen leichten Job. In der Oberpfalz gehen Anfang der 1980er-Jahre die Lichter aus. Die Region im Nordosten Bayerns siecht – es gibt keine Jobs und keine Perspektiven, viele Menschen ziehen weg. Das "Angebot" der Münchner Landesregierung, in Wackersdorf ein "zukunftsweisendes, industrielles Großprojekt" anzusiedeln, muss dem SPD-Politiker natürlich wie ein Geschenk vorkommen. WAA – diese drei Buchstaben bringen 3.000 neue Arbeitsplätze! Da muss doch das Herz eines jeden Kommunalpolitikers lachen. Widerstand ist zwecklos und in München auch nicht erwünscht.

Im Kampf für demokratische Werte

"Wackersdorf" ist auch ein Lehrfilm über das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern – freilich ohne dabei trocken oder belehrend zu sein. Schuierer versteht sich nämlich nicht als Handlanger der Obrigkeit, sondern als Mann der Heimat. Heimat, das sind für ihn die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld, in ihrem Alltag, mit ihren Ängsten und Sorgen. Für die Heimat ist er bereit, seine Einstellungen zu überdenken.

Ohne zu wissen, was eine WAA eigentlich ist, genießt Schuierer aber erst einmal den Augenblick der Hoffnung. Doch nicht alle Menschen in seinem Landkreis sind von der nuklearen Wiederaufbereitungsanlage begeistert. Auch beim Landrat kommen Zweifel auf, und so fängt er an, sich die Informationen zu beschaffen, die ihm die Münchner genauso verschweigen wie der joviale Abgesandte der Atomlobby. Das dauert etwas, ist aber nicht der einzige Grund, warum sich Schuierer Zeit lässt für seinen Sinneswandel vom Befürworter zum Gegner der WAA. Er ist ein besonnener Mann, einer der abwägt und seine Entscheidungen bedächtig fällt, bestimmt in seinem Auftreten ist, ohne militant zu sein.

Hubschrauber, Tränengas und scharfe Rhetorik

Weil sich Schuierer mit München anlegte und sich weigerte, Baugenehmigungen zu unterzeichnen, änderte der Landtag kurzerhand das Verwaltungsrecht und entmachtete den Landrat mit der "Lex Schuierer" praktisch. Auf seine Heimat, fanden Franz-Josef Strauß und Co., haben sie ein Monopol – und sie gingen nicht zimperlich um, es durchzusetzen. In Wackersdorf fuhr die Staatsgewalt damals alles auf, was das Arsenal hergab. Hundertschaften der Polizei, Hubschrauber, Tränengas – und scharfe Rhetorik.

Differenziert und facettenreich erzählt Oliver Haffner in seinem klugen Film von Willkür und Widerstand, von Gehorsam und Zivilcourage. Er verzichtet darauf, die historischen Ereignisse zu dramatisieren, greift für die historischen Szenen am Bauzaun der WAA auf Archivmaterial aus der "Tagesschau" zurück. Und die zeigen, wie wichtig es ist, zu zweifeln, mutig zu sein und für demokratische Werte aufzustehen. Damals wie heute.

Wackersdorf – Sa. 10.06. – BR: 22.00 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Der Trailer zu "Wackersdorf"

Darsteller

Anna Maria Sturm
Peter Jordan als "Tatort"-Ermittler Uwe Kohnau
Peter Jordan
Johannes Herrschmann in "Alle Zeit der Welt"
Johannes Herrschmann
August Zirner in "Milchgeld. Ein Kluftingerkrimi".
August Zirner
Fabian Hinrichs.
Fabian Hinrichs
Weitere Darsteller
Johannes Zeiler Marlene Morreis Thomas Limpinsel Sigi Zimmerschied Florian Brückner Andreas Nickl Axel Röhrle

Das beste aus dem magazin

Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor.
Gesundheit

Adventszeit: Genießen mit gesunder Gelassenheit

Die Weihnachtszeit muss nicht ungesund sein. Mit ein paar einfachen Tipps kann man die Adventszeit genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Entscheidend ist, was man das ganze Jahr über macht.
Oliver Mommsen vor einem Weihnachtsbaum.
HALLO!

Oliver Mommsen über seine Rolle in "Eine fast perfekte Bescherung"

Im Weihnachtsfilm „Eine fast perfekte Bescherung“ müssen die Anwohner eines Berliner Viertels an Weihnachten ihre Wohnungen verlassen, weil eine Weltkriegsbombe entschärft wird. In einer Turnhalle findet sich eine bunt gemischte Truppe zusammen, die nun mit dieser Situation umgehen muss. Oliver Mommsen spielt Pfarrer Klaus Meier. Mit prisma hat er über den Film und über Weihnachten gesprochen
Carsten Henn lehnt an einer Wand.
HALLO!

Carsten Henn: „Wein ist ein bodenständiges Produkt“

Bestsellerautor Carsten Henn ist thematisch breit aufgestellt. Neben seinen Bestsellern wie „Der Buchspazierer“ und „Sonnenaufgang Nr. 5“ hat er sich einen Namen als Verfasser kulinarischer Kriminalromane gemacht. Da blitzte seine Liebe für den Wein schon hier und da auf. In seinem neuen Weinbuch schenkt der renommierte Weinjournalist und Weinbauer sein fundiertes fachliches Know-how nun einzigartig praktisch und unterhaltsam ein: Mit 66 wohldosierten und klug ausgewählten Fragen nimmt er seine Leser in „Simply Wine“, erschienen bei ZS, mit in die Welt des Weins. prisma hat mit ihm über sein neues Buch gesprochen.
Doc Julia Fischer
Gesundheit

Wenn der Harndrang zum Rätsel wird

Ständiger Harndrang, Schmerzen, keine klare Diagnose: Wenn die Blase Probleme macht, beginnt oft eine jahrelange Suche nach Ursachen. Warum Ärzte manchmal ratlos sind und was hilft, wenn Beschwerden chronisch werden.
Eine Grafik mit Händen zum Thema Aids.
Gesundheit

Aidshilfen rufen zu Solidarität auf

Der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember macht seit 1988 auf HIV und Aids aufmerksam. Mit dem Motto "Gemeinsam. Gerade jetzt." rufen deutsche Organisationen zu Solidarität auf.
Markus Oelze mit rosa Hemd
Gesundheit

Wechselwirkungen mit Medikamenten: Vorsicht bei diesen Lebensmitteln

Ein Apotheker erklärt, welche Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und Medikamenten zu beachten sind. Besonders Milch, Alkohol und Grapefruitsaft können problematisch sein.