11.05.2021 Helfen Nahrungsergänzungsmittel?

So bekommen Sie genügend Vitamine

Von Annette Bulut
Obst liefert viele Vitamine.
Obst liefert viele Vitamine. Fotoquelle: picture alliance / Zoonar | Katerina Solovyeva

Vitamine und Mineralstoffe – wichtige Grundsteine für ein gesundes, langes Leben. Können Nahrungsergänzungsmittel helfen gesund zu bleiben? Welche sind unnötig und welche sinnvoll? Kann Nahrungsergänzung einen ungesunden Lebensstil ausgleichen?

Der menschliche Organismus benötigt lebenswichtige Nährstoffe für den Stoffwechsel, das Immunsystem und sogar zur Krebsabwehr. Allerdings sind Vitamine und Mineralstoffe in industriell verarbeiteter Ernährung kaum in ausreichender Menge vorhanden. Bekommt der Körper über einen längeren Zeitraum nicht genug Nährstoffe - etwa in Form von frischen, pflanzlichen Lebensmitteln - wird er schlapp und müde. Sogar das Gehirn streikt. Kopfschmerzen können die Folge sein.

Wer ungesund lebt, wird nicht durch Vitaminpillen gesünder

Die meisten Snacks, Pizzas oder Fertigprodukte enthalten einerseits zu viel Salz, Zucker und gesättigte Fettsäuren und andererseits zu wenige Vitamine. Wer beispielsweise in der Mittagspause eine fettreiche Currywurst mit salzigen Pommes und fettiger Mayonnaise verspeist, kann mit dieser Mahlzeit bereits die Hälfte des Tagesbedarfs an Kalorien zu sich nehmen. Und gleichzeitig reichlich Salz. Vor allem Fast Food, Snacks und Fertigprodukte haben nur wenig lebenswichtige Inhaltsstoffe. Doch oft fehlen Zeit und Wille etwas an den Lebens- und Essgewohnheiten zu ändern. Ein Mangel an Vitamin B12 ist eine der möglichen Folgen. Fast jeder Vierte Deutsche über 65 Jahre ist davon betroffen. Manche greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln, um ihren schlechten Ernährungsstil dadurch auszugleichen. Doch das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn so einfach ist die Sache nicht.

Der beste Nährstoff ist ein frisches Lebensmittel

Die Folgen einer einseitigen und dauerhaft wenig nahrhaften Ernährung mit zu wenig Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Selen oder Magnesium können auf lange Sicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht und Diabetes sein. Experten sprechen in diesem Zusammenhang auch vom "metabolischen Syndrom". Dagegen helfen auch Nahrungsergänzungsmittel nicht. Das Fettgewebe sendet biochemische Signale aus und strapaziert dadurch den Stoffwechsel. Das hat Folgen für den Blutdruck, die Blutfette und den Nüchternblutzucker. Zu hohe Werte über einen langen Zeitraum erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich. Erst die Kombination aus Übergewicht und anderen Faktoren bilden dann das gefährliche "metabolische Syndrom".

Ungesunde Ernährung, Übergewicht bis hin zur Fettsucht und das metabolische Syndrom gewinnen an Bedeutung als Risikofaktor der Krebsentstehung – ein bislang noch unterschätzter Zusammenhang. Das lässt sich auch mit Vitamintabletten nicht weg schummeln. Wissenschaftliche Beweise reichen bislang außerdem nicht aus, um zu beurteilen, ob Vitaminpräparate und Mineralstoffe dazu beitragen Krebs vorbeugend zu vermeiden. In Deutschland sind etwa zwölf Millionen Menschen vom metabolischen Syndrom betroffen – die meisten, ohne es zu wissen. Sie sind nicht nur gefährdet einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, sondern auch früher oder später an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Allerdings bildet erst die Kombination aus Übergewicht und anderen Faktoren das gefährliche "metabolische Syndrom" - die direkte Folge eines ungesunden Lebensstils.

Welche Vitamine sind wirklich sinnvoll?

Vitamin D, Jod, Folsäure und Eisen sind für bestimmte Personengruppen sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel. Heinz-Wilhelm Esser, Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie aus Remscheid, bekannt als Doc Esser, rät: "Je älter wir werden, desto unzureichender stellt unser Körper mit Hilfe der Sonnenstrahlung das wichtige Hormon Vitamin D her. Bei vielen über 70-Jährigen und bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen wir Mediziner einen Vitamin D Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken. Hier sollte unbedingt eine Supplementierung erfolgen." Auch jüngere Menschen könnten an einem Vitamin D Mangel leiden. Das kommt zum Teil durch Sonnenschutzcremes zustande, die einen Teil der wichtigen UV-B Strahlung absorbieren zum anderen, weil sich einige auch im Sommer viel zu viel in geschlossenen Räumen aufhalten. So können sich die Vitamin-D-Speicher nicht aufladen. Vitamin D ist für den Knochenstoffwechsel wichtig, ebenso wie Vitamin K. Eine Nahrungsergänzung mit Vitamin K allein oder als Kombipräparat mit Vitamin D und Calcium kann sinnvoll sein.

Schwangere haben einen höheren Bedarf

Eine ausgewogene Ernährung sowie Folsäure, Jod und Eisen wird Schwangeren für eine gute Kindesentwicklung empfohlen. Eisen sollte aber nur bei einem nachgewiesenen Mangel ergänzt werden. Viele Frauen gehen schlecht mit dem Vitamin-B-Komplex versorgt in die Schwangerschaft. Deshalb sind B-Vitamine - und dazu zählt Folsäure - in der Schwangerschaft besonders wichtig. Nahrung mit Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B12, Vitamin D3 sowie Omega-3-Fettsäuren in bestimmten Fischsorten wie Lachs, Hering, Makrele und Sardellen sorgen für eine gute Entwicklung des Nachwuchses. Vitamin D bildet der Körper fast ausschließlich durch die Sonne, daher sind 30 Minuten Bewegung täglich an der frischen Luft empfehlenswert, um einen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden. Die Vitamin-D-Versorgung ist auch über Nahrungsergänzungsmittel möglich. Ob sie nötig ist, kann ein Arzt durch eine Blutuntersuchung feststellen, die den Vitamin-D-Spiegel anzeigt.

Zu viel Omega ist auch nicht gut

Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren spielen eine besonders wichtige Rolle für den Stoffwechsel im menschlichen Körper. Damit Omega-3-Fettsäuren im Organismus gut wirken können, darf die Ernährung aber nicht zu viele Omega-6-Fettsäuren enthalten. Bestimmte Prozesse im Stoffwechsel können sonst die ausreichende Versorgung mit Omega-3 blockieren. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, höchstens fünfmal so viele Omega-6-Fettsäuren wie Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen. Dieses Verhältnis garantiert, dass beide ihre positive Wirkung voll entfalten. Ob das Verhältnis ausgeglichen ist, kann ein spezieller Bluttest ermitteln. Er wird allerdings nicht von den Krankenkassen bezahlt.

Omega-3-Fettsäuren sind als Nahrungsergänzungsmittel beliebt. Dabei sollten die Anwender darauf achten, dass die empfohlenen Höchstmengen nicht überschritten werden. Es ist daher sinnvoll sich vor der Einnahme von einem Arzt oder Apotheker beraten zu lassen. Erhöhte Dosen können eine Hemmung der Blutgerinnung zur Folge und dadurch beispielsweise Nasenbluten verursachen. Patienten, die Medikamente zur Blutgerinnung einnehmen, müssen das berücksichtigen.

Deshalb ist Doc Essers Meinung zu Nahrungsergänzungsmitteln: "Investieren Sie Ihr Geld lieber nicht in ein Präparat, sondern in regionale Superfoods, frisches Obst mit viel Vitamin C und gehen Sie viel raus an die frische Luft. Einen besseren Boost für unser Immunsystem gibt es nicht." Ein abwechslungsreicher Speiseplan hilft, den täglichen Bedarf zu decken. Eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen ist für eine stabile Gesundheit und für die körperliche und geistige Entwicklung eine Grundvoraussetzung. Viele Vitamine und Mineralstoffe stecken vor allem in Obst und Gemüse. Wer sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte: Stiftung Warentest berichtet regelmäßig über Sinn und Nutzen von Nahrungsergänzung in Form von Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen.

Nahrung: je bunter, desto besser

Kalzium ist für den Erhalt der Knochen wichtig - vor allem bei älteren Menschen. Es findet sich in Milchprodukten. Auch grünes Gemüse ist ein Lebensmittel mit viel Kalzium. Das Immunsystem profitiert ebenfalls von einem abwechslungsreichen Speiseplan: Um normal funktionieren zu können, benötigt es unter anderem Vitamin C. Dieses ist nicht nur in Zitrusfrüchten, sondern auch in Kartoffeln, Beeren und Paprika enthalten. Auch Zink unterstützt die Abwehrkräfte und macht die Haut schön. Das Spurenelement versteckt sich zum Beispiel in Fleisch oder in Vollkornprodukten. Letztere enthalten zudem B-Vitamine wie Vitamin B2, B6 und B12. Diese Vitalstoffe tragen zu einer normalen Funktion des Nervensystems und des Energiestoffwechsels bei.

Manche Menschen nehmen täglich probiotische Nahrungsergänzungsmittel, um ihren Magen-Darm-Trakt fit zu halten. Grundsätzlich reicht eine ballaststoffreiche Ernährung und täglich rund zwei Liter nicht gesüßte Getränke und Bewegung aus, um den Darm fit zu halten. Lebensmittel wie Joghurt, Kefir, Buttermilch und Sauerkraut beinhalten große Mengen an Mikrorganismen, sogenannte Probiotika. Sie fördern eine gesunde Darmflora. Probiotika gibt es auch als Nahrungsergänzung in Form von Kapseln oder Tropfen. Daneben gibt es Präbiotika. Auch sie haben einen positiven Effekt und können den Darm gegen Magen-Darm-Erkrankungen wie Darmträgheit, Durchfall oder Verstopfung.

Eine gesunde Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, fettarmen Milchprodukten und Meeresfrüchten ist, verringert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Selen wird nachgesagt eine schützende Wirkung gegen Krebs zu haben. Es trägt unter anderem dazu bei, Zellen vor oxidativem Stress zu schützen. Paranüsse und Haselnüsse sind besonders selenhaltig. Eine einzige Paranuss kann bis zu 400 Mikrogramm Selen enthalten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 70 Mikrogramm am Tag. Deshalb reicht schon eine Nuss am Tag. Vorsicht: Bei mehr als zwei Paranüssen am Tag kann es sogar zu einer Überdosierung kommen, was im schlimmsten Fall zu einer Selenvergiftung führt.

Vorsicht bei Überdosierung

Auch bei vermeintlich gesunden Nahrungsergänzungsmitteln kann es bei erheblicher Überdosierung zu unerwünschten Effekten kommen. Apropos Überdosierung: hohe Mengen an Beta-Carotin sind für Raucher problematisch. Mehr als eine Studie weist nach, dass ab 20 Milligramm Beta-Carotin täglich und gleichzeitigem Nikotinkonsum ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko besteht. Andere Nebenwirkungen bei übermäßig hoher Einnahme können Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchkrämpfe bis hin zu Herzrhythmusstörungen oder in schweren Fällen Nierenschädigung sein.

Nahrungsergänzungsmittel beeinflussen auch die Darmflora: Vitamine, Calcium, Magnesium oder Eisen haben einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien. Manche haben aber in sehr hoher Dosis einen gegenteiligen Effekt; so kann eine zu hohe Dosis durch ein Präparat mit Magnesium zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Die Verbraucherzentrale empfiehlt Patienten mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen grundsätzlich zur Vorsicht: "Wer an Erkrankungen des Darms, insbesondere entzündlichen Veränderungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, leidet, sollte Nahrungsergänzungsmittel nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt nehmen." Eine Studie habe gezeigt, dass die zusätzliche Gabe von Eisen die Zusammensetzung der Darmflora erheblich beeinflusse.

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Über die Autorin: Annette Bulut ist Diplom-Journalistin und hat eine Rundfunkausbildung in Köln absolviert. Nach beruflichen Stationen in Düsseldorf und München als Kommunikationsberaterin ist sie seit vielen Jahren freie Journalistin mit Schwerpunkt Medizin, Gesundheit und Ernährung. Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Online- und Printmedien. Ihr Ziel: Gesundheitsthemen verständlich und lebensnah mit vielen nützlichen Informationen zu vermitteln.

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