27.04.2021 Vitamin-Mangel

Wie gut und wichtig sind Nahrungsergänzungsmittel?

Von Annette Bulut
Viele Menschen leiden an Vitamin-D-Mangel.
Viele Menschen leiden an Vitamin-D-Mangel. Fotoquelle: picture alliance / Zoonar | Olga Sergeeva

    Viele Menschen wollen ihre Abwehrkräfte gegen Coronaviren durch die Einnahme von Vitamin C in hoher Dosierung stärken. "Sollte ich nicht gerade jetzt täglich eine Tablette mit Vitamin C nehmen, um mein Immunsystem zu stärken?" – diese Frage stellen sich zurzeit viele Ungeimpfte. Nicht nur diejenigen, die sich oft ungesund ernähren, sondern gerade auch solche, die sehr auf ihre Gesundheit achten. Alle eint: Sie wollen mehr für ihre körpereigene Immunabwehr tun. Wie geeignet sind dafür Nahrungsergänzungsmittel? Und welche sind gut?

    Wer sich gesund ernährt, bekommt jeden wichtigen Nährstoff für die Immunabwehr über die Nahrung. Denn fast jedes Vitamin und jeder wichtige Mineralstoff ist in frischen Nahrungsmitteln in der Regel ausreichend vorhanden. Eine ausgewogene Ernährung stärkt das Immunsystem. Nicht so eine einseitige, fett- und zuckerhaltige Nahrung. Sie führt zu Mangelerscheinungen, schwächt die körpereigene Abwehr und macht es den Viren leichter. "Eine Infektion ist immer eine Frage der Virenlast oder zu weniger Abwehrkräfte", erklärt Professor Dietrich Baumgart. Der Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin ist Partner der interdisziplinären Praxisklinik Preventicum in Düsseldorf und Essen.

    Nahrungsergänzungsmittel sind aber kein Arzneimittel und auch kein Ersatz für einen gesunden Lebensstil. Wer seine Abwehrkräfte auf natürliche Weise ankurbeln will, muss sich abwechslungsreich, vollwertig und frisch ernähren und regelmäßig an der frischen Luft bewegen. Bereits ein täglicher 30-minütiger Spaziergang reicht aus. Gesunde Ernährung enthält frische, vitaminreiche und unverarbeitete Lebensmittel wie Obst und Gemüse sowie wenige tierische Produkte. Die darin enthaltenen Vitamine C, D und B stärken die Körperabwehr. Vollkornprodukte und Nüsse enthalten wichtige Nährstoffe. Alles, was gut fürs Immunsystem ist, ist übrigens auch gut fürs Herz-Kreislauf-System. Mit einem gesunden Lebensstil werden nicht nur die Abwehrkräfte gestärkt, sondern es wird auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorgebeugt.

    Ist Vitamin C sinnvoll, um das Immunsystem gegen Viren zu schützen?

    Der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln mit Vitamin C zur Vorbeugung von Erkäl-tungen oder einer Corona-Infektion ist bisher nicht wissenschaftlich erwiesen. Einzige Ausnahme: Bei hoher körperlicher Belastung kann die tägliche zusätzliche Einnahme von bis zu einem Gramm Vitamin C über zirka zwei bis acht Wochen sinnvoll sein. Laut AOK Gesundheitskasse kann auf diese Weise eine Erkältung eventuell verhindert werden. An-dererseits gibt es auch keinen Hinweis auf Nebenwirkungen von Vitamin C. Beschwerden im Magen-Darm-Trakt durch die zusätzliche routinemäßige Einnahme von Vitamin C zur Vorbeugung von Erkältungen sind selten. Eine Überdosierung scheidet der Körper im Normalfall mit dem Harn aus und ist bei gesunden Menschen unproblematisch.

    Dennoch spielt Vitamin C bei der Infektabwehr eine Rolle. Denn das Vitamin kann die Produktion weißer Blutkörperchen stimulieren, die für die Bekämpfung von Infektionen von entscheidender Bedeutung sind. Zitrusfrüchte, Erdbeeren, rote Paprika und Kiwis sind reich an Vitamin C. Mit einer solchen Auswahl ist es einfach, jeder Mahlzeit Le-bensmittel mit hohem Nährstoffgehalt hinzuzufügen. Vitamin A und Vitamin E gehören zu den Antioxydanzien und steigern die Aktivität der Abwehrzellen des Immunsys-tems. Auch Omega-3-Fettsäuren enthalten wichtige Nährstoffe bei der Basisversorgung für eine ausgewogene Ernährung. Sie sind besonders gesund und kommen in bestimmten Fischarten vor. Wer Vegetarier ist, kann stattdessen Nüsse und Samen verzehren, denn sie enthalten auch Omega-3. Lebensmittel mit Folsäure wie etwa Spinat, Spar-gel und Petersilie wirken außerdem noch stimmungsaufhellend. Und gute Stimmung stärkt auch das Immunsystem.

    Vitamin-D-Bedarf decken

    Das einzige Vitamin, das nicht in ausreichender Menge über die Nahrung in den Körper gelangt, ist Vitamin D. Es wird auch Sonnenvitamin genannt. Ohne Sonne kann der Körper kein Vitamin D bilden. Es ist bekannt, dass die deutsche Bevölkerung unter einem Vitamin-D-Mangel leidet. Das betrifft vor allem die älteren Menschen. Vitamin-D-Präparate können deshalb nach Absprache mit dem Arzt durchaus empfehlenswert sein. Aktuell auch deshalb, weil "ein Vitamin-D-Mangel beispielsweise nachgewiesen zu einem schlechteren Verlauf bei einer COVID-19 Erkrankung führt", erklärt Professor Baumgart. "Eine immunstärkende Wirkung hat Vitamin D hochdosiert ab einer 20.000er-Einheit. Ob jemand einen Vitamin-D-Mangel hat, kann der Hausarzt durch einen einfachen Bluttest feststellen", rät Baumgart. Der festgestellte Vitamin-D-Spiegel gibt Auskunft über die Menge, die individuell verabreicht werden muss. Der Arzt kann dann die empfohlene Höchstmenge festlegen.

    Vitamin D ist in hoher Dosierung verschreibungspflichtig. Geringere Dosierungen mit 1.000er-Einheit sind ohne Rezept in Apotheken erhältlich, aber auch nicht so wirksam. Von einem Vitamin-D-Mangel können alle betroffen sein, die weniger als 20 Minuten täglich an der Sonne sind. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt deshalb eine Nahrungsergänzung mit Vitamin D für bestimmte Personengruppen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt dies, wenn "eine Verbesserung des Vitamin-D-Status weder durch die Eigensynthese noch über die Ernährung erzielt werden kann". Bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen Mediziner einen Vitamin-D-Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken. Auch bei Frauen in den Wechseljahren kann der Vitamin-D-Spiegel durch die Hormonschwankungen leiden. Sie gehören zur Vitamin-D-Mangel-Risikogruppe. Für den Aufbau des Vitamin-D-Speichers heißt es: Ab nach draußen. Dabei spielt es aber keine Rolle, ob die Sonne scheint oder es bewölkt ist. Jedoch hindert Sonnencreme die Bildung von Vitamin D zu 95 Prozent. Deshalb ist es im Sommer wie im Winter wichtig, sich an der frischen Luft auch mal ohne Sonnenschutz zu bewegen.

    Übrigens: Auch jüngere Menschen können an einem Vitamin-D-Mangel leiden. Zum Teil kommt der Mangel durch Sonnenschutzcremes zustande, die einen Teil der wichtigen UV-B Strahlung absorbieren. Zum anderen sind wir auch im Sommer viel zu viel in geschlossenen Räumen und können so unsere Vitamin-D-Speicher nicht aufladen. Bei unspezifischen Symptomen sollte man also den Vitamin D Spiegel im Blut durch den Haus-arzt bestimmen lassen und falls nötig nach seinem Ratschlag auch substituieren.

    Tipps

    Woran erkennt man ein gutes Nahrungsergänzungsmittel?

    Achten Sie darauf, dass es eine genaue Dosierungsanleitung gibt. Das Präparat sollte außerdem in der EU hergestellt worden sein. Nahrungsergänzungsmittel aus nicht-europäischen Ländern können gesundheitsschädigende Substanzen enthalten.

    Welche Nahrungsergänzungsmittel sollte man meiden?

    Vor allem sind das Nahrungsergänzungsmittel, die durch Überdosierung schädlich sein können. Deshalb ist es immer ratsam vorher per ärztlicher Blutuntersuchung festzustellen, ob überhaupt ein Mangel an Nährstoffen vorhanden ist.

    Welche Nahrungsergänzungsmittel schneiden in Tests gut ab?

    Grundsätzlich gibt es eine einfache Empfehlung: Vitamin D, Folsäure in der Schwangerschaft, Eisen und Jod sind diejenigen Nahrungsergänzungsmittel, die für bestimmte Personengruppen einen nachgewiesenen Nutzen haben.

    Bei welchen Nahrungsergänzungsmitteln ist Vorsicht geboten?

    B-Vitamine sind für die meisten Erwachsenen überflüssig. Bei einem ärztlich diagnostizierten Vitamin-B12-Mangel kann eine Nahrungsergänzung sinnvoll sein. Eine Überdo-sierung von Vitamin B12 ist riskant, und deshalb sollte Vorsicht geboten sein. Die deut-sche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Höchstdosis von vier Mikrogramm pro Tag. Die im Handel angebotenen Nahrungsergänzungsmittel übersteigen diesen Wert häufig. Ein erhöhter Vitamin-B-12-Spiegel kann mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko verbunden sein. Besser den Arzt vorher konsultieren.

    Was ist bei den Inhaltsstoffen von Nahrungsergänzungsmitteln zu beachten?

    Bei Kombi-Präparaten fehlen nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest oft Warnhinweise zum Jod- und Eisengehalt und andere Inhaltsstoffe, die möglicherweise Risiken für bestimmte Personengruppen bergen. Falls die Angabe einer empfohlenen Tagesdosis fehlt, ist es besser, die Finger von dem Produkt zu lassen.

    Woher weiß ich, zu welchen Nahrungsergänzungsmitteln ich greifen sollte?

    Stiftung Warentest, Öko-Test und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sind informa-tive Quellen, die den Nutzen von Nahrungsmittelergänzung bewerten und eine Risiko-bewertung abgeben. Ein Nahrungsergänzungsmittel Test – beispielsweise durchgeführt durch Stiftung Warentest – kann bei der Entscheidung eine wertvolle Hilfe sein. Den individuellen Bedarf sollte aber immer ein Arzt durch eine Blutuntersuchung abklären. Frauen, die schwanger werden wollen, oder könnten, sollten täglich 400 Mikrogramm Folsäure einnehmen. Stillende gehören beispielsweise auch zu den Personengruppen mit erhöhtem Nährstoffbedarf. Sie sollten gegebenenfalls Eisen und Jod ergänzen. Für Säuglinge wird die Vitamin K-Gabe nach der Geburt und im ersten Lebensjahr empfohlen.

    Weitere Informationen:

    Über die Autorin: Annette Bulut ist Diplom-Journalistin und hat eine Rundfunkausbildung in Köln absolviert. Nach beruflichen Stationen in Düsseldorf und München als Kommunikationsberaterin ist sie seit vielen Jahren freie Journalistin mit Schwerpunkt Medizin, Gesundheit und Ernährung. Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Online- und Printmedien. Ihr Ziel: Gesundheitsthemen verständlich und lebensnah mit vielen nützlichen Informationen zu vermitteln.

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