Chris de Burgh im Interview

"Wir sind Ameisen im Strom der Zeit"

18.10.2016, 07.54 Uhr
Chris de Burgh: "Ich möchte, dass meine Musik ein bisschen länger hält."
Chris de Burgh: "Ich möchte, dass meine Musik ein bisschen länger hält."  Fotoquelle: praszkiewicz / Shutterstock.com

Warum Chris de Burgh sich nicht in die Politik einmischt und wie ein Lied über den Brexit aussehen könnte.

Chris de Burgh auf Tour

Mit mehr als 45 Millionen verkauften Alben gehört Chris de Burgh zu den erfolgreichsten Musikern der Welt. Ende September erschien mit "A Better World" sein 21. Studioalbum, mit dem er ab Mai auch in Deutschland auf Tour geht: www.cdeb.com/shows.

Das neue Album von Chris de Burgh heißt "A Better World". Doch wie viel Optimismus steckt wirklich in dem irischen Sänger? Wir haben ihn zum Interview getroffen – und mit ihm über Politiker, den Brexit und seinen Traumberuf gesprochen.

Chris, stimmt es, dass Sie keine Noten lesen können?

Ja, das ist richtig.

Und trotzdem schreiben Sie seit mehr als 40 Jahren erfolgreich Musik ...

Ich erinnere mich da an eine Situation: Einige befreundete Musiker waren bei mir zu Besuch, alle klassisch ausgebildet, und ich fragte sie, ob sie nicht spontan etwas spielen wollten, und sie antworteten: "Das geht nicht, wir brauchen doch Noten!" Und als ich mich dann ans Klavier setzte und einfach drauflosspielte, waren sie baff und fragten mich, wie ich das mache, und ich sagte: "Kein Problem, guck: einfach spielen!"

Und wie haben Sie Klavierspielen gelernt?

Indem ich Musik gehört habe. Ich mir die Akkorde nach und nach selbst auf der Gitarre beigebracht habe – und danach das Klavierspielen. Manchmal würde ich zwar gerne Noten lesen können, aber die meiste Zeit geht es wunderbar ohne. Es ging 25 Alben lang wunderbar ohne!

Vermutlich denken Sie auch sehr anders als Orchestermusiker. Wie klappt diese Zusammenarbeit?

Nehmen wir zum Beispiel die Aufnahmen für "The Storyman", die ich mit einem 90-köpfigen Orchester gemacht habe. Da hat man mich zuerst in eine kleine Kabine gesetzt, abgeschottet von den Musikern, und ich sagte: "Nein, was macht Ihr denn? Ich will im Orchester sitzen!" Und dann habe ich ihnen vor dem ersten Stück die Geschichte dazu erzählt. "Wir sind in Italien, zwei Monate vor dem Ausbruch des Vesuv 1879. Ich will, dass ihr euch das vorstellt." Und dann habe ich ihnen von dem Soldaten erzählt, der aus Rom wiederkehrt und der mit seiner Frau in diesem Olivenhain lebt, nicht ahnend, dass dieser Vulkan bald ausbricht. Und als wir mit der ersten Aufnahmen fertig waren, habe ich gesagt: "Wisst ihr was? Das war toll, wir sind nah dran, aber wir sind noch nicht in Italien. Lasst uns noch weiter nach Süden gehen!" Was lustig ist: Vor dem nächsten Stück, als der Dirigent anfangen wollte, meldeten sich die erste Geige und sagte: "Nein, nein. Wir haben doch die Geschichte noch gar nicht gehört!"

Hat diese Art, mit Musik umzugehen, einen Einfluss darauf gehabt, wie Sie komponieren?

Auf jeden Fall. Ich habe oft Sachen gemacht, bei denen klassisch ausgebildete Musiker sagten, man können sie so nicht machen. Aber ich sagte: "Doch, das geht. Ich habe es ja gemacht." Den Rhythmus aufbrechen zum Beispiel.

Sie sind also freier?                                                           

Ja, genau. Es bedeutet viel mehr Freiheit.

Vor Ihrer Musik-Karriere haben Sie europäische Geschichte studiert. Warum?

Schauen Sie aus dem Fenster: Das alles, sogar die Landschaft, ist Geschichte. Wir dagegen sind nur kleine Ameisen im Strom der Zeit. Ich vermute, das Interesse kommt durch meine Familiengeschichte, die sich 800 Jahre zurückverfolgen lässt. Ich habe immer gerne in die Vergangenheit geschaut, um zu sehen, welche Bedeutung sie für die Gegenwart hat. Dazu kommt, dass ich schon als Kind viel gereist bin und verschiedene Kulturen kennengelernt habe. Aufgewachsen bin ich in Argentinien, dann kamen Afrika, England und Irland. Für die Erziehung gibt es nichts Besseres als Reisen. Da lernen Sie vor allem eine eigentlich banale Sache: Dass  wir unter dieser Oberfläche, die so unterschiedlich aussehen kann, alle gleich sind. Warum also töten wir uns gegenseitig? Warum führen wir Krieg? Wir sind ein ziemlich verrückter, paradoxer Haufen.

Auch das Stück "Soldier" auf Ihrem neuen Album hat historische Bezüge, wie so viele Ihrer Songs. Steckt dieser Historiker also immer noch in Ihnen?

Vielleicht kann ich erklären, wie ich Stücke schreibe. Bei manchen ist es, als falle ein Samen in meinen Garten, aus dem eine kleine Blume wächst. Und ich denke: "Oh, das ist interessant!" Bei anderen gibt es einen ganz bewussten Gedanken, eine Idee, zum Beispiel wollte ich wirklich gerne einen Song wie "Chain of command" schreiben, darüber, warum Menschen Befehle befolgen, im Krieg und in der Wirtschaft, obwohl sie wissen, dass das, was sie da tun, absolut falsch ist. Und darüber, wie viel Mut es braucht, Nein zu sagen. Die dritte Art von Song entsteht aus dem Unbewussten, Themen, die hochkommen. Und zu guter Letzt gibt es noch Sätze, die mir begegnen. Ich war immer fasziniert davon, wie John Lennon und Paul McCartney geschrieben haben. Am Anfang hatten die zu allererst den Titel. "Ticket To Ride" zum Beispiel oder "She Loves You" oder "Paperback Writer".

Sie hatten also zuerst die Überschrift?

Ja, genau. Ich werde nichts Schlechtes über einen Menschen sagen, der tot ist – und über einen meiner Helden – aber ich glaube, Lennon hatte ein paar Drinks oder sonst etwas, im Hintergrund lief der Fernseher, leise, sodass er noch ein paar Wortfetzen verstehen konnte, und daraus hat er dann instinktiv Songs gemacht.

Einer dieser Songs zum Beispiel, die aus dem Unbewussten entstehen und der trotzdem historisch ist, ist auf dem neuen Album: "Bethlehem". Diese Stadt ist das Zentrum der Christenheit. Aber es ist auch das Zentrum eines Krisenherds im Mittleren Osten, einer Unruhe, die auf die ganze Welt ausstrahlt. Wenn dieser Konflikt beigelegt werden könnte, bin ich sicher, dass der Iran ein viel wichtigerer Partner für den Westen werden könnte. Ich war Weihnachten 2015 in Bethlehem in der Geburtskirche und ich war fasziniert! Ich bin Christ, auch wenn ich organisierte Religion nicht mag. Ich habe immer versucht, Dinge zu hinterfragen und Religion hat über Jahrhunderte den am wenigsten Gebildeten Angst eingejagt, um ihre Macht zu festigen. Doch zurück nach Bethlehem. Zu diesem Zeitpunkt schrieb ich gerade am neuen Album und suchte noch nach Songs. Und bei diesem fielen mir sowohl die Musik als auch der Text innerhalb von nur einem Tag ein. Ich bin kein langsamer Komponist, aber das ist selbst für mich unglaublich schnell. Da steckt eine Menge Leidenschaft und Energie drin.

Auch viele Ihrer politische Songs, zum Beispiel über den Nordirland-Konflikt, haben historische Bezüge ...

Sie meinen vermutlich "Borderline" ...

Zum Beispiel.

Der ist gar nicht wirklich über den Nordirland-Konflikt. Mit diesem Song wollte ich eine Blaupause liefern, und die Menschen in Deutschland vor dem Fall der Mauer zum Beispiel glaubten, der Song sei für sie. Die Menschen in Nordirland glaubten, er sei für sie. Aber in Wirklichkeit war er über jedes Land, das von einem Konflikt zerrissen wird. In jedem dieser Konflikte aber geht es am Ende um Menschen, um Individuen.

Ist es das, was Sie daran so fasziniert?

Nehmen wir zum Beispiel "Homeland", das vor allem von der Krise in Syrien handelt. Ich kann mir so etwas wie eine Million Flüchtlinge nicht vorstellen. Zehntausend ist ja schon schlimm genug. Also konzentriere ich mich auf eine Familie und darauf, was sie durchmacht und versuche, das zu verallgemeinern. In "Homeland" geht es darum, dass das jedem von uns passieren könnte. Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einem Kriegsgebiet, in Aleppo, und Sie rennen um Ihr Leben, mit dem, was Ihnen geblieben ist, vielleicht nur der Kleidung, die Sie tragen. Ihr Haus ist vielleicht zerstört. Aber Sie sind intelligent, wie die meisten Flüchtlinge, sie sind Ärzte, Juristen, Schriftsteller, Historiker ... Sie sind am Ende gewöhnliche Menschen, die einfach nur leben wollen.

Aber wie kommt es, dass viele Ihrer politischen Songs so abstrakt sind? Sie sind kein Musiker wie Bono, der Missstände laut anprangert. Ihre Stimme ist viel leiser.

Ich weiß, was Sie meinen, aber ich kann mich nicht auf etwas Konkretes beziehen. In dem Moment, wo man konkret wird, wird das nach ein oder zwei Jahren langweilig. Oder noch schneller. Wer schert sich dann noch um diesen Ort, über den Sie gesungen haben? Ich möchte, dass meine Musik ein bisschen länger hält.

Und was ist mit Ereignissen wie dem Brexit? Beschäftigt Sie so was?

Oh ja. Der Brexit ist eine Katastrophe! Jetzt, nach der Abstimmung, merken viele Menschen, dass sie da einen Fehler gemacht haben. Und die beiden Hauptfiguren, Farage und Johnson, sind verschwunden. Das ist eine Schande, ich finde, sie hätten das durchziehen müssen. Aber was das alles wirklich bedeutet, wird die Zeit zeigen.

Könnten Sie sich vorstellen, über etwas wie den Brexit ein Stück zu schreiben?

Eine spannende Frage. Lassen Sie mich überlegen: Wie würde ich das angehen? Ich glaube, ich würde in einer Familie anfangen, vielleicht einer, in der die Eltern dafür sind, dass England in der EU bleibt ... wobei, das würde nicht passieren! (lacht) Nehmen wir an, die Eltern sind für den Brexit, die Kinder dagegen. Und daraus entwickelt sich ein Kampf, ein Alt gegen Jung. Das könnte faszinierend sein. Aber ich würde mich nicht direkt auf den Brexit beziehen, sondern auf große Veränderungen.

Für Sie persönlich dürften alle diese Themen, Kriege, die Flüchtlingsfrage, der Brexit, ja eigentlich keine Rolle spielen, Sie sind ein erfolgreicher Musiker, Ihnen geht es wirtschaftlich gut. Wie schreibt man trotzdem über solche Dinge? Wie nähert man sich solchen Konflikten?

Ich glaube, eines der stärksten Wörter im Englischen ist Empathie, also zu verstehen, wie jemand anders sich fühlt. Und das tue ich. Außerdem weiß ich durchaus, wie es zum Beispiel ist, pleite zu sein. In den ersten zwölf Jahren meiner Karriere habe ich eigentlich nur andere unterstützt und hatte Schulden in Millionenhöhe. Das musste ich erst mal loswerden.

Wie sieht das heute aus?

Ich bin ein einfacher Mann. Die Kette, die ich um den Hals trage, habe ich vor 25 Jahren gekauft, wenn ich die verlieren würde, das wäre das Schlimmste. Die Uhr, die ich bis letzte Weihnachten getragen habe, hatte ich 1996 gekauft. Sie funktionierte ja! Es war bloß eine Uhr! Ich habe nichts übrig für Luxus. Außerdem glaube ich, dass man sein Publikum lieben muss, wenn man erwarten will, dass es einen liebt. Deshalb versuche ich in meinen Konzerten auch immer, die Grenze zwischen Bühne und Publikum soweit es geht aufzulösen. Manche Zuschauer haben mir schon gesagt, sie hätten das Gefühl gehabt, ich singe nur für sie. Begrüßungen wie "Guten Abend, Düsseldorf! Toll, hier zu sein, ich liebe euch alle!" sind doch Nonsens. Ich versuche, mich auf den Ort einzulassen, rauszukriegen, wie das lokale Bier schmeckt, mir anzuschauen, was es für Sehenswürdigkeiten gibt.

Sie schauen sich die Städte, in denen Sie Station machen, also auch an?

Ja, natürlich! Ich gehe spazieren, am liebsten an Flüssen. Viele Leute sehen mich da natürlich, aber ich glaube, die meisten denken: "Nein, das kann er nicht sein. Wo sind die Bodyguards?"

Sie haben keine?

Nein, das mag ich nicht. Ich würde immer versuchen, sie abzuhängen und mich durch den Hinterausgang rauszuschleichen und so.

Das heißt ja aber auch, dass Sie sich sicher fühlen ...

Ja, genau. Sehr sicher. Natürlich gibt es auch Länder oder Gegenden, in denen das nicht der Fall ist, aber das hat nichts mit mir zu tun, sondern damit, dass es Städte sind wie Beirut, in denen es Konflikte gibt.

Wir haben über Bono gesprochen, der auch viele soziale Projekte unterstützt. Auch das ist eine Sache, die man von Chris de Burgh kaum mitbekommt. Aber ich nehme an, dass Sie sich durchaus engagieren?

Ja, allerdings.

Wie genau?

Sehen Sie, das ist der Grund, warum Sie nichts davon hören: Ich tue das nicht öffentlich. Ich versuche, das Leben von Menschen zu verbessern – aber auch hier ganz konkret in Einzelfällen. Ich bewundere Menschen wie Bono oder Bob Geldof, aber ich hätte nicht die Chuzpe, zu den G7 zu gehen und ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Erstens weil ich bestimmte Informationen gar nicht habe, und zweitens weil ich nicht daran glaube, dass Politiker sich wirklich für so etwas interessieren. Die Politiker lieben die Gelegenheit, mit den beiden Fotos zu machen, aber ich bezweifle, dass sich dadurch irgendwas ändert

Glauben Sie denn, dass überhaupt jemand Einfluss auf die Politik nehmen kann?

Nein. Demokratie ist wirklich scheiße, um ehrlich zu sein. Wir hatten doch vor wenigen Wochen erst die Situation, dass die Gesundheit einer einzigen Frau, Hillary Clinton, über den Zustand der westlichen Welt entscheiden könnte. Das ist doch lächerlich! Und nehmen wir Trump: Ich weiß nicht, was Sie von ihm denken, aber ich halte ihn für unberechenbar.

Wie können Sie so zynisch sein und trotzdem ein Album rausbringen, das "A Better World" heißt? Das klingt so optimistisch!

Ich bin nicht zynisch, ich bin optimistischer Realist. Und wenn Sie sich die Blume auf meinem neuesten Album-Cover anschauen, die in der Wüste wächst: Das bin ich, es gibt immer Hoffnung, sie ist das Stärkste, das wir haben. Ich könnte auch gar keine Musik schreiben, die miesepetrig ist. Es muss nicht immer ein Happy End geben, aber immer Hoffnung.

Zudem kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie nicht daran glauben, dass Ihre Musik etwas bewirken kann ...

Wenn Sie das Herz eines einzelnen Menschen berühren und etwas darin verändern können, dann ist das ein Anfang. Aber das mit Millionen von Menschen zu versuchen, ist eine Herausforderung! Ich glaube nicht, dass allzu viele Menschen das überhaupt können. Der Papst vielleicht. Eigentlich ist der sogar die einzige Person, die mir einfällt. Die Welt durch Liebe zu verändern, ist sehr, sehr schwer. Aber ich mache das jetzt seit 42 Jahren, und wenn ich ein bisschen Licht in das Leben von ein paar Menschen bringen kann, dann hat das Einfluss auf andere. Das ist wie bei allen Menschen: Wenn Sie jemanden kennen, der einsam ist, dann gehen Sie ihn besuchen, sagen Sie Hallo. Solche kleinen Dinge können etwas bewirken, aber die Welt im Großen verändern? Ich weiß nicht ...

Und haben Sie als Musiker noch Ziele? Noch einmal völlig neue Wege gehen? Mit Hip-Hop- oder Heavy-Metal-Bands arbeiten?

Ich entwickle mich gerne mit dem weiter, was ich kenne. Insofern ist die Antwort: Nein, so etwas hat mich nie gereizt. Ich beneide Menschen, die das können, aber vielleicht haben die auch nicht genug Vertrauen in ihre eigene Musik. Oder sie brauchen die Zusammenarbeit – oft passiert das ja, wenn eine Karriere auf dem absteigenden Ast ist und eine andere auf dem Weg nach oben. Da war ich nie besonders scharf drauf. Mir geht’s gut, wissen Sie? (lacht)

Apropos Musik und Stil: Wie planen Sie die neue Tour zum neuen Album? Wie werden die Konzerte aussehen?

Es gibt da ja ein Problem, wenn man mehr als 300 Stücke geschrieben und 25 Alben rausgebracht hat: Wie packt man all das in eine Show? Unsere Konzerte gehen schon teilweise fast drei Stunden, aber trotzdem. Natürlich wollen die Menschen vor allem die Hits hören. Ich war schon auf Konzerten, auf denen die Band in der ersten Hälfte erst einmal das komplette neue Album gespielt hat. Und ich dachte: "Och, bitte!" Das mache ich nicht. Ich mische. Sicher werde ich fünf oder sechs Stücke vom neuen Album spielen, vor allem Stücke, die eine gute Band-Performance garantieren. Manche Stücke funktionieren ja fantastisch auf einem Album, live aber gar nicht. Dazu können meine Besucher natürlich eine hochqualitative Show erwarten, sehr visuell, mit fantastischem Licht. Dafür haben wir eine fantastische Crew aus Deutschland. In dieser Crew ist jeder gleich wichtig, das ist wie bei einem Motor: Wenn Sie da ein Teil rausnehmen, läuft er nicht mehr. Klar, irgendwie bin ich der Star, und natürlich bezahle ich diese Menschen, aber ich versuche, mit gutem Beispiel voranzugehen. Selbst, wenn ich mich nicht gut fühle oder erkältet bin, trete ich auf. Für das Publikum, aber auch für mein Team, um ihm zu zeigen, dass man sein Bestes geben muss. Und das tut es.

Es gibt auf dem Album ja auch einige symphonische Stücke. Wird es auf der Tour also auch Orchesterbegleitung geben?

Nein, leider nicht. So etwas ist sehr aufwändig und unglaublich teuer. Schon mit 30 oder 40 Leuten auf Tour zu gehen ist, als würden sie mit einer Kleinstadt umziehen – jeden Tag. Da noch ein Orchester zu integrieren, ist extrem kompliziert.

Sie haben andere Bands erwähnt und wie diese Konzerte spielen. Finden Sie noch die Zeit, sich selbst Konzerte anzuschauen?

Ja, hin und wieder.

Was für Musik ist das dann?

Zum Beispiel Peter Gabriel, sowas. Manchmal sagt auch ein Freund: "Da sind diese beiden Jungs, die spielen in einem Pub in der Stadt, die müssen wir sehen!" So war es neulich erst, und es war wirklich toll, auch wenn man bei den beiden gemerkt hat: Es gibt eine Grenze, die werden sie nie überschreiten. Überhaupt gab es nur eine Person in den letzten zehn Jahren, die mich wirklich umgehauen hat: einen Freund meines Sohnes, der häufiger bei uns übernachtet hat. Dem habe ich vor zwei oder drei Jahren eine Gitarre in die Hand gedrückt und gesagt: Spiel doch mal was. Und er legte los und ich dachte: "Wahnsinn, ist der gut!" Dieser Typ war Hozier, und dem habe ich dann ein paar Tipps gegeben, und als nächstes hat er einen Plattenvertrag bekommen und einen Riesen-Hit gelandet.

Sehen Sie sich als Nachwuchsförderer?

Manchmal durchaus. Aber wie sagen Sie jemandem, dass es für ihn keine Zukunft im Musik-Business gibt? Diese Branche ist echt hart. Umso mehr freut es mich, dass mein ältester Sohn, Hubie Davison, als DJ erfolgreich ist. Seine Musik ist so komplex, das erinnert mich an die beste klassische Musik. Ich liebe sie – vielleicht auch, weil sie so anders als meine ist.

Obwohl die Branche hart ist, scheinen Sie sich also nicht unwohl zu fühlen, wenn Ihre eigenen Kinder diesen Weg einschlagen ...

Nein, vor allem, weil mein Sohn das alles ohne die Hilfe seines Vaters geschafft hat. Ich bin aber überhaupt sehr glücklich über meine Kinder. Meine Tochter hat gerade ihr zweites Buch über vegane Ernährung veröffentlicht, und mein jüngster Sohn hat seinen Traumjob gefunden und arbeitet bei seinem Lieblings-Fußballverein – dem FC Liverpool. Sie alle gehen ihren eigenen Weg – und das ohne meine Hilfe. Darüber bin ich sehr froh.

Was war Ihr Traumberuf, als Sie klein waren?

Ich hatte keinen.

Wirklich nicht?

Nein. Natürlich gibt es Phasen, in denen man Lokführer oder Astronaut werden will. Und ich bin auf einem Bauernhof groß geworden und hatte immer unglaublich viel Respekt vor Landwirten. Aber einen Traumberuf, den hatte ich nicht.

Und wenn Sie auf die letzten 42 Jahre zurückblicken? Haben Sie dann trotzdem Ihren Traumberuf gefunden?

Ja – und er ist ganz einfach: Mein Job ist es, Menschen glücklich zu machen. Was kann es Besseres geben?

Das Interview führte Florian Blaschke.

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