37°-Reportage

"Schatten im Gleis" – Wenn Lokführer einen Selbstmord miterleben

von Andreas Schoettl

Jedes Jahr begehen etwa 700 Menschen Selbstmord, indem sie sich von einem Zug erfassen lassen. Für die Lokführer hat das traumatische Folgen. Eine ZDF-Reportage gibt zwei Lokführern eine Stimme.

ZDF
37°: Schatten im Gleis
Dokumentation • 27.10.2020 • 22:15 Uhr

Rund 700-mal pro Jahr machen Lokführende in Deutschland die gleiche schreckliche Erfahrung wie Sören oder Wolfgang. Sie überrollen mit ihrer tonnenschweren Zugmaschine einen Menschen. Manchmal sind es Unfälle, oft sind es keine. Statistisch gesehen erlebt jeder Lokführende ein- bis zweimal in seinem Berufsleben einen Schienensuizid. So werden auch sie zu Opfern. Dabei haben sie doch nur ihren Dienst ausgeführt.

Mit ihrem intensiven Film, der nun im Rahmen von "37°" im ZDF zu sehen ist, geben Katja Aischmann und Volker Schmidt Menschen wie Sören und Wolfgang eine Stimme. Beide haben mit ihrer Lok einen anderen überfahren. Sören beispielsweise konnte nur noch die Augen schließen und auf den Knall warten, als plötzlich eine junge Frau mitten auf dem Gleis aufgetaucht war. Wolfgang erlebte in seinem 30-jährigen Berufsleben als Lokführer bereits fünfmal diesen dumpfen Aufschlag infolge eines Schienensuizids.

Beide eint, dass sie nur sehr schwer über das Erlebte hinwegkommen. Es sind bohrende Fragen wie "Bin ich schuld an diesem Tod?", die mürbe machen. Sören etwa, der den tödlichen Gleisunfall gleich in seinem ersten Jahr als Lokführer erleben musste, leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch Wolfgang wurde die seelische Last nach seinem fünften Trauma zu schwer. Während seines Aufenthalts in einer psychosomatischen Fachklinik am bayerischen Chiemsee spricht er offen über Schuldgefühle und Selbstzweifeln. Er spricht für sich und gleichzeitig doch für so viele andere. Denn: Im deutschen Eisenbahnnetz arbeiten rund 30.000 Lokführende. Das sind 30.000, die wie Wolfgang immer mit der Angst leben müssen, dass sich plötzlich ein Mensch vor ihren Zug wirft.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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