Schauspielerin aus "Tatort: Monster"

Luisa-Céline Gaffron: Ein Krippenspiel war der Startschuss

von Julian Weinberger

Luisa-Céline Gaffron brilliert im Dortmunder "Tatort: Monster" als facettenreiche Mörderin, die sich ein packendes Psycho-Duell mit Kommissar Faber liefert.

Die Nominierung für den Deutschen Schauspielpreis für ihre Rolle in "8 Tage", ein Engagement beim Schwarzwald-"Tatort" und am Filmset mit Hollywoodstar Judi Dench: Obwohl Luisa-Céline Gaffron erst 2018 ihr Schauspielstudium beendet hat, konnte sie seither beachtliche Erfolge feiern. Warum man den Namen der gebürtigen Wienerin unbedingt auf dem Schirm haben sollte, stellt sie in der neuen "Tatort"-Episode "Monster" (Sonntag, 2. Februar, 20.15 Uhr, ARD; lesen Sie hier unsere Filmkritik) eindrucksvoll unter Beweis. In ihrer Rolle als Killerin fordert Gaffron Kommissar Faber (Jörg Hartmann) zum Psycho-Duell heraus und liefert die ganze Bandbreite an Emotionen – von apathisch über hochemotional bis zu einer gewaltigen Eruption am Ende des Films. Im Gespräch erzählt die 26-Jährige, weshalb ihr die Rolle zugesetzt hat, spricht über Vor- und Nachteile der sozialen Medien und verrät, warum ein Krippenspiel der Ausgangspunkt ihrer Karriere war.

prisma: Sie haben sich selbst zum neuen Jahr Digital Detox für die sozialen Medien verschrieben. Was hat es damit auf sich?

Luisa-Céline Gaffron: Soziale Medien können eine total tolle, verbindende Sache sein, aber gerade am Anfang des Jahres kann es auch guttun, anderen Sachen Raum zu geben und sich ein bisschen zurückzuziehen aus dieser Welt. Social Media gibt super viel Input, und ich wollte einfach mal einen Monat einlegen, in dem ich reflektieren kann, wie ich diese Medien nutze und was sie mit mir machen.

prisma: Sie nutzen Ihr Profil sonst als Sprachrohr für politische Botschaften. Welche Resonanz haben Sie bislang erhalten?

Gaffron: Der Großteil der Rückmeldungen ist sehr schön, auch wenn unangenehme Kommentare natürlich nicht ausbleiben. Ich habe schon viele Leute im Privaten getroffen, die honorieren, was ich zu bestimmten Themen gesagt habe. Ich befinde mich in einer privilegierten Stellung, und deshalb finde ich es wichtig, diese zu nutzen. Bis auf Sexismen erfahre ich als blonde, blauäugige Person kaum Diskriminierung. Aber künstlerisches Arbeiten bedeutet für mich, eine Haltung zur Welt zu haben.

prisma: Sehen Sie sich als Person der Öffentlichkeit in einer Vorbildfunktion?

Gaffron: Ich würde von mir selbst diese Haltung auch erwarten, wenn ich nicht in der Öffentlichkeit stehen würde. Es ist wichtig, sich zu bilden und zu verfolgen, was in der Welt passiert. Wenn man dazu noch eine Reichweite hat, finde ich es besonders bedeutsam. Sobald man als Film- oder Theaterschaffende Dinge produziert, die viele Leute erreichen, hat man eine gewisse Verantwortung, die darüber hinaus geht, was man sich als einzelne Person gerade wünscht. Das Wichtigste ist es, für neue Dinge offen zu sein und integer zu handeln.

prisma: Kann Engagement in den sozialen Medien dazu beitragen, politische oder gesellschaftliche Missstände zu beheben?

Gaffron: Das geht natürlich immer Hand in Hand, denn auch Gesetze müssen sich verändern, und der Staat muss Maßnahmen ergreifen, etwa in Bezug auf den Klimawandel. Das kann die Zivilgesellschaft als solche nicht alleine schaffen. Aber ich bin in den sozialen Medien auf viele Menschen gestoßen, die mich total inspirieren und von denen ich wahnsinnig viel gelernt habe. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich unter anderem stark in Richtung "Fast Fashion" entwickelt oder zur Wegwurfkultur. Wenn man damit aufwächst und es total normal ist, braucht man erst eine Weile, um es zu hinterfragen.

prisma: Welche Themen bewegen Sie aktuell besonders?

Gaffron: Momentan ist es der Klimawandel. Dass sich in diesem Feld viel bewegt und sich so viele Menschen engagieren wollen, freut mich. Teilweise bin ich ultrawütend, etwa wenn man sich vor Augen führt, dass es in Australien ein Silvesterfeuerwerk gab, obwohl tausende Wälder abbrennen und Koalas sterben. Da weiß man manchmal gar nicht, wo man anfangen soll. Aber ich glaube, wenn man beginnt, bewusst mit seinen Mitmenschen und den Dingen umzugehen, dann führt das zu einer Kette von Verhaltensweisen, die zu einer nachhaltigeren und sensibleren Haltung den Menschen und dem Planeten gegenüber führt.

prisma: Trotz Ihrer noch jungen Karriere übernahmen Sie nun bereits zum zweiten Mal eine Rolle beim "Tatort". Wie fühlt es sich an, Teil eines solch traditionsreichen Formats zu sein?

Gaffron: Das ist toll. Allgemein erlebe ich zurzeit ganz viele erste Male, und ich fühle mich so, als sei ich jetzt in dieser Industrie angekommen. Dass ich jetzt so kurz nach dem Abschluss der Schauspielschule beim "Tatort" dabei sein darf, ist eine totale Ehre. Viele Menschen verfolgen den "Tatort", und gerade nach der ersten Rolle beim Schwarzwald-"Tatort" habe ich viel Feedback bekommen.

prisma: Sind Sie selbst "Tatort"-Fan?

Gaffron: Jetzt schaffe ich es nicht mehr jeden Sonntag, mir die Filme anzusehen. Aber bevor ich Schauspiel studiert habe, habe ich in Wien in einer Bar gearbeitet, in der man sonntags "Tatort" schauen konnte.

prisma: Im Dortmunder "Tatort" spielen beinahe alle Ihrer Szenen in einem Raum. Inwiefern hat sich das auf Ihr Spiel ausgewirkt?

Gaffron: Der Raum war irgendwann total krass für mich, was weniger an dem Raum an sich, sondern vielmehr an der Rolle lag, die ich spielen musste. An diesen Ort zu gehen, war irgendwann so eklig für mich, dass ich schon beim Betreten des Raumes Rückenschmerzen und Kopfweh bekommen habe. Ich fand es aber eigentlich total spannend, dass durch die Umstände eine solche Konzentration auf das Spiel selbst stattfand. Was zwischen Jörg Hartmann (spielt Kommissar Faber, d. Red.) und mir passiert, erzählt sich ausschließlich über das, was wir sagen und was in unseren Gesichtern passiert.

prisma: Wie haben Sie sich auf diese komplexe Rolle vorbereitet?

Gaffron: Ich habe mich sehr stark mit dem Thema Kindesmissbrauch auseinandergesetzt und mit einer Therapeutin gesprochen, die Therapien für Täter und Opfer anbietet. Dort konnte ich mir viele Infos einholen. Eine solche Rolle erfordert es definitiv, sich tiefgehend damit zu beschäftigen. Das ist einerseits spannend, aber auch sehr schlimm, weil ich mich mit Inhalten gefüttert habe, die man nicht gerne mit sich herumträgt.

prisma: Ihre Rolle ist eine geschundene Seele. Wie ist es Ihnen im Alltag gelungen, sich davon zu distanzieren?

Gaffron: Es war auf jeden Fall die Rolle, bei der es mir am schwersten gefallen ist, sie danach wieder loszuwerden. Ich war danach wahnsinnig traurig, auf eine Art und Weise, dass ich es aus mir rausheulen musste. Wenn man zwölf Stunden am Tag damit verbringt, zu weinen oder andere starke Emotionen zuzulassen, merkt sich das der Körper und ist am Ende des Tages k.o.

prisma: Sie haben erst 2018 ihr Schauspielstudium beendet, waren seither aber bereits an vielen großen Projekten beteiligt. Müssen Sie sich manchmal kneifen, dass Sie so schnell den Durchbruch geschafft haben?

Gaffron: Letztes Jahr hatte ich ab und zu diesen Moment, gerade als ich für den Deutschen Schauspielpreis nominiert war. Es war krass, mit so vielen Menschen in einem Raum zu sein, die ich bewundere. Und dann sitze ich da, und die müssen mich für drei Sekunden auf der Leinwand ansehen, weil ich auch für einen Preis nominiert bin. So eine Bestätigung ist natürlich total wichtig, muss aber nicht zwingend mit einem Preis verbunden sein. Wenn im Privaten Menschen auf mich zukommen und mich für eine Rolle loben, kann das genauso wertvoll sein. Das ist ebenso eine Belohnung wie Menschen aus der Industrie, die mit neuen Jobs auf dich zukommen.

prisma: Was war entscheidend für Ihren Durchbruch?

Gaffron: Ich glaube, das ist meine relativ konsistente Arbeit, bei der ich immer Haltung eingenommen habe und gezeigt habe, wofür ich stehe. Dann wissen die Leute, was sie erwartet.

prisma: Auf welche Kriterien legen Sie bei der Rollenauswahl wert?

Gaffron: An erster Stelle stehen für mich schlaue Drehbücher, die nicht sexistisch oder rassistisch sind. Auch die Herausforderung ist wichtig, ich muss nicht das Gleiche 20-mal hintereinander spielen.

prisma: Trotz Ihrer jungen Karriere haben Sie bereits Rollen im TV, Kino, im Streamingbereich und im Theater ausgefüllt. Wo sehen Sie sich langfristig?

Gaffron: Überall! Ich empfinde es als perfekt, so viele verschiedene Dinge zu machen. Das liebe ich an dem Beruf. Dann wird man von nicht von einem genervt und behält sich die Liebe für alles. Prinzipiell mag ich es aber sehr gerne, langsam und in Ruhe Figuren zu erzählen.

prisma: Gibt es konkrete Vorbilder, von denen Sie sich inspirieren lassen?

Gaffron: Nein, und das ist für mich ein Schlüssel für diesen Beruf, dass man nicht versucht, diese eine andere Person zu werden. Stattdessen betrachtet man alle Filmschaffenden, egal ob Männer oder Frauen, Regie oder Schauspiel, und schaut sich von allen ab, was man an ihnen toll findet. Zusätzlich füttert man es ganz deutlich mit einer eigenen Haltung, denn ich will ja keinem nachfolgen, sondern ich will ich sein.

prisma: Haben bestimmte Schauspieler oder Filme Sie trotzdem in Ihrer Entwicklung geprägt?

Gaffron: Ich finde Filme von Xavier Dolan großartig, wie zum Beispiel "Mommy". Auch Schauspielerinnen wie Tilda Swinton und Cate Blanchett oder Filme von Michael Haneke, etwa "Die Klavierspielerin", haben mich begeistert. Und im Theaterbereich haben mich besonders Birgit Minichmayr und Martin Wuttke geprägt. Kürzlich habe ich sogar mit Martin gearbeitet, und jetzt drehe ich einen Film, in dem Birgit mitspielt.

prisma: Wie ist es, mit diesen Schauspielern zu arbeiten, die Sie noch vor kurzem als Zuschauer verfolgt haben?

Gaffron: Mit Martin war es besonders lustig. Ich musste mich so bemühen, selber noch zu spielen, weil ich ihm so gerne zuhöre und zuschaue. In dem Film "Stillstehen", der bald ins Kino kommt, spielt er meinen Chef. Zwischendrin musste ich mich immer wieder erinnern: "Luisa, du musst weiterspielen." Ich finde ihn einfach toll, und das hat mir so eine Freude gemacht.

prisma: Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für die Schauspielerei entdeckt?

Gaffron: Ich war in einer evangelischen Grundschule, die neben einer Kirche stand. Zu Ostern und Weihnachten wurden dort immer Krippenspiele aufgeführt. Eine Grundschullehrerin, die mich eigentlich nicht so mochte, empfahl mich wegen meiner guten Leistungen in Deutsch für eine Vorführung. Zu dieser Zeit habe ich so schnell geredet, dass ich immer die Hälfte der Worte verschluckt habe. Doch als ich auf der Bühne stand, konnte ich auf einmal ganz normal reden. Davon erzählt meine Mama bis heute. Da hat alles seinen Anfang genommen.

prisma: Wann hat sich daraus der Berufswunsch Schauspielerin entwickelt?

Gaffron: Ich habe lange im Jugendtheater gespielt. Mit 18 Jahren bin ich irgendwann darauf gekommen, dass man Schauspielerei studieren kann. Dann habe ich mich bei Schauspielschulen beworben und bin zum Glück bei einer genommen worden.

prisma: Sie kommen ursprünglich aus Wien und leben jetzt in Berlin. Was vermissen Sie an Ihrer Heimat?

Gaffron: Auf jeden Fall die Kaffeehäuser, das haben Sie in Berlin leider nicht drauf. Ich vermisse diese alten Orte, die eine solche Tradition haben und visuell derart schön sind. Diese Ausstrahlung fehlt mir hier.

prisma: Was an Ihnen ist typisch Wienerisch?

Gaffron: Definitiv mein Humor. Auch, dass ich hin und wieder ein wenig vor mich hingrantele.

prisma: Wollen Sie über kurz oder lang wieder zurück nach Wien?

Gaffron: Ich glaube nicht, das würde sich immer wie ein Schritt zurück anfühlen. Wenn ich dort einmal arbeite, wäre das zwar schön, aber richtig zurückzugehen, kann ich mir nicht vorstellen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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