Filmreihe im Ersten

Warum "Toni, männlich, Hebamme" durchaus sehenswert ist

von Eric Leimann

Der Münchener Enddreißiger Toni (Leo Reisinger) ist als Hebamme ein Naturtalent. Für sensibel kompetente Höchstleistungen im Job bekommt er von jungen Müttern viel Lob. Trotzdem wird er als Mann im weiblich dominierten Beruf kritisch beäugt. Als Toni, Vater zweier Kinder, seinen Job im Krankenhaus verliert, muss er sich selbstständig machen. Frauenärztin Luise (Wolke Hegenbarth) geht mit ihm eine Praxisgemeinschaft ein. Bald rollen erste Fälle auf das Duo zu. Die komödiantische Filmreihe umfasst mittlerweile vier Folgen. Das Erste zeigt noch einmal, wie alles anfing.

ARD
Toni, männlich, Hebamme – Allein unter Frauen
Komödie • 24.07.2020 • 20:15 Uhr

Die herzkranke Ida (Anja Antonowicz) bemerkt ihre Schwangerschaft erst, als die Geburtswehen einsetzen. Ein Baby, so die Angst der Alleinstehenden, könnte sie völlig überfordern. Die schwangere Gina (Rosetta Pedone) hingegen lässt gleich drei Männer glauben, sie seien der Vater. Was nach einer Klamotte aus dem letzten Komödien-Jahrhundert klingt, ist dank ordentlicher Drehbücher und dem Charme von Hauptdarsteller Leo Reisinger durchaus sehenswert.

Hört man nur die grundsätzliche Plot-Idee (eine männliche Hebamme!) und liest ihre Ausformungen im Debütfilm der mittlerweile auf vier Filme angewachsenen ARD-Degeto-Reihe, ahnt man das Schlimmste. Eine erwachsene Frau bemerkt ihre Schwangerschaft bis zu den Geburtswehen nicht! Dagegen schafft es die verpeilt lebenslustige Gina, gleich drei Typen davon zu überzeugen, sie seien ihre einzige große Liebe und logischerweise der Vater ihres baldigen Nachwuchses. Nun – realistisch geht anders.

In Sebastian Stojetz' und Sibylle Tafels (auch Regie) Drehbuch kommt noch eine weitere, heikle Konstruktion dazu: Ausgerechnet Tonis Praxiskollegin Luise ist der Grund, warum sich Noch-Ehefrau Hanna (Kathrin von Steinburg) von der männlichen Hebamme trennte. Ihr Mann hatte – unerkannt im Hasenkostüm – während des Karnevals Sex mit der Ärztin. Was Toni natürlich, um den neuen Job nicht zu gefährden, tunlichst im Geheimen halten will.

Vier männliche Hebammen in Deutschland

Trotz konstruiert und abgenutzt wirkender Twists schnurren die Münchner Geschichten rund um Hebamme Toni angenehm durch. Dies liegt zum einen an vielen kleinen Szenen und Dialogen, die der damals gerade mal 30-jährige Nachwuchsautor Sebastian Stojetz ("Der Lack ist ab") – übrigens ein gebürtiger Münchner – und die erfahrene Autorin/Regisseurin Sybille Tafel ("Zwei Bauern und kein Land") schrieben. Im Detail wirkt das Miteinander der Figuren nämlich erstaunlich realistisch und von feinem Humor durchzogen, der wunderbar leicht Geist und Atmosphäre des Handlungsortes München einfängt.

Der Zuschauer dringt in Biografien zwischen Größenwahn und augenzwinkernder Satire ein – in manchen Szenen scheint eine Bartspitze Helmut Dietls um die Ecke zu lugen. Auch der noch weitgehend unbekannte Hauptdarsteller Leo Reisinger erweist sich als prima Wahl. Mit großer Lockerheit, authentischer Sprache und Gestus, nimmt man dem Vater die Rolle zu einhundert Prozent ab.

Männliche Hebammen, das dürfte erstaunen, gibt es übrigens wirklich. Seit 1985, so ist es im Gesetz verankert, dürfen auch nicht-weibliche Bewerber die dreijährige Ausbildung zur Hebamme absolvieren. Entbindungspfleger lautet dann deren offizielle Berufsbezeichnung. Bundesweit gab es 2018 gerade einmal vier Männer, die den Beruf tatsächlich praktizieren.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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