Start der vierten Staffel

"Weissensee": ARD-Saga zwischen Soap und Historiendrama

von Eric Leimann

Die ersten freien Wahlen in der DDR, die Gründung der Treuhand, Einführung der D-Mark. All diese historischen Ereignisse erleben die Zuschauer der vierten "Weissensee"-Staffel wie immer dramaturgisch verdichtet mit der Familie Kupfer: Martin (Florian Lukas), seine beiden Töchter und die aus dem Westen stammende Journalistin Katja Wiese (Lisa Wagner) sind zu einer halbwegs funktionierenden Patchworkfamilie zusammengewachsen. Martins Bruder Falk (Jörg Hartmann), früher Stasi-Offizier, sitzt im Rollstuhl seit ihn DDR-Sängerin Dunja Hausmann (Katrin Sass) niedergeschossen hat. Unter neuer Identität will er ein neues Leben beginnen. Derweil sind sich Patriarch Hans Kupfer (Uwe Kockisch) und Frau Marlene (Ruth Reinecke) uneins, wie man die zerfallene DDR bewerten und – eventuell "undercover"  fortzusetzen soll.

ARD
Weissensee
Serie • 08.05.2018 • 20:15 Uhr

Bereits "Weissensee"-Staffel drei wurde im Herbst 2015 an drei aufeinander folgenden Abenden gesendet. Mit Erfolg! Um die 4,6 Millionen Zuschauer (starke 16 Prozent Marktanteil) verfolgten die mit dem Mauerfall beginnende Vorgängerstaffel. Die neuen Folgen, für die erstmals nicht mehr Annette Hess ("Ku'damm 59") sondern Regisseur Friedemann Fromm die Drehbücher schrieb, werfen nun einen präzisen Blick auf die erste Hälfte des turbulenten Jahres 1990.

Die ehemaligen DDR-Bürger Kupfer und Co. versuchen, sich in einem rasant veränderndem System zurechtzufinden: Falks Ex-Frau Vera (Anna Loos) will sich nach in der DDR-Bürgerrechtsbewegung verdienten Lorbeeren in ein politisches Amt wählen lassen – und erlebt eine Überraschung. Auch die jungen Charaktere müssen sich neu finden. Während Roman Kupfer (Ferdinand Lehmann) mit der rechten Szene in Berührung kommt, will Martins ältere Tochter Lisa (Saskia-Sophie Rosendahl) als Model Karriere machen.

Mauerfall kann jeder! Die dramaturgisch unübersichtlichen Zeit des deutsch-deutschen Jahres 1990 in ein spannendes Drehbuch zu verwandeln, ist jedoch durchaus anspruchsvoll. Friedemann Fromm gelingt dieses Kunststück in seinen sechs neuen "Weissensee"-Folgen durchaus. Die Folgen 19 bis 24 dürften sogar die bislang komplexesten des zwischen anspruchsvoller Soap und politischem Historiendrama pendelndem Erfolgsprogramm sein. Toll, wie Ruth Reinecke als ehemals stille DDR-Mutti nun an der geheimen Erhaltung des alten Systems werkelt, während ihr Mann Hans vollends zum moralischen Grübler mutiert. Und der getriebene Stasi-Bösewicht Falk? Gewinnt auf perfide Art Zuschauerherzen, indem er sich mithilfe seiner Physiotherapeutin Petra Zeiler (Jördis Triebel) und einem neuen Job bei einer großen Westversicherung, die auf Stasi-Kontakte setzt, wieder ins Leben zurückschuftet.

All diese Erzählstränge verknüpft "Weissensee" gekonnt und in der historischen Reflexion auf gehobenem Niveau. Selbst wenn die Bilder gemessen an den mittlerweile enorm hohen Standards des heutigen Serienfernsehens ein wenig altbacken und klein wirken, kann sich die chronologisch die deutsche Geschichte aufarbeitende ARD-Saga sehen lassen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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