"Rechtsrock in Deutschland – Das Netzwerk der Neo-Nazis"

ZDFneo-Doku über Rechtsrock: zwischen Morddrohungen und Hitlergruß

von Bernd Hirt

Lange Zeit kamen Rechtsrock-Bands nicht aus den Hinterzimmern heraus. Heute ist das längst ganz anders. Eine neue TV-Dokumentation beleuchtet, wie professionell die Neonazi-Musikszene in Deutschland mittlerweile organisiert ist – und wie selbstbewusst sie sich präsentiert.

Wütend ausgestreckte Stinkefinger und lautstarke Hass-Parolen weisen den Reportern der brisanten neuen Dokumentation "Rechtsrock in Deutschland – Das Netzwerk der Neo-Nazis" (Samstag, 02. November, 20.15 Uhr, ZDFinfo) den Weg. Kritische Journalisten, vor allem solche, die auf Konzerten und Aufmärschen Anhänger der boomenden Rechtsrock-Szene fotografieren wollen, sind in den wehrhaften Fangemeinden nicht gerne gesehen. Die Reporter werden nicht selten abgedrängt und bedroht. Doch wenn Gegendemonstranten auftauchen, gibt man sich selbstbewusst: Wie die Doku zeigt, sind vor allem großangelegte Festivals orchestrierte Machtdemonstrationen. Und gleichzeitig spülen sie Geld in die Kassen der Vermarkter.

32 einschlägige Labels bieten mittlerweile rechtsgerichteten Bands in Deutschland eine Plattform, um CDs zu veröffentlichen, Konzerte zu veranstalten und Botschaften von Aufwiegelung und Gewalt zu verbreiten. In dem Beitrag wird deutlich: Es geht der Szene um Geltungsbewusstsein – und ums Geld. Knapp eine Million Euro wurden im vergangenen Jahr Schätzungen von Marktbeobachtern zufolge allein im Bundesland Thüringen mit Rechtsrock-Produkten umgesetzt.

Spezialisiert auf die Musikrichtung der Rechten hat sich unter anderem der Wissenschaftler Thorsten Hindrichs, der an der Universität Mainz die rechte Szene und ihre Konzertaktivitäten im Blick behält. "Dahinter steckt eine riesige Musikindustrie", sagte er in der ZDFinfo-Doku. Er hat attestiert dem Rechtsrock nicht nur eine bemerkenswerte Professionalisierung, sondern auch gezielte Propaganda. "Das Bedrohungspotenzial und die Gewaltbereitschaft ist größer geworden", betont der Musikprofessor.

Ebenfalls ein gut vernetzter Kenner der Szene ist der Investigativjournalist André Aden, der die Umtriebe der Rechtsgerichteten in Deutschland für das Netzwerk Recherche Nord dokumentiert und selbst viel auf Rechtsrock-Festivals unterwegs ist. Was wie Smalltalk mit Neonazis aussehen könnte, ist Adens Versuch, ganz nah an Fans, Sympathisanten, aber auch an Strippenzieher heranzukommen. Oft ist das ein sehr gefährlicher Job. Mehrere Morddrohungen hat der Journalist und Szenekenner bereits erhalten. "Wir schwimmen mit Haien und passen auf, dass uns kein Hai beißt", sagt er über seine investigative Arbeit. In seinem Büro zeigt er den ZDF-Kameras Schaubilder mit den Verflechtungen der Rechtsrock-Musikbranche, die er analysiert und mit Fotos versehen hat.

Was den Filmbericht, den der kleine öffentlich-rechtliche Spartensender zur besten Sendezeit ausstrahlt, so beklemmend macht, sind nicht nur die Bilder von "Sieg Heil"-grölenden Zuschauermengen, die in der Tat oft keinerlei Scheu haben, mit dem verbotenen Hitlergruß zu salutieren. Es sind vor allem die Einblicke hinter die Kulissen: Sie zeugen von der Professionalität einer Spielart der Musikbranche, die den gängigen Mechanismen der Popstar-Vermarktung kaum in etwas nachsteht. Das ganz große Geld wird auf den Neonazi-Musikfestivals, deren Botschaften zur Schau gestellte Machtansprüche und unverhohlene Drohungen gegen Andersdenkende sind, insbesondere mit Merchandising gemacht. Nach dem Konzert deckt sich eben auch der Rechtsrock-Fan mit hochpreisigen Shirts, Aufnähern, Kappen und Kapuzenhemden ein und unterstützt somit einen Industriezweig.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren