TV-Koch im Interview

Steffen Henssler kocht jetzt wieder mit "Normalos"

von Eric Leimann

Steffen Henssler ist der Showman und Hochenergetiker unter den Fernsehköchen. Umso interessanter, dass sich der 49-Jährige nun einem eher unglamourösen Konzept unterordnet. In der ARD-Nachmittagsshow "Familien-Kochduell" brutzeln von Montag bis Freitag "Normalos" mit kleinem Budget um die Wette.

ARD, 16.10 Uhr. Hört sich nicht unbedingt nach der Sendezeit jenes Mannes an, der einst Stefan Raab in der Blockbuster-Samstagabendshow "Schlag den Henssler" beerbte – selbst wenn das Unterhaltungs-Format mit dem Koch ohne Herd schnell wieder eingestellt wurde. Trotzdem überrascht die Idee, dass ausgerechnet Showman Steffen Henssler ("Grill den Henssler") im neuen ARD-Format "Familien-Kochduell" (ab Montag, 21. Februar, 16.10 Uhr, Das Erste) zu den Koch-Wurzeln zurückkehrt.

In der von Montag bis Freitag ausgestrahlten Nachmittags-Sendung versuchen pro Woche zwei Familien, den bescheidenen Preis von 1.000 Euro nach Hause zu holen. An jedem der fünf Werktage treten zwei Pärchen aus einem Kreis von vier Familienmitgliedern mit einer Vor- sowie einer Hauptspeise gegeneinander an. Steffen Henssler moderiert und gibt Tipps. Eine Jury bewertet, welche Familie den Sieg davonträgt. Im Gespräch zum neuen Format spricht der Hamburger Fernsehkoch über gute und schlechte Küche, über Vorteile, die das Arbeiten mit "Normalos" gegenüber dem Promi-TV haben sowie seine goldene Regel, dem "Koch-Burnout" vorzubeugen.

prisma: Dass Sie im Ersten kochen und das auch noch am Nachmittag, ist ungewöhnlich. Hatte man bei Ihrem Haussender VOX keine Lust auf das Format?

Steffen Henssler: Ich habe ja sogar mal beim NDR angefangen mit dem Kochen im Fernsehen. 2006 war das mit "Hensslers Küche". Das Format lief aber nur im Dritten, insofern ist das jetzt schon meine Premiere im Ersten. Aber, wissen Sie, das mit dem Programm-Namen ist heute nicht mehr so wichtig. Exklusiv arbeitet kaum noch jemand für einen Sender. Warum auch? Man hat eine Idee und schaut, mit welchen Partnern man sie umsetzen kann. So geht es doch allen Beteiligten am besten.

prisma: "Familien-Kochduell" erinnert trotzdem allein schon aufgrund des Namens ans "Kochduell", das bei VOX von 1997 bis 2005 lief. Auch da kochten zwei Teams mit einem Einkaufsbudget um die Wette ...

Henssler: Ach, das "Kochduell" mit Britta von Lojewski, jetzt erinnere ich mich wieder daran. Die haben sogar damals im Restaurant meines Vaters einen Pressetermin gemacht. Das ist wirklich schon lange her. Ich erinnere mich aber daran, dass die Show sehr Profikoch-orientiert war und auch der Wettkampfgedanke im Vordergrund stand. Wir machen da schon etwas anderes.

prisma: Inwiefern – was wollen sie zeigen?

Henssler: Wir wollen so ein bisschen "back to the basics" in Sachen Kochen im TV. Die Familien haben 100 Euro Budget pro Woche. Das entspricht dem, was eine Durchschnittsfamilie statistisch für diese fünf Tage tatsächlich aufwendet. Wir wollen zeigen, wie preiswert oder teuer bestimmte Zutaten sind – und was man kreativ damit anfangen kann.

prisma: Spielt nicht die Qualität der Lebensmittel und natürlich auch die Einkaufsstätte eine große Rolle bei der Frage, was und wie viel man für 100 Euro bekommt?

Henssler: Na klar, aber die 100 Euro sind schon eine Summe, in der diese Kriterien einfließen. Die meisten Leute, zumal der statistische Durchschnitt, kauft sozusagen divers ein. Da werden Sonderangebote und Waren aus dem Discounter oft mit teureren Lebensmitteln gemixt. Wichtig ist es mir, zu zeigen, dass man mit normalen und erschwinglichen Zutaten gut kochen kann. In Kochshows gibt es die Tendenz, besonders feine, für manche Leute unerschwingliche Dinge zuzubereiten. Das "Familien-Kochduell" ist eine Show aus der Lebenswirklichkeit.

prisma: Möchten Sie beweisen, dass man mit wenig Geld gut kochen kann?

Henssler: Es ist möglich, mit wenig Geld gut zu kochen – aber das zu zeigen, ist nicht Ziel der Show. Eher schon, dass man ein Gefühl für den Wert verschiedener Lebensmittel bekommt. Gute Küche kann man auf unterschiedlichste Weise produzieren. Mal kommt man über die Qualität des Produktes, dann wieder über die Zeit, die man reinsteckt, manchmal auch über Raffinesse und kreative Ideen. Man kann definitiv mit einfachsten Mitteln sehr leckere Dinge produzieren. Ich habe gerade eben eine Sendung aufgezeichnet, in der es einen Broccoli-Apfelsalat mit einer gerollten Sesamstange gab. Das Gericht hatte einen Wert von 2,30 Euro pro Teller und war extrem lecker. Man muss nicht immer zum Rinderfilet greifen.

prisma: Sie haben in anderen Shows viel mit Prominenten zu tun. Hier sind all Ihre Gäste normale Leute. Wo liegt der Unterschied, wenn wir über den Unterhaltungsaspekt reden?

Henssler: Sie werden es nicht glauben, aber Prominente sind auch oft ganz normale Leute. Aber ich weiß natürlich, was Sie meinen (lacht). Ich finde es sogar angenehmer, mit "ganz normalen Leuten" zu arbeiten, denn die haben nichts zu vermarkten. Sie haben auch kein Image, das sie verkaufen müssen. Gerade die Familien-Idee funktioniert super, finde ich, denn Familien sind eingespielte Teams mit eigener Dynamik. Dadurch, dass man sich extrem gut kennt, spielt man sich locker die Bälle zu oder zeigt zumindest viel von sich selbst.

prisma: Aber Ihre Kandidaten sind keine Medien-erfahrenen Promis. Sie könnten beim Kochen unter Zeitdruck von der Zusatzaufgabe, dabei noch unterhaltende Geschichten zu erzählen, überfordert sein.

Henssler: Also wir haben bislang etwa 40 Shows aufgezeichnet und bisher war es nie ein Problem. Natürlich gibt es Menschen, die brauchen mehr Ruhe beim Kochen als andere. Aber das ergibt sich von selbst. Wenn einer unter Stress zum Schweiger wird, dann übernimmt ein anderes Familienmitglied und kommentiert. In der Familie hat jeder Mensch seine Geschichte. Zusammen hat man viele. Es ist extrem einfach, mit Familien Unterhaltungsfernsehen zu machen. Man muss dafür auch kein großes Casting machen. Natürlich ist klar: Die Leute, die in unsere Show kommen, wissen, dass man im Fernsehen auch ein bisschen was erzählen muss. Höhere Anforderungen als diese gibt es aber nicht.

prisma: Im "Familien-Kochduell" sieht man, dass die Bandbreite und Ambition dessen, was normale Leute zu Hause kochen, gegenüber den alten Tagen der Hausmannskost deutlich gestiegen sind. Liegt das an den vielen Kochshows, die wir im Fernsehen sehen?

Henssler: Ich denke, Kochshows haben zumindest dazu beigetragen, dass sich Menschen mehr mit Ernährung und Kochen auseinandersetzen, als das in meiner Kindheit der Fall war. Ich glaube auch, dass sich Leute, die selbst kochen, heute mehr Zeit dafür nehmen als früher. Gerade die letzten beiden Corona-Jahre haben dem Kochen daheim noch mal einen Push gegeben.

prisma: Sie sind nicht nur Fernsehkoch, Sie betreiben auch Restaurants. Wer ins Restaurant geht, will besser essen als bei sich zu Hause. Wenn das Heim-Niveau insgesamt gestiegen ist, stellt das nicht ein Problem für die Gastro-Szene dar?

Henssler: Das ist eine interessante Überlegung, aber in der Realität sieht es doch ein wenig anders aus. Die meisten Restaurants betreiben eine bestimmte Richtung von Kochkunst, sie haben sich spezialisiert. Ich unternehme viel mit Sushi und japanisch inspirierter Küche. Da bekommen wir Ware, die kann man als Privatperson im freien Handel gar nicht erwerben. Auch die Mengen, die man im Restaurant kocht, spielen eine Rolle. Wer eine Soße aus 20 Kilogramm Kalbsknochen ansetzt, erreicht noch mal einen anderen Geschmack, als wenn Sie zu Hause etwas aus 500 Gramm Knochen kochen.

prisma: Also punktet das Restaurant mit Expertise und Menge?

Henssler: Unter anderem. Natürlich auch mit Ambiente, denn sich stilvoll bekochen zu lassen, erzeugt andere Gefühle, auch auf dem Gaumen. Grundsätzlich sind die Gäste heute aber kritischer als früher. Früher sagte man: Der Kunde – oder eben der Gast – ist König. Dafür war der König dann aber auch dankbar. Heute gibt es viele Leute, die verhalten sich im Restaurant auch wie Könige – allerdings schlecht erzogene Könige (lacht).

prisma: Kochen Sie überhaupt noch privat und wenn ja: aufwendig oder einfach?

Henssler: Na klar, ich koche zu Hause sehr regelmäßig, allerdings auch sehr simpel. Mein Youtube-Kanals "Hensslers schnelle Nummer" ist aus dieser Art Küche entstanden. Kochen daheim, das heißt für mich: links, rechts, vorne, hinten – und dann ist fertig.

prisma: Wenn Komplexität und Geschmack nicht korrelieren, gibt es dann überhaupt noch einen Grund, aufwendig zu kochen?

Henssler: Auch das kann man so einfach nicht sagen. Es gibt Geschmäcker, die brauchen ihre Zeit. Wenn ich zum Beispiel ein geschmortes Stück Fleisch zubereiten möchte, geht das nicht auf die Schnelle. Anders ist es, wenn ich ein Rumpsteak kurz anbrate. Da bekomme ich den Geschmack schnell rausgekitzelt.

prisma: Entwickelt sich das Kochen überhaupt noch weiter, oder sind schon alle Geschmäcker mehr oder weniger erfunden?

Henssler: Das Kochen neu erfinden, ist ein großes Wort. Ich würde es eher mit der Mode vergleichen. Da gibt es immer wieder mal andere Akzente, aber im Prinzip kommt alles wieder. Natürlich passieren auch ab und zu neue Dinge, wie das langsame Garen, das derzeit sehr populär ist. Dafür werden dann abgefahrene Geräte angeboten, das ganze Sous-vide-Garen, also Garen im Vakuum, ist derzeit im Trend. Da passiert gerade sehr viel, und einiges ist auch tatsächlich neu. Trotzdem bleibt ein gutes Stück Fleisch ein gutes Stück Fleisch.

prisma: Kommen wir zum Abschluss noch mal auf Ihre neue Show zurück. Fünf Sendungen pro Woche à 45 Minuten – Sie machen doch ohnehin schon so viel. Wo nehmen Sie die Zeit her?

Henssler: Das ist tatsächlich eine gute Frage, denn momentan ist es schon sehr viel. Fünf Shows pro Woche, die zeichnet man nicht mal eben an einem Tag auf. In der Tat ist es so, dass ich eventuell an anderer Stelle kürzertreten muss, wenn wir das weitermachen.

prisma: Reden wir über eine Staffel, oder könnte die Sendung immer so weitergehen, Woche für Woche?

Henssler: Momentan ist kein Ende geplant, aber natürlich muss man erst mal sehen, wie es ankommt. Der Rest ergibt sich dann.

prisma: Haben Sie Angst vor einem Koch-Burnout?

Henssler: Nein, so etwas hatte ich noch nie. Ich glaube, es liegt daran, dass ich mir immer wieder neue Sachen suche und grundsätzlich nur das tue, auf das ich Lust habe. Ich denke, vor allem dies hilft enorm dabei, so etwas wie Burnout zu vermeiden. Was ich im Internet alleine mit "Hensslers schnelle Nummer" tue, hat für mich die Karten noch einmal neu gemischt – auch weil es sehr erfolgreich ist. Durch YouTube und Co. kann man heute sein Ding auch unabhängig von Partnern machen. Und das mit dem Fernsehen, das beobachte ich mal ...


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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