Richard David Precht bezeichnet "Remigrations-Pläne" als "maßlos weltfremde Albernheit"
Die "Remigrations-Pläne", die sich rechtsextreme AfD-Funktionäre und Gleichgesinnte wünschen, beleuchteten Markus Lanz und Richard David Precht in ihrem Podcast. Ein Verbot der AFD hält der Philosoph für kontraproduktiv. Doch die liberale Demokratie, die weltweit in Gefahr sei, bereite ihm große Sorgen.
In der Debatte um ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD hat Richard David Precht deutlich Stellung bezogen. In seinem gemeinsam mit Markus Lanz produzierten Podcast "Lanz & Precht" sagte der Fernsehphilosoph und Bestsellerautor: "Ich glaube, man wird das Gespenst nicht durch ein Verbot los." Derartige Bestrebungen halte er für "totalen Unsinn".
Precht: "jeder vernünftige Mensch weiß, dass das überhaupt nicht geht"
Rufe nach einem Verbot der Partei waren zuletzt wieder laut geworden, nachdem Berichte über ein Geheimtreffen in Potsdam veröffentlicht worden waren. AfD-Funktionäre hatten "Correctiv"-Recherchen zufolge im November 2023 gemeinsam mit anderen Figuren der rechtsextremen Szene sowie privaten Unterstützern einen "Masterplan" zur "Remigration" diskutiert. Im Kern sei es dabei um die Idee gegangen, Menschen mit Migrationsgeschichte im großen Stil aus Deutschland zu vertreiben.
Was Precht nach Bekanntwerden der Zusammenkunft am meisten verwundert habe: warum sich die teils gut gebildeten Teilnehmer des Treffens Fantasien hingäben, die "komplett unrealistischer Kokolores sind". Precht beschleicht angesichts der kolportierten "Remigrations"-Pläne das Gefühl "maßlos weltfremder Albernheit, weil natürlich jeder vernünftige Mensch weiß, dass das überhaupt nicht geht". Menschen in so großer Zahl auszufliegen in "Länder, die sie nicht aufnehmen wollen", sei "logistisch unrealistisch" und überdies "grundgesetzwidrig".
Precht gegen ein Verbotsverfahren gegen die AFD
Gegen ein Verbotsverfahren sprächen laut Precht aber andere Erwägungen. Einerseits die Dauer und der ungewisse Ausgang eines solchen Verfahrens sowie andererseits ungewollte Effekte bei der Wählerschaft. "Dann würden die AfD-Leute sagen: 'Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Putins Russland und der Bundesrepublik?'" Dann witterten sie "Wahlen, bei denen eine echte Opposition nicht zugelassen ist", mutmaßt der Philosophie-Talk-Gastgeber ("Precht", ZDF). "Damit hätten die ein Märtyrer-Image, und könnten sagen: 'Das ist der letzte Beweis, wie undemokratisch die Bundesrepublik ist.' Wir würden sie ganz groß und stark machen."
Was der AfD schon jetzt Auftrieb verschaffe, sei unter anderem der düstere Ausblick auf die Entwicklung des Wohlstands im Land. Anders als in den Wirtschaftswunderjahren, die nach der Nazi-Zeit demokratiefestigend gewirkt hätten, beschleiche die Menschen inzwischen das Gefühl: "Die Rallye ist vorbei." Das erzeuge Angst.
Dass die Wirtschaftsdaten derzeit wenig Anlass zum Optimismus geben, kann im aktuellen Podcast auch Markus Lanz bestätigen. Inzwischen würden Top-Ökonomen aller politischen Strömungen und Weltanschauungen in seiner ZDF-Talkshow sagen: "Es läuft katastrophal. Es geht schleichend nach unten."
Es brauche "gute, konstruktive Antworten für die Zukunft"
Dass sich kleinere Länder in Europa wirtschaftlich derzeit besser schlagen, erklärt Precht mit einem Sinnbild: "Deutschland kriegt den großen, schweren Tanker nicht gewendet." Wer so lange so erfolgreich war wie die Bundesrepublik, ändere nicht schnell genug sein über Jahrzehnte erprobtes Vorgehen. Lobbys, Verbände und Gewerkschaften würden das Ihre dazu beitragen.
Der Verdruss in der Bevölkerung entzünde sich indes immer an den jeweils Regierenden. In den Augen Prechts liege die Misere aber nicht eigentlich in den etablierten Parteien, sondern in einem anderen Mechanismus begründet: "Wer mit den wenigsten Ideen in die Politik geht, hat die größten Chancen, Kanzler zu werden. Das ist leider so." Wer hingegen alles von Grund auf anders machen wolle, komme schon in seiner Partei nicht nach oben. "Die lernen in einer Mediendemokratie, dass das Wandeln auf ausgetretenen Pfaden immer das erfolgreichste Rezept ist."
Zum Ende des Gesprächs zieht Richard David Precht ein alarmierendes Fazit: "Wir gehen in eine Zeit der Krise der liberalen Demokratie hinein." Er wolle nicht unken, beschwört er die Kraft von Engagement und Zuversicht. Doch wenn die Menschen das Vertrauen verlören, dass die liberale Demokratie die beste Staatsform ist, um die großen Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen, würden sie Parteien wählen, deren Ziel ihre Abschaffung ist.
Dies sei auch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus "eine irrsinnig gefährliche Entwicklung, die wir sehr ernst nehmen müssen". Es brauche nun, so Precht abschließend, "gute, konstruktive Antworten für die Zukunft" und nicht "ständige Auseinandersetzungen mit denjenigen, die ohnehin keine Lösung haben".
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH