Stephan Weil bezeichnet Christian Lindner als "empathielos" gegenüber den "Nöte von Leuten"
Laut Umfragen verlieren immer mehr Menschen das Vertrauen in die Regierung. Stephan Weil diskutierte bei Markus Lanz über die möglichen Gründe. Trotz aller Kritik am Bundeskanzler stellte sich der SPD-Politiker klar hinter Olaf Scholz und ging mit Christian Lindner hart ins Gericht.
In seinem Video-Podcast am 13. Januar sprach Bundeskanzler Olaf Scholz auch die Bauernproteste im Land an. Dazu sagte er, dass Streit zwar zu einer Demokratie gehöre, jedoch auch "mürbe machen und Unsicherheit schüren" könne. Bei "Markus Lanz" musste sich SPD-Politiker Stephan Weil der harschen Kritik an der Ampel stellen. Trotzdem stand er entschlossen hinter dem Kanzler und verteidigte dessen Worte. Zwar gab Weil zu, dass der Umgang der Regierung mit den Agrarsubventionen der Bauern "verbesserungsfähig" war, er stellte jedoch klar, dass die Bauernproteste ein Ergebnis aus 20 Jahren angestautem Frust gewesen seien.
Weil zeigte Verständnis für den Groll der Bauern
Laut des niedersächsischen Ministerpräsidenten ging es "gar nicht in erster Linie um den Agrardiesel", sondern vielmehr "um eine sehr lange Entwicklung (...), wo die Bauern den Eindruck gewonnen hatten: Es wird immer mehr von uns verlangt, aber es wird nicht anerkannt, dass wir eigentlich als Teil eines großen internationalen Marktes keine Chance haben". Dennoch seien die jüngsten Entscheidungen und Kommunikationsfehler der Bundesregierung laut Weil "der Tropfen" gewesen, "der das Fass zum Überlaufen gebracht" und "nicht zu einer Deeskalation" geführt habe.
In Bezug auf die Situation der Landwirte habe die Bundesregierung "kein Konzept", bemängelte Weil und zeigte Verständnis für den Groll der Bauern: "Sie müssen sich das aus der Sicht eines Berufsstandes vorstellen, der sowieso den Eindruck hat: Mit uns wird eigentlich nicht geredet." Diese Gelegenheit zum Austausch habe laut Weil auch Olaf Scholz vermissen lassen.
Reaktion von Christian Lindner auf die Bauernproteste
Markus Lanz machte den SPD-Politiker in dem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass er in der Vergangenheit bereits mehrfach gegensätzlicher Meinung zu Olaf Scholz war. Weil wiegelte jedoch ab und erklärte: "Das persönliche Verhältnis, da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Aber dass wir in einer Situation sind, wo wir wirklich über wichtige Fragen auch reden und diskutieren müssen – und gelegentlich auch unterschiedlicher Meinung sind – das ergibt sich einfach nun mal aus der Lage." Wie der SPD-Politiker weiter klarmachte, gebe es momentan enormen "Druck auf dem Kessel" und Themen zu bewältigen, die "richtig schwierig" seien.
Dies nahm der ZDF-Moderator zum Anlass, die Reaktion von Christian Lindner auf die Bauernproteste zu beleuchten. Noch am 6. Januar schoss der Finanzminister beim Dreikönigstreffen verbal gegen die Landwirte. Nur wenige Tage später änderte er seinen Kurs wieder komplett. Ein Unding für Stephan Weil, der Lindner eine "Empathielosigkeit (...) gegenüber den Betroffenen" vorwarf und sagte streng: "Diese Diskussion ist ganz entscheidend davon geprägt, wie Politiker auf Nöte von Leuten reagieren. Ob man das erstmal zur Kenntnis nimmt oder ob man es abwimmelt." Laut Weil seien "Glaubwürdigkeit und Vertrauen" die "eigentlichen Währungen in der Politik" und "wer die verliert, hat ein Problem".
Politologe bezeichnet Kanzler Scholz als Politiker "ohne Charisma"
Beim Thema Glaubwürdigkeit und Vertrauen wanderte der Blick auch auf Kanzler Olaf Scholz, der sich am 13. Januar mit einem Video zu den Bauernprotesten äußerte. Besonders Politologe Herfried Münkler kritisierte die Worte des Kanzlers und erklärte, dass seine Worte "ein Zeichen dafür" seien, dass er "mit dem Rücken an der Wand steht". Stephan Weil stichelte jedoch zurück und erklärte, dass die Worte von Scholz "ausdrücklich richtig" seien und ein Kanzler auch sagen dürfe: "Leute, haltet mal kurz inne." Münkler konterte darauf wütend und sagte, Scholz sei ein Politiker "ohne Charisma" und "ohne die Fähigkeit oder (...) Lust", Dinge "ausführlich zu erklären". Ein weiterer Vorwurf, den Weil nicht annehmen wollte: "Wir sollten auch mal akzeptieren, dass jemand authentisch ist. Und das ist Olaf Scholz aus meiner Sicht allemal."
Stephan Weil wetterte weiter: "Vielleicht könnnen wir uns auch darauf verständigen, dass wir eine Situation haben, die wirklich enorm hohe Ansprüche setzt." Der SPD-Mann ergänzte, dass es ihn störe, "dass wir gerade Leute, die unter maximalem Stress stehen (...), so einer Stilkritik unterziehen. Von uns, glaube ich, möchte mit den Dreien in dieser Situation gerade niemand getauscht haben." Journalistin Kerstin Münstermann konterte empört: "Bei 13 Prozent SPD in Umfragen (...) und 23 oder 22 Prozent AfD, glaube ich, geht es nicht nur um Stilfragen, sondern das ist ein politsches Vakuum, in das Leute stoßen, die nur dagegen sind und nichts anbieten." Lanz nickte ernst: "Dagegen zu sein ist mittlerweile ein politisches Programm."
Daraufhin warnte Herfried Münkler: "Wir haben aus den Augen verloren, dass Demokratie eine ausgesprochen anstrengende und anfordernde Form der Selbstregierung und überhaupt der Regierung ist." Ein AfD-Verbot halte der Politologe dennoch für einen "zu tiefen Eingriff in die Demokratie". Auch Stephan Weil gab zu: "Die Demokratie wird am besten von ihren Bürgerinnen und Bürgern geschützt." Deshalb formulierte er abschließend ein klares Ziel der Regierung: "Leute wollen Sicherheit fühlen, und sie wollen Orientierung haben. Und das ist die Hauptaufgabe, die wir derzeit haben."
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH