Doku in der ARD-Mediathek

"Die große Dürre": Werden Städte zu Betonwüsten?

30.08.2022, 17.21 Uhr
von Christopher Schmitt

Die Dokumentation, die im Ersten zu sehen war, schlägt Alarm: Es besteht dringender Handlungsbedarf, ein radikales Umdenken muss her. "Die große Dürre" ist weiterhin in der ARD-Mediathek abrufbar.

In Sommern wie diesen wird einmal mehr deutlich, wie überlebensnotwendig die Ressource Wasser für den Mensch ist. Über Wochen hinweg ächzte Deutschland unter mehreren Hitzewellen, der von Natur und Landwirten so ersehnte Regen blieb in weiten Teilen des Landes über lange Strecken aus. Am 15. August dieses Jahres führte der Rhein im rheinland-pfälzischen Kaub nur 32 Zentimeter, es war der historische Sommer-Tiefstand der vergangenen 52 Jahre. Ein deutlicher Fingerzeig in eine Zukunft, in der Trockenperioden als Folge des Klimawandels zunehmend zum Problem werden. In der alarmierenden ARD-Reportage "Story im Ersten: Die große Dürre" (nach der TV-Ausstrahlung am 29. August weiterhin in der ARD-Mediathek abrufbar) geht der renommierte Filmemacher Daniel Harrich gemeinsam mit einem Forschungsteam der Frage nach, wie lange unser Wasser noch ausreicht und wie die Dürren dieses Land verändern werden.

Die Botschaft des wichtigen und sehenswerten Beitrags, der nach Ausstrahlung auch in der Mediathek bereitsteht, ist eindeutig: So geht es nicht weiter, der Grundwasserspiegel sinkt. "Diese Klimakatastrophe ist voll angekommen, und damit müssen wir uns jetzt auseinandersetzen", erklärt Grundwasserökologe Hans Jürgen Hahn.

Der Wissenschaftler weiß, besonders zu Beginn einer Krise sind aussagekräftige Daten nötig. Doch von offizieller Seite, von den zuständigen Bundesländern, gibt es die nicht. Hahn berichtet, in Rheinland-Pfalz etwa wurden rund 80 Prozent der Grundwasser-Messstellen in den letzten 20 bis 25 Jahren aus dem Monitoring herausgenommen – vorwiegend aus Kostengründen. Deshalb entstand die ARD-Crowd-Science Aktion "Wo verschwinden unsere Bäche und Teiche". Bundesweit meldeten Menschen den Forscherinnen und Forschern Orte, wo Bäche und Teiche austrocknen – insgesamt waren es über 1.400 Gewässer, meist Klein und Kleinstgewässer.

Doch genau dort macht sich der Wassermangel zuerst bemerkbar. "Im Landschaftswasserhaushalt hängt alles mit allem zusammen", weiß Hahn. Bäche, Teiche und die Wälder seien in diesem Zusammenhang "Frühwarnsysteme" – und schlagen Alarm. "Da steht wirklich alles auf Rot."

Mondlandschaften, wo es grün sein sollte

Das Frühwarnsystem Wald liefert besonders besorgniserregende Bilder: Trockenheit, wohin man blickt. Im Siegerland werden die Kahlflächen schon als "Mondlandschaft" bezeichnet. Insbesondere für Teile der Flora und Fauna hierzulande ist die neue Trockenheit ein Todesurteil: Falls sich Tier- und Pflanzenarten nicht schnell genug an die neuen Bedingungen anpassen können, droht ihnen das Aussterben.

Dorothea Zeppke-Sors ist Waldbesitzerin und sagt, ihre Seele sei "mit dem Wald verwurzelt". Deshalb tue es ihr auch so weh, wenn Sie sehe, wie der Wald Stück für Stück sterbe. Sie sei Teil der Generation, der "in wenigen Jahren alles vor die Hunde geht, das ist so krass", berichtet sie mit zitternder Stimme. Trockenheitsbedingte Krankheiten, Pilz- und Käferbefall machen auch ihren Bäumen zu schaffen. Und der Verlust der Bäume bedeutet im schlimmsten Fall auch den Verlust der Existenz. Ihre Kollegin Antje Lange setzt ihre Hoffnung noch in die jungen Pflanzen. "Die passen sich vielleicht noch an", aber: "die alten schaffen das nicht!"

Daniel Harrichs Film zeigt: Wenn sich die Wasser-Bedingungen radikal ändern, ist dem nur mit einer radikalen Kehrtwende zu begegnen. Schließlich wurde bislang nur die Entwässerung von Städten und Feldern geplant – nun lautet die Frage hingegen: Wie können wir Wasser in der Fläche halten? "Da müssen wir einfach komplett umdenken", fordert Gewässerbiologe Holger Schindler.

In den Städten werden es Grünflächen schwer haben

Nicht umsonst bereitet sich Deutschland auf weitere Dürren vor, auch in anderen Ländern werden Notfallpläne erarbeitet. Ohne Zweifel muss sich das ganze Land an den Wassermangel anpassen. Nicht nur die Umstellung der Landwirtschaft – was, wenn der Weizen nicht mehr wächst? – und des Baugewerbes ist gefragt, auch der Alltag der Menschen muss sich verändern.

Experten vermuten, es wird im urbanen Raum noch schlimmer werden als auf dem Land. In kaum einem anderen Staat gibt es so viele versiegelte Flächen wie in Deutschland, künstliche Bewässerung ist selbst für junge Bäume bereits Standard in den Städten. Wenn Norbert Fußwinkel vom Grünflächenamt Steglitz-Zehlendorf durch die Parkanlage seines Berliner Bezirks schlendert, schwingt bereits heute Melancholie mit: "Das wird es der Form wahrscheinlich in wenigen Jahren so nicht mehr geben", sagt er. Die Menschen werden jeden Tropfen brauchen, da müssen sie womöglich Betonwüsten in Kauf nehmen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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