Boris Palmer äußert sich überraschend zum Rassismus-Skandal: "Das zermürbt mich"
In der Sendung von Markus Lanz war Boris Palmer zu Gast. Im April produzierte der Ex-Grünen-Politiker einen handfesten Skandal, als er vor einem Gebäude der Goethe-Universität das "N-Wort" benutzte sowie Judenstern-Vergleiche zog. Nun bezog Palmer überraschend Stellung und erntete für seine Offenheit Applaus.
Der ehemalige Grünen-Politiker Boris Palmer verkündete Anfang Mai seinen Parteiaustritt und ließ sein Amt als Tübinger Oberbürgermeister für einen Monat ruhen, nachdem er Ende April in Frankfurt am Main einen Rassismus-Eklat ausgelöst hatte. Am Rande einer Migrationskonferenz war Palmer mit einer Gruppe Menschen aneinandergeraten, die ihn mit der Verwendung des "N-Worts" konfrontierten. Bei seinem ersten großen Talkshow-Auftritt seit seinem Rückzug erinnerte sich Palmer mit überraschend ehrlichen Worten an den Vorfall, der seine politische Karriere für immer veränderte.
Boris Palmer: "Das war ein schwerer Fehler von mir"
Gegenüber Lanz erklärte Palmer zunächst, wie es zu dem Skandal kommen konnte: "Ich komme an und werde von einer Gruppe begrüßt mit einem Sprechchor: 'Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda'." Nur kurze Zeit später habe er von der Menschengruppe gehört, "ich sei ein Rassist". Boris Palmer weiter: "Dann ging's um die Verwendung des Wortes, das ich heute nicht sagen werde." Nachdem Lanz in der Sendung die betreffende Videosequenz vorspielte, gab der parteilose Oberbürgermeister Tübingens kleinlaut zu: "Dann habe ich einen (...) objektiv völlig unzulässigen Vergleich mit dem Judenstern gezogen."
Über seinen darauffolgenden Rückzug sagte Boris Palmer derweil: "Ich war für mich an einem toten Punkt. Ich habe nach dem x-ten Shitstorm jetzt einen gehabt, der war auch für mich persönlich so schlimm, dass ich gesagt habe, ich muss jetzt irgendwie mal raus aus dieser Mühle. Ich schaffe das auch nicht mehr, das zermürbt mich." Dem ehemaligen Grünen-Politiker wurde unter anderem vorgeworfen, den Holocaust relativiert zu haben. Eine Anschuldigung, die Palmer nicht von sich weisen kann, denn: "Das war ein schwerer Fehler von mir, das darf mir nicht passieren." In Deutschland gebe es "aus gutem Grund eine rote Linie". "Man darf, egal wie, keine Vergleiche dieser Art machen, weil es dann immer jemanden gibt, der eine üble Absicht hat und wirklich den Holocaust relativieren will, die Nazikeule relativieren will", führte Palmer aus. "Deshalb entschied er sich dazu, sein Amt ruhen zu lassen und Hilfe von einem Coach in Anspruch zu nehmen – "Therapie" würde er es aber so nicht nennen.
Training von Selbstbeherrschung
Im Gespräch mit Lanz erklärte Boris Palmer: "Diese Impulse, da so überzureagieren, die habe ich. Und die Frage, die besser zu kontrollieren, hat sich mir gestellt. Die Gespräche, die ich geführt habe, haben ziemlich sicher für mich ergeben: Es geht nicht um eine krankhafte Deformation, sondern es geht wirklich darum, Techniken der Selbstbeherrschung zu trainieren." Auf die Frage, ob er sich bei den Menschen entschuldigen wollte, die er beleidigt oder gekränkt habe, antwortete der Tübinger Oberbürgermeister: "Wenn ich den Eindruck habe, dass das tatsächlich der Fall ist, gerne. Und habe ich auch schon gemacht. Wenn ich den Eindruck habe, die Verletzung wird nur instrumentell vorgetäuscht, um damit Macht über andere auszuüben, tue ich es nicht." Letzteres nehme er nämlich als großes Problem in der gegenwärtigen Diskurskultur wahr.
Nicht nur der ZDF-Moderator, sondern auch Journalistin Quadbeck zeigten sich daraufhin begeistert. Die Chefredakteurin des "RedaktionsNetzwerk Deutschland" sagte unter anderem: "Respekt dafür, wenn man mit über 50 Jahren nochmal so aus seinem Job und auch aus der Öffentlichkeit rausgeht."
Über die Klausurtagung der Ampelkoalition zeigte sich Quadbeck dagegen wenig begeistert. Als Markus Lanz wissen wollte, warum die Regierung in Meseberg fleißiger und erfolgreicher zu sein schien als in Berlin, sagte Quadbeck spöttisch: "Dieser Zehn-Punkte-Plan, der da herausgekommen ist, ist nicht verkehrt. Der ist aber jetzt auch nicht so, dass die deutsche Wirtschaft und Deutschland überhaupt 'Oha' ruft." Laut der Journalistin wurde zudem nicht "das glaubwürdige Signal" gesendet, dass man jetzt wirklich "eine Art Neustart" versuche. Im Gegenteil: "All diese Signale sind nicht von Meseberg ausgegangen." Die Journalistin fügte hinzu: "Dieses viele Gestreite sorgt ja dafür, dass sich die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich von den Ampelparteien abwenden."
Boris Palmer: "Ich bin mit der Regierung unzufrieden"
Auch Boris Palmer gab zu: "Ich bin mit der Regierung unzufrieden, aber ich wüsste auch nicht, wen ich sonst wählen soll (...) Alle Angebote sind gerade nicht adäquat." Der parteilose Oberbürgermeister berichtete zudem über Firmen, die mittlerweile nicht mehr in Deutschland, sondern in Ländern wie den USA investieren würden. Sie würden ihm direkt ins Gesicht sagen: "Wir können in Deutschland nicht mehr wachsen, das geht gar nicht mehr."
Die Angst um den Wirtschaftsstandort Deutschland bezeichnete Palmer als "geradezu toxischen Cocktail" bestehend aus Themen wie dem Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie oder der fehlenden Digitalisierung. "Wir erdrosseln uns selber", so Palmer. SPD-Außenpolitiker Michael Roth sah dies jedoch anders und offenbarte, dass er mit den "Untergangsszenarien für Deutschland überhaupt nichts anfangen" könne. "Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich ein bisschen in der Welt rumkomme und mir viele immer wieder sagen: 'Eure Probleme möchten wir gerne haben.'" In Bezug auf die ewigen Streitereien in der Ampel ergänzte er: "In einer Demokratie, die auf Streit beruht, sollte man nicht Streit per se in Zweifel ziehen."
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH