„Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise“

Chancenungleichheit an Schulen: Linda Zervakis warnt vor sozialer Spaltung

06.11.2025, 13.36 Uhr
In ihrer neuen Reportage spricht Linda Zervakis über die wachsende Ungleichheit an deutschen Schulen – und warum Bildung noch immer von der Postleitzahl abhängt.
Linda Zervakis
Linda Zervakis (50) legt den Finger in die Wunde - und klärt auf: Sie ist die weibliche Reporterin im ProSieben-Team neben ihren Kollegen Jenke von Wilmsdorff und Thilo Mischke.   Fotoquelle: picture alliance / epd-bild | Stephan Wallocha

Wie gerecht ist das deutsche Bildungssystem? Dieser Frage widmet sich Linda Zervakis (50) in ihrer neuen ProSieben-Reportage – und zwar nicht nur aus journalistischer Distanz, sondern ganz persönlich als Mutter. „Große Sorge bereitet mir, dass im Bereich Bildung leider nach wie vor keine soziale Gerechtigkeit herrscht“, sagt sie im Gespräch mit prisma.de.

Inwiefern beeinflusst die Herkunft den Bildungserfolg?

Zervakis beschreibt einen Befund, den viele Studien seit Jahren bestätigen – und den sie selbst im Alltag erlebt: Nach wie vor entscheidet die Herkunft über den Bildungsweg der Kinder. „Bildung ist auch im heutigen Deutschland – nach der momentanen Tendenz sogar wieder verstärkt – von der Postleitzahl abhängig“, so die Moderatorin.

Sie selbst lebt in einer Gegend, in der gut situierte Schulen die Regel sind. Doch nur wenige Stationen entfernt, im Stadtteil ihrer Kindheit, sieht die Lage völlig anders aus. Dort treffe sie auf Klassen, in denen Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen sitzen und Lehrkräfte zunächst Sprachgrundlagen vermitteln müssen, bevor sie überhaupt zum Unterrichtsstoff kommen. Gleichzeitig wachse der Trend, Kinder auf Privatschulen zu schicken. „Das vertieft wiederum die gesellschaftliche Spaltung.“

Linda Zervakis: Zwischen Analyse und persönlicher Betroffenheit

Für Zervakis ist es wichtig, dass die Reportage nicht nur Defizite benennt, sondern auch zeigt, wo Lösungen möglich sind. Ihre eigene Erfahrung macht ihr klar, wie entscheidend die Rahmenbedingungen für den Lernerfolg sind. Gerade deshalb wolle sie die Missstände nicht skandalisieren. Vielmehr geht es um die Darstellung, anhand derer sichtbar wird, welche Veränderungen notwendig sind, damit Bildungsgerechtigkeit keine Frage der Herkunft ist.



Persönliche Haltung, professionelle Distanz

Zervakis geht es um eine Haltung, die nah an Menschen bleibt: „Ich möchte der Übersetzer für die Zuschauerinnen und Zuschauer sein. Wenn ich etwas nicht verstehe, dann werden es die Zuschauer vielleicht auch nicht tun. Also frage ich nach.“

Seit ihrem Wechsel von der „Tagesschau“ zu ProSieben empfindet sie ihren journalistischen Alltag deutlich freier: „Als Tagesschau-Sprecherin habe ich über Probleme berichtet. Meine aktuelle Tätigkeit ist insofern freier – ich darf vor Ort recherchieren, habe die Ausrichtung der Recherche selbst in der Hand und kann tiefer in die jeweiligen Problemstellungen eintauchen.“

Als einzige Frau im Einsatz neben Jenke von Wilmsdorff und Thilo Mischke

Als einzige Frau im Reportageteam neben Jenke von Wilmsdorff und Thilo Mischke ist sie sich ihrer Rolle bewusst. Herausforderungen aufgrund ihres Geschlechts begegnet sie selbstbewusst: „Wenn ich mich als Frau in meinem Berufsalltag einer ungerechten Behandlung ausgesetzt sehe, lasse ich das in der Regel nicht so stehen, sondern setze mich verbal zur Wehr.“

Klare Linie bei der Themenwahl

So offen sie an gesellschaftliche Probleme herangeht – nicht jedes Thema komme für sie in Frage. Rechtsextremismus beispielsweise möchte sie in einer eigenen Reportage bewusst nicht behandeln: „Vor dem Hintergrund meiner persönlichen Betroffenheit bin ich mir unsicher, ob ich die nötige Souveränität und Gelassenheit an den Tag legen könnte.“

„Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise“ - Mo. 24.11. - ProSieben: 20.15 Uhr

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